Wirkung schwacher Faktoren im Vergleich

Zunächst werden hier die binär aufgefassten Faktoren hinsichtlich des Anteils der ES-Endung an der Gesamtheit aller Endungen und hinsichtlich der als logarithmierte Odds Ratios und Korrelationskoeffizient Phi kalkulierten Effektstärke miteinander verglichen. Dem so entstandenen groben Überblick über ihre Durchschlagskraft, Wirkungsrichtung und Reichweite folgen in den nächsten Kapiteln Spezialanalysen, in denen einige konkrete Forschungsfragen erörtert und wichtige Faktorengruppen näher untersucht werden, wobei exemplarisch auch Abhängigkeiten und Interaktionen zwischen Faktoren herausgearbeitet werden.

Abb. 13: Anteil der ES-Endung: Durchschlagskraft schwacher Faktoren im Vergleich

Abb. 1: Anteil der ES-Endung: Durchschlagskraft schwacher Faktoren im Vergleich

Als Bezugspunkt für Vergleiche und vorläufige Bestimmung der Wirkungsrichtung können in Abbildung 1 ‚alle Nomen‘ (d. h. alle nach den in Faktorenübersicht und Datenbasis beschriebenen Einschränkungen verbliebenen 1.733.983 Token) dienen.1 Unter den Faktoren, die bei positiver Ausprägung zugunsten von ES wirken, zeigt ‚Silbenanzahl: 1‘ die größte Durchschlagskraft. Ansonsten werden die beiden äußeren Bereiche des Diagramms durch die (auch als Ordinalvariablen) darstellbaren Faktorenkomplexe Sonoritätshierarchie und Betonung sowie – interessantenweise – durch die Vokalhöhe gebildet. Der letztgenannte Faktorenkomplex wird in der gesichteten Literatur nicht direkt genannt und wurde hier nur aufgrund explorativer Voruntersuchungen eingeführt (Bubenhofer/Hansen/Konopka 2014).

Es zeichnet sich folgendes Bild für durchschlagskräftige Faktoren ab: Zu ES tendieren insbesondere Einsilber, Nomen auf Affrikate und Nomen mit tiefem Vokal2 in letzter Silbe, zu S dagegen insbesondere Nomen auf Liquid, Nasal sowie Nomen mit Pänultima-Betonung. Diese Gruppen sollen uns in den nächsten Kapiteln noch näher beschäftigen. Bei den durchschlagskräftigen ES-Faktoren ist der in der Fachliteratur traditionell vertretene Faktor ‚Wortausgang auf Konsonantengruppe‘ überraschenderweise wenn, dann nur indirekt – über Nomen auf Affrikate3 – vertreten. Zu Faktoren mit vergleichsweise geringer Durchschlagskraft sind erwartungsgemäß der Auslaut auf Frikativ (auf der Sonoritätsskala in der Mitte liegend), das Genus und schließlich die in der Fachliteratur strittige Länge des Endsilbenvokals4 zu rechnen.

Abb. 2: Reichweite und Effektstärke schwacher Faktoren im Vergleich

1Da die dargestellten Faktoren den gesamten Bereich ‚alle Nomen‘ strukturieren, entfällt hier der Datenpunkt ‚restliche Nomen‘, der bei der Betrachtung der starken Faktoren in Abbildung 2 in Wirkung starker Faktoren im Vergleich noch aufgeführt wurde.

2D. h. mit einem a-Laut.

3D. h. konkret auf /pf/, da Nomen auf /ts/ in Faktorenübersicht und Datenbasis mit dem Ausschluss von Nomen auf s-Laut aus der Datenbasis eliminiert wurden.

4Dass sowohl ‚Vokallänge: kurz‘ als auch ‚Vokallänge: lang‘ zugunsten von ES wirken, liegt daran, dass die verhältnismäßig stark zugunsten von S wirkenden Diphthonge aufgrund dieser spezifischen Wirkung aus der Gruppe ‚Vokallänge: lang‘ herausgenommen wurden (vgl. Vokallänge)

Auch im Hinblick auf die Effektstärke (Phi-Koeffizient) sind die Bereiche Silbenanzahl, Betonung, Vokalhöhe und Sonoritätshierarchie von besonderer Bedeutung. Die vier stärksten Einflussgrößen in Abbildung 2 wirken bei positiver Faktorenausprägung interessanterweise zugunsten von ES. Darunter ragt ‚Silbenanzahl: 1‘ heraus. Mit einer Effektstärke von Phi = 0,38 hält dieser Faktor sogar in der Spitzengruppe der starken Faktoren (vgl. Abbildung 3 in Wirkung starker Faktoren im Vergleich) mit. Die verhältnismäßig große Effektstärke des Faktors ist vor dem Hintergrund der hohen relativen Häufigkeit der Einsilber zu sehen, die ca. 26% der hier zugrunde liegenden 1.733.983 Genitivtoken ausmachen. Hingegen fällt die Effektstärke des Faktors ‚Sonoritätshierarchie: Affrikate‘, der im Hinblick auf die Durchschlagskraft vergleichbar mit ‚Silbenanzahl: 1‘ war, mit 0,05 sehr gering aus, was der Seltenheit der Nomen auf Affrikate geschuldet ist (0,8% der Token). Die niedrigsten Effektstärken zeigen außerdem Einflussgrößen, die schon im Hinblick auf die Durchschlagskraft die schwächsten waren: die Sonoritätshierarchie mit der Ausprägung Frikativ, Vokallänge und Genus.

Anders als bei starken Faktoren in Wirkung starker Faktoren im Vergleich muss man bei schwachen Faktoren immer bedenken, dass sie miteinander zusammenhängen können, was in Vergleichen wie die in Abbildung 1 und 2 nicht zum Tragen kommt. Eine Variablenausprägung kann gleichzeitig mit Variablenausprägungen anderer Faktoren auftreten, z. B. Einsilber + Plosiv + Konsonantengruppe + tiefer Vokal + Maskulinum + kurzer Vokal in Rand. In solchen Fällen ist es nicht klar, ob und wie die in Frage kommenden Faktoren einander beeinflussen. Eine modellhafte Analyse derartiger Zusammenhänge erfolgt für ausgewählte Faktoren in Exemplarische Analyse von Korrelationen und Interaktionen zwischen Faktoren (binäre logistische Regression).

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Autor(en)
Marek Konopka
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