Fusionierende Suffigierung

Ein fusionierendes Flexionssuffix liegt dann vor, wenn es mehrere grammatische Kategorien markiert, die jeweils zu verschiedenen Kategorisierungen gehoren. Von einem fusionierenden Suffix wird hier genauer gesagt dann gesprochen, wenn sich die in Frage kommende Endung nicht oder nicht eindeutig in Teileinheiten zerlegen lasst, die sich jeweils nur mit einer Kategorisierung verbinden lassen. Fusionierende Suffixe sind charakteristisch fur Verben, Artikel, Pronomina und Adjektive. Sie sind vor allem im Zusammenhang mit der Stammflexion zu sehen.

Verben

Traditionellen Auffassungen zufolge werden bei Verben Personalkategorien und Numeruskategorien durch fusionierende Suffixe, sog. Personalendungen, markiert (zu differenzierteren, weiterfuhrenden Auffassungen vgl. Wiese 1994: 172f., 178ff.). Fur das Prasens Indikativ ergeben sich demnach folgende Unterscheidungen:

komm-e1. P. und Sg
komm-st2. P. und Sg
komm-t3. P. und Sg bzw. 2. P. und Pl
komm-en1./3. P. und Pl

Die konsonantischen Suffixe -st und -t haben dabei auch schwahaltige (d. h. den Vokal [?] enthaltende) Varianten -est und -et wie in redest, redet. Das Suffix -en hat eine schwalose Variante -n wie in rudern. Die Endung -e in der 1. P. Sg. ist meist fakultativ, vgl. umgangssprachlich: Ich komm gleich. Unter Berucksichtigung der Varianten sieht also das Inventar der Endungen folgenderma?en aus:

-(e), -(e)st, -(e)t, -(e)n

Diese Endungen dienen zur Unterscheidung finiter Verbformen auch im Konjunktiv Prasens und in den Teilparadigmen des Prateritums. Die Distribution von schwahaltigen und schwalosen Endungsvarianten ist zum einen phonotaktisch geregelt wie bei redet vs. *redt oder rudern vs. *ruderen. Zum anderen kann sie morphologisch signifikant sein. Die folgende Tabelle gibt eine Ubersicht uber die in verschiedenen Bereichen geltenden Unterscheidungen und die zulassigen Endungsvarianten:

BereichSingularPlural
Indikativ Prasens
1. P.2. P.3. P.
-(e) -(e)st-(e)t
1./3. P.2. P.
-(e)n-(e)t
Prateritum/Konjunktiv
schwacher Verben
1./3. P.2. P.
-e -est
1./3. P.2. P.
-en-et
Prateritum
starker Verben
1./3. P.2. P.
- -st
1./3. P.2. P.
-en-t
Konjunktiv
starker Verben
1./3. P.2. P.
-(e) -(e)st
1./3. P.2. P.
-en-(e)t

Den drei traditionell unterschiedenen grammatischen Personen entspricht nur im Singular Indikativ Prasens, also dem Teilparadigma der hinsichtlich des Tempus, Modus und Numerus unmarkierten Wortformen, jeweils eine eigene Endung. Bereits im Plural Indikativ Prasens findet die Unterscheidung 1./3. Person keinen formalen Ausdruck. Im Prateritum und im Konjunktiv fallen die 1. und 3. Person sogar grundsatzlich zusammen. Eine spezifische Endung enthalten somit durchgehend nur die Wortformen der 2. Person, genauer gesagt die Wortformen, die durch ihren Bezug auf Adressaten kommunikativ hochstmarkiert sind. Abgesehen vom Singular Indikativ Prasens wird also, was die Personenkennzeichnung angeht, eigentlich nur zwischen Adressat und Nichtadressat unterschieden. Dabei wird bei -(e)st von der Fusion der Kategorie Adressat mit der Numeruskategorie Singular und bei -(e)t von der Fusion der Kategorie Adressