2.5 Besondere Fälle der Kommasetzung

2.5.1 Sprachwandel bei Einleitungswörtern
In einigen Fällen können weitere Ausdrücke zusammen mit dem nebensatzeinleitenden Ausdruck als Einheit (und so als Ergebnis von Sprachwandel) aufgefasst werden. Werden sie als noch selbstständig aufgefasst, steht gemäß § 73 das Komma.


Wir werden ihnen gegenüber abweisend oder entgegenkommend sein, je nachdem(,) ob sie starrköpfig oder sachlich sind. Egal(,) welche Farbe sie sich aussucht, sie wird immer gut aussehen. Wir haben nicht genug Zeit, das Projekt fertigzustellen, geschweige denn(,) dass die Belegschaft über den Stand der Dinge informiert werden könnte.

2.5.2 Grammatischer Wandel: Wechselflexion
Bei Folgen von Adjektiven im Dativ, die sich auf Nomen im Maskulinum oder Neutrum Singular beziehen, können entweder alle Adjektive eine Dativmarkierung aufweisen (Parallelflexion) oder nur das erste (Wechselflexion). Welche Formen gewählt werden, ist regional (unterschiedlich) im Wandel. Beide Fälle können als Reihungen aufgefasst werden und werden dann gemäß § 71 mit Komma markiert.

Als Reihung aufgefasst
Man rechnet mit weiterem, starkem Wachstum.
Man rechnet mit weiterem, starken Wachstum.
Nicht als Reihung aufgefasst
Man rechnet mit weiterem starkem Wachstum.
Man rechnet mit weiterem starken Wachstum.

Ob sich bei Parallelflexion eine stärkere Tendenz entwickelt, sie (nur) als Reihung aufzufassen, kann noch nicht festgestellt werden.

2.5.3 Ausdrücke als Satzglieder oder verkürzte Sätze
Manchmal vertreten Fragewörter einen gesamten Fragesatz. In diesen Fällen kann das Fragewort als Satzglied oder als verkürzter Satz aufgefasst werden. Wird es als Satzglied aufgefasst, steht kein Komma, wird es als verkürzter Satz aufgefasst, steht das Komma.

Als Satzglied aufgefasst
Berta weiß nicht wie viel.
Nico hat sich das Bein gebrochen und hat uns auch gesagt wie.
Keiner ahnt warum.
Als verkürzter Satz aufgefasst
Berta weiß nicht, wie viel.
Nico hat sich das Bein gebrochen und hat uns auch gesagt, wie.
Keiner ahnt, warum.

2.5.4 Formelhafte Wendungen
In einigen Fällen entwickeln sich Sätze durch Auslassungen zu formelhaften Wendungen, die dann nicht mehr als Sätze aufgefasst werden und nicht mehr gemäß § 73 mit Komma markiert werden müssen. Bei diesen formelhaften Ausdrücken kann das Komma somit weggelassen werden.


Wie ich es bereits gesagt habe, verhält sich die Sache anders. Ich komme, wenn es nötig ist, bei dir vorbei.
Wie bereits gesagt(,) verhält sich die Sache anders. Ich komme(,) wenn nötig(,) noch bei dir vorbei.

2.5.5 Strukturelle Mehrdeutigkeit bei zu-Infinitiven
In einigen wenigen Fällen kann nicht entschieden werden, ob ein übergeordnetes Verb zusammen mit einem zu-Infinitiv ein mehrteiliges Prädikat bildet oder ob es einen infiniten Nebensatz einbettet. Betroffen sind z. B. folgende Verben: versuchen, erlauben, beabsichtigen, versprechen, gestatten, probieren, wagen. Das Komma zeigt gemäß § 73 E4, ob der zu-Infinitiv als Bestandteil eines mehrteiligen Prädikats oder als Nebensatz aufgefasst wird.

zu-Infinitiv als Bestandteil eines mehrteiligen Prädikats aufgefasst: ohne Komma
Der Minister versuchte das Kabinett zu überzeugen.
Der Lateinlehrer beabsichtigt zum heutigen Elternabend zu gehen.
Gerhard probiert den Mount Everest zu besteigen.
zu-Infinitiv als infiniter Nebensatz aufgefasst: mit Komma
Der Minister versuchte, das Kabinett zu überzeugen.
Der Lateinlehrer beabsichtigt, zum heutigen Elternabend zu gehen.
Gerhard probiert, den Mount Everest zu besteigen.

2.5.6 Variation bei Infinitivformen
Bei zu-Infinitivkonstruktionen, die durch Fragewörter eingeleitet werden, liegt die Besonderheit vor, dass die infinite Verbform auch ohne zu verwendet werden kann. Sie sind den zu-Infinitiven gleichgestellt und stehen gemäß § 73 mit dem Komma.


Ich weiß nicht, was an(zu)fangen. Er wusste nicht, wie weiter(zu)machen, und ließ die Arbeit ruhen.