Tagtraum, Tagegeld, Tagesgericht — Die Verwendung von Wortformen in Komposita
Bei der Komposition, auch Zusammensetzung genannt (lat. compositio 'Zusammensetzung'), werden mindestens zwei Wörter zu einem Kompositum zusammengesetzt:
Hutschachtel
Alle Komposita dieses Typs lassen sich in zwei Einheiten teilen: Die erste Einheit, das Bestimmungswort, bestimmt die zweite Einheit näher; sie ist der zweiten Einheit hierarchisch untergeordnet: Eine Hutschachtel ist eine Schachtel und zwar eine für Hüte. Die zweite Einheit, das Grundwort, ist die dominante Einheit; sie legt fest, um was es sich beim gesamten Wort handelt: Eine Hutschachtel ist eine Schachtel.
Als Bestimmungswort können drei Sorten von Wortformen verwendet werden:
- Stämme wie in Tagtraum
- Plurale wie in Tagegeld
- Genitive wie in Tagesgericht
Die Verwendung von Wortformen in deutschen Komposita gilt zu Recht als schwer durchschaubar.
- Zwar wird als Grund für die Verwendung von Wortformen immer mal wieder die bessere Aussprechbarkeit angeführt, der schöne Klang, die Euphonie (zu griech. eu- 'schön'), aber als schöne klare Regeln lassen sich die Klänge nicht formulieren; zuverlässige phonische Kriterien gibt es offenbar nicht: Ist die optimal schöne Form Tag, Tage oder Tages? Und falls Sohnespflicht leichter aussprechbar sein sollte, warum dann nicht auch Hohnesgelächter?
- Auch inhaltliche Kriterien sind unzuverlässig: So kann man sich zwar Tagtraum als 'Traum am Tag' erklären, Tagegeld als 'Geld, das man für mehrere Tage bekommt' und Tagesgericht als 'Gericht des aktuellen Tages', aber warum heißt es Tagesmutter? Und warum Buchhandlung, obwohl dort mehrzählig Bücher verkauft werden, und warum Buchrücken und nicht Buchesrücken?
Immerhin gibt es mitunter Spielraum: Zwar ist Buchladen üblicher, es ist in den geschriebenen Korpora des Instituts für Deutsche Sprache 2060 mal belegt, aber Bücherladen ist auch nicht besonders auffällig, es lässt sich 114 mal belegen.