Gesamtabfolge der Komplemente und Supplemente im Mittelfeld
Zur Beschreibung der Stellungsregularitäten der Komplemente und Supplemente im Mittelfeld deutscher Sätze kann der Bereich zwischen dem linken Satzklammerteil (lSkl) und dem rechten Satzklammerteil (rSkl) in noch kleinere Stellungsfelder eingeteilt werden. Diese Felder teilen sich in drei Gruppen: der linke Innenrand, der rechte Innenrand – und eine dritte relativ stellungsoffene Gruppe im mehrfach besetzbaren Mittelteil:
Innenränder
Die Besetzung der beiden Innenränder unterscheidet sich in ihrer syntaktischen Ausprägung sehr. Nach dem Prinzip, dass beieinander steht, was inhaltlich zusammengehört, haben die Einheiten des rechten Innenrandes in Verbletztsätzen eine größere Nähe zum Vollverb, das in infiniter Form im rechten Satzklammerteil vorliegt, sofern dieser realisiert ist. Die Gesamtabfolge der Komplemente und Supplemente im Mittelfeld ist aber auch bei nicht-realisierter rechter Satzklammer oder bei Besetzung durch ein Präverb grundsätzlich diesselbe.
Der linke Innenrand umfasst die drei Positionen (li 1-3), die unmittelbar auf den linken Satzklammerteil (lSkl) folgen. Bei unmarkierter Abfolge werden sie durch das Subjekt und pronominale Kasuskomplemente (vgl. Stellung der Komplemente im Mittelfeld) besetzt:
An erster Stelle steht i. d. R. das Subjekt, danach das in Form eines Personalpronomens (PersP) realisierte Akkusativkomplement und an dritter Stelle das ebenfalls pronominale Dativ- oder Genitivkomplement. Diese interne Reihenfolge bleibt immer erhalten, auch wenn nur zwei Positionen besetzt sind. Ein nicht als Personalpronomen realisiertes Subjekt kann aber auch im Mittelteil, nach den im linken Innenrand stehenden pronominalen Akkusativ- oder Dativkomplementen stehen, was dann häufig eine (schwache) Änderung der Informationsstruktur zur Folge hat.
„Warum hast du es ihm nicht gesagt?“, konterte
ich. [Fischer, Hella (2005): Teufels-Spiele. Föritz, S. 113]
Das Phantom
[...] tauchte in den letzten noch verbliebenen Schatten unter. Aber zuvor gab Christine
ihm noch den schlichten Goldring zurück, den es ihr als Zeichen seiner Liebe
geschenkt hatte. [Mannheimer Morgen, 30.09.2000]
Im Jahr 305 nach
Christus wurde die Heilige Margareta hingerichtet. Vergangenes Wochenende gedachte man
ihrer beim 28. Pfarrkirtag in Höflein an der Donau. [Niederösterreichische
Nachrichten, 23.07.2008]
Der rechte Innenrand umfasst die drei Positionen (re 3-1), die unmittelbar vor dem rechten Satzklammerteil (rSkl) stehen. Supplemente, die als negative Satzadverbialia (neg. S-ADV, prototypisch die Negationspartikel nicht) realisiert werden, stehen vor Supplementen, die als Verbgruppenadverbialia (V-ADV) realisiert werden. Kontextspezifizierende (nicht quantifizierende) und modale S-ADV haben eine freiere Stellung und stehen v.a. im Mittelteil des Mittelfeldes. Quantifizierende S-ADV stehen hingegen nach den negativen S-ADV und vor den V-ADV. Direkt vor dem rechten Satzklammerteil stehen die Präpositivkomplemente (3) und die Nicht-Kernkomplemente (-KRN), z. B. Adverbialkomplemente (4, 5) und die nicht-verbalen Teile von Nominalisierungsverbgefügen (6) (vgl. Stellung der Komplemente im Mittelfeld).
(...), obwohl er zunächst sprachlos
war.
"Wer kann denn überprüfen, ob es sich tatsächlich die
Waage hält?" [Nürnberger Nachrichten, 17.02.1998]
Ich habe mich
damals kaum für meine Steuererklärungen interessiert.
Wir
haben danach lange Zeit in Köln gewohnt.
Im März 1986 sind
wir nicht wieder nach Landau, sondern nach Köln gezogen.
