Differenzierung zwischen lokalen und direktiven Präpositionen
Auffälligstes Faktum beim Vergleich zwischen lokalen und direktiven Präpositionen ist der Kasuswechsel bei den Präpositionen an, auf, hinter, in, neben, über, unter, vor und zwischen. Bei lokaler Verwendung regieren diese den Dativ, bei direktiver den Akkusativ. Direktive Präpositionalphrasen (PP) mit diesen Präpositionen kommen ausschließlich als adverbiale Komplemente vor; sie sind wie die entsprechenden lokalen zu interpretieren.
Onkel Fritz legt sich ins Bett. | Lokalisierung in der IN-Region des Betts nach Zurücklegen des Weges, also nach Abschluss der resultativen Handlung. |
Onkel Fritz liegt im Bett. | Lokalisierung in der IN-Region des Betts für die Gesamtdauer des Ereignisses. |
Die damit getroffene Unterscheidung kann im Anschluss an Hermann Paul (1919, Band IV, § 280) und Leys 1989 verallgemeinert werden: Lokative Präpositionalphrasen denotieren bei Rektion des Dativs ein "bestehendes", das heißt für den gesamten Ereigniszeitraum gültiges Verhältnis, bei Rektion des Akkusativs ein "entstehendes", das heißt nur für ein Teilintervall gültiges Verhältnis.
Damit können die lokalen Präpositionen differenziert werden in vier Gruppen.
- Präpositionen, die selbst Regionen konstituieren und bestehende und entstehende Verhältnisse entwerfen: an, auf, hinter, in, neben, über, unter, vor, zwischen.
- Präpositionen, die selbst Regionen konstituieren und ausschließlich bestehende Verhältnisse entwerfen: bei, gegenüber, zu (zu Berlin, zu Hause, zur Stelle).
- Präpositionen, die selbst Regionen konstituieren und ein entstehendes Verhältnis entwerfen: um, durch.
- Präpositionen, die selbst keine Regionen konstituieren und ein bestehendes Verhältnis entwerfen: die direktiv-adlativen Dativ-Präpositionen bis, nach, zu (zum Bahnhof, zur nächsten Ecke) sowie die direktiv-ablativen Präpositionen aus, ab, von.
Die Unterscheidung zwischen bestehenden und entstehenden Lokalisierungsrelationen ist aspektualer Natur. Sie leistet einen Beitrag zur Art der Ereignisperspektivierung. Ihr Beitrag muss daher abgestimmt sein auf die vom Verb oder der Verbgruppe ausgedrückten Ereignisperspektive. Wir gehen davon aus, dass der Verbalcharakter des Verbs und die von der lokativen Phrase ausgedrückte Aspektualität kompositional die Ereignisperspektive der gesamten Verbgruppe ergeben. Es gilt grosso modo:
kursives Verb + PP, die ein bestehendes Verhältnis bezeichnet | Die Freunde halten sich gerne am Bahnhof auf. |
nicht inhärent kursives Verb + PP, die ein entstehendes Verhältnis bezeichnet | Man geht in fünf Minuten zum Bahnhof. |
Zwei Besonderheiten sind zu beachten.
- Präpositionen der Gruppe (4) verbinden sich mit nicht inhärent kursiven Verben zu einer insgesamt telischen Verbgruppe. Präpositionalphrasen zum Beispiel mit nach, ab bezeichnen zwar ein bestehendes Verhältnis, sie korrelieren jedoch mit regionenkonstituierenden Präpositionen wie in, bei zur Bezeichnung eines entstehenden Verhältnisses. Die Begrenzung am Ausgangspunkt mithilfe von ab, aus, von führt ebenfalls zur Kompatibilität mit Prozessverben, also mit nicht inhärent kursiven Verben. Begrenzungen allein hinsichtlich der lokativen QUELLE sind jedoch ein markierter Fall. In der Regel muss auch die ZIEL-Begrenzung (oder eine weitere lokative Bestimmung) hinzutreten. Erst dann ist auch eine Zeitspannenangabe möglich. In ihrer grammatischen Kombinatorik verhalten sich also die Präpositionen der Gruppe (4) wie die Präpositionen, die entstehende Lokalisierungsrelationen bezeichnen.
- Transformative Präverbfügungen wie ankommen, einfahren, einlaufen verbinden sich mit Bezeichnungen für bestehende, nicht für entstehende Lokalisierungsrelationen.
* Die Freunde kamen nach Frankfurt an.
Der Zug läuft an demselben Bahnsteig ein.
* Der Zug läuft an denselben Bahnsteig ein.