Der DAX ist gestern sage und schreibe um 283 Punkte
gefallen.
Auf die Anordnung der Stellungsglieder im polnischen Satz haben mindestens sechs Faktoren einen großen Einfluss. Es sind:
- Der verbozentrische Satzaufbau, der die Einteilung des Satzes in linkes und rechtes Stellungsfeld impliziert:
Dzieci >> przyszły << godzinę temu. ‘die Kinder sind vor einer Stunde gekommen’
- Die nahezu unbeschränkte Stellungsfreiheit des Finitums, was das Volumen des linken und rechten Stellungsfeldes je nach den kommunikativen Bedürfnissen verändern lässt:
Godzinę temu dzieci >> przyszły. ‘vor
einer Stunde sind die Kinder kommen’
Dzieci godzinę temu >>
przyszły. ‘die Kinder sind vor einer Stunde gekommen’
Przyszły << godzinę temu dzieci. ‘es sind vor
einer Stunde Kinder gekommen’
- Die Informationsstruktur der satzförmigen Äußerungen, die Altes und Vertrautes in der Tendenz im linken, Neues und Wichtiges hingegen im rechten Stellungsfeld erscheinen lässt:
Dzieci >> przyszły <<
godzinę temu. ‘die Kinder sind vor einer Stunde gekommen’
Godzinę temu >> przyszły <<
dzieci. ‘es sind vor einer Stunde Kinder gekommen’
- Satzmelodie und Akzentverteilung, die die Wirkung der o.g. Faktoren, insbesondere bei den unüblichen Abfolgen von Stellungsgliedern, verstärken oder aufheben:
Korkociągiem próbował Janek wyciągnąć banknot z
butelki. ‘mit dem Korkenzieher versuchte Hans die Banknote aus der Flasche
herauszuziehen‘.
Korkociągiem próbował wyciągnąć banknot z butelki
Janek. ‘Janek war es, der mit dem Korkenzieher die Banknote aus der Flasche
herauszuziehen versuchte‘.
- Die meist eindeutige Markierung der syntaktischen Rolle des jeweiligen Stellungselements durch Flexionsmittel, die unabhängig von der linearen Anordnung wirken:
Janek próbował korkociągiem wyciągnąć banknot z butelki.
Korkociągiem próbował Janek wyciągnąć banknot z butelki.
Z butelki banknot wyciągnąć próbował Janek korkociągiem.
etc.
- Der vorausgehende Kontext:
(Był raz sobie krasnoludek.) Miał czerwony kubraczek i długą siwą brodę. ‘es war einmal ein Zwerg. Er hatte ein rotes Jäckchen und einen langen grauen Bart’
Im zuletzt genannten Beispiel bleibt das linke Stellungsfeld leer, weil die Besetzung der Subjektstelle mitgedacht wird.
In Anbetracht des Gesagten kann man behaupten, dass jede Abfolge der Komplemente und Supplemente im polnischen Satz korrekt ist, solange sie den obigen Prinzipien entspricht und durch kompetente Sprecher des Polnischen als informativ und situativ angemessen befunden wird. Rein grammatische Faktoren (bis auf die morphosyntaktische Markierung, siehe 5) für die Anordnung der Stellungsglieder gibt es nicht. Die zuweilen unternommenen Versuche (Engel u.a. 1999, Barański 2006), die Grund- und abgeleitete Folgen quasi grammatisch zu beschreiben, sind allenfalls als Versuche zu betrachten, die Stellungsregeln für den polnischen Satz festzulegen und somit die Satzgliedstellung zu kodifizieren. Die meisten Grammatiken der polnischen Sprache, auch die, die für den deutschen Leser eingerichtet sind, gehen an der Satzgliedstellung wortlos vorbei (vgl. Skibicki 2007, Bartnicka u.a. 2004).
Mittelteil
Der Mittelteil des Mittelfeldes lässt sich nicht nach der Abfolge der dort vorkommenden Stellungseinheiten darstellen, weil sie ziemlich frei ist. Deshalb kann man zunächst nur das Inventar auflisten, das dort typischerweise stehen kann:
- Abtönungspartikeln
- Kasuskomplemente, die nicht als Personalpronomina realisiert werden
- Satzadverbialia
Die einzelnen Reihenfolgebeziehungen werden in unterschiedlicher Stärke durch die in Stellung der Komplemente bzw. der Supplemente beschriebenden Stellungsklassen bestimmt.
Im folgenden Beispiel sind alle sechs Abfolgevarianten der Abtönungspartikel, des lokalen Satzadverbs und des Akkusativkomplements im Mittelteil möglich:
Leider habe ich | ja dort den Hausmeister ja den Hausmeister dort dort den Hausmeister ja dort ja den Hausmeister den Hausmeister ja dort den Hausmeister dort ja | nicht angetroffen. |
Die Abfolge ist im Mittelteil – wie gesagt – sehr variabel. Im folgenden Beispiel können die Stellungseinheiten zwischen er und leiht nahezu unbegrenzt untereinander verschoben werden:
(9') ..., dass er das Auto vielleicht morgen seinem Freund leiht
Die modalen Satzadverbialia (hier: vielleicht) fokussieren bei diesen Umstellungen jeweils unterschiedliche Elemente und bewirken damit meist eine schwache Änderung der Informationsstruktur.
Stellung der Negationspartikel nicht
Hier geht es um die semantisch bedingten Stellungsregularitäten der Negationspartikel nicht. Die kommunikativ geregelten werden in Die Informationsstruktur des Mittelfelds beschrieben.
Im Polnischen steht die Negationspartikel nie ‘nicht’ obligatorisch vor dem Finitum, wenn sie den Satz in den Skopus nimmt. Sonst steht nie vor dem Element (Einzelwort, Phrase), das negiert werden soll. Andere Positionen sind nicht zulässig.
Nie spotkamy się dzisiaj. ‘wir treffen uns
heute nicht’, Satzbezug
Spotkamy się nie dzisiaj, nie za
dwa dni, lecz dopiero w przyszłym miesiącu. ‘wir treffen uns nicht heute, nicht in zwei
Tagen, sondern ers im kommenden Monat’, Wort-, dann Phrase-Bezug
Die Position der Negation ist z. T. von Skopusverhältnissen abhängig, also vom jeweiligen semantischen Bezugsbereich, in anderen Fällen aber nicht. Skopusbestimmt ist die Position des satznegierenden nicht nach den Abtönungspartikeln und den Satzadverbialia sowie vor den Verbgruppenadverbialia:
Abp | S-ADV | V-ADV | |||
(10) Na ist schon praktisch ... gerade bei Ausfahrten, [...] wo man das Wetter | ja | oft | nicht | perfekt | erwischt. |
[www.golfcabrio.de/forum, gesehen am 18.06.2010] |
Die relative Stellung zu den Komplementen und zu anderen Satzadverbialia ist nicht in gleicher Weise skopusabhängig. Sonst müsste nicht in seiner satznegierenden Funktion vor all diesen Satzkomponenten stehen. Neben dem generellen Geltungsbereich (Skopus) hat nicht einen spezifischen Wirkungsbereich, der durch seine Stellung und eine besondere Akzentuierung fokussiert wird. In dieser Funktion spricht man von kontrastierender Negation (vgl. Wortstellung und Akzentuierung, Änderung der Informationsstruktur).
Wenn kein spezieller Teil des Gesagten bzw. eine Komponente durch die kontrastierende Negation fokussiert ist, kann man annehmen, dass sich die Negation auf den ganzen Satz bezieht. Dieser unmarkierte Wirkungsbereich wird durch die Stellung von nicht auf der Position re3 gekennzeichnet (vgl. Beispiele 3, 4).
Negation vor Verbgruppenadverbiale
Die skopusbestimmte Abfolge "nicht >> Verbgruppenadverbiale" ist besonders fest, z. B.:
(11) Der Monitor hat von Anfang an
nicht einwandfrei
funktioniert.
(12) Es hat einfach nicht
mehr schön ausgesehen.
Die Stellung des Präpositivkomplements mit dem Geld ist in den Beispielen (13, 13', 14) variabel. Die Abfolge von nicht und fest kann hingegen nicht umgekehrt werden (6'):
(13) Er hatte fest mit dem Geld
gerechnet.
(13') Er hatte mit dem Geld fest
gerechnet.
(14) Er hatte (nicht fest) mit dem Geld (nicht fest) gerechnet.
(14') *Er hatte
fest nicht mit dem Geld
gerechnet.
Wird das Verbgruppenadverb aus Beispiel (14) aus dem engen Fokus der Negationspartikel verschoben, ist der Satz nur als kontrastierende Negation möglich:
(14'') (*)Er hatte nicht mit dem Geld fest gerechnet.
Übung: Negation vor Verbgruppenadverbiale
Die folgenden Beispiele zeigen, dass die Wortstellung auch Rückschlüsse auf den Supplementtyp zulässt. In (15) liegt einfach gemäß der oben formulierten Abfolgeregel als Adjektiv in der Funktion eines Verbgruppenadverbiales vor, in (15') ist einfach hingegen als Abtönungspartikel zu interpretieren.
(15) Was wir dort erlebt haben, lässt sich nicht einfachV-ADV
beschreiben.
(15') Was wir dort erlebt haben, lässt sich
einfachAbp nicht
beschreiben.
Kernkomplemente vor Negation
In der Regel stehen Kernkomplemente vor nicht (16-19):
(16) Da die Regierung dem Parlament den Gesetzesentwurf
nicht rechtzeitig übermittelt hat, ...
(17) Ich glaube, dass diese Annahmen einer wissenschaftlichen Überprüfung
nicht stand halten werden.
(18)
... weil auch längeres Lagern diesen Früchten
nicht schadet.
(19) ... obwohl diese Regelung für diese
Gruppe der Geschädigten nicht zutrifft.
Davon ausgenommen sind die Präpositivkomplemente (Kprp), deren Grundposition i. d. R. am äußersten rechten Innenrand anzusetzen ist (vgl. (3) oben). Allerdings können bestimmte Kprp, abhängig von der Stärke der Bindung an das Verb, auch im Mittelteil, d. h. vor nicht stehen (13, 13', 14).
Nicht-Kernkomplemente (bzw. nicht-verbale Teile von Nominalisierungsverbgefügen) sind enger an die Bedeutung des Vollverbs gebunden und stehen deshalb (bei realisierter rechter Satzklammer zusammen mit der infiniten Form des Vollverbs) nach nicht. Die Voranstellung von nicht liefert also auch einen Hinweis auf den Status des folgenden Komplements.
Der Status des Komplements legt allerdings nicht immer zwingend eine bestimmte Abfolge fest. In den folgenden Belegen stehen nicht-verbale Teile von Nominalisierungsverbgefügen oder Phraseolexemen jeweils vor der Negation:
Weil die Zeit knapp ist, kann Karl Partsch den Mund nicht halten, [...]. [Zeit, 7.2.1986, 77]
[...], indes verlangt die Partei die Einordnung in Kooperationen, damit sie die Kontrolle nicht verliert. [Zeit, 14.2.1986, 10]
[...] die auch ihnen anhaftenden Schwierigkeiten der Neuen Heimat können den Sozialdemokraten den Schlaf nicht rauben. [Zeit, 28.2.1986, 6]
Allerdings ist hier immer auch die umgekehrte, unmarkierte Abfolge möglich, sie ist auch die erwartbare. Neben syntaktischen und informationsstrukturellen können auch rhythmische Präferenzen (als Phänomen der Intonation) eine Rolle spielen.
Negation vor quantifizierenden Ausdrücken
Bei Sätzen mit einem quantifizierenden Ausdruck wie alle, jeder, oft, genug, überall – sowohl in Komplement- wie in Supplementfunktion – muss nicht vor diese den quantifizierenden Ausdruck enthaltende Phrase gestellt werden, wenn der gesamte Restsatz im Skopus der Negation liegen soll:
(20) Ein internationaler Vergleich zeigt, dass nicht mehr alle NATO-Partner auf Wehrpflichtarmeen bauen.
[Mannheimer Morgen, 1.4.1987, 4]
(21) Leider begegnete ihnen solches
Glück nicht oft. [Zeit, 4.4.1986, 81]
(22) Die Gleichberechtigung ist noch nicht
auf allen Feldern erreicht. [Mannheimer Morgen, 8.1.1987, 2]
Ein entsprechendes nicht-quantifizierendes Supplement stünde vor der Negation:
(22') Die Gleichberechtigung ist auf diesem Feld noch nicht erreicht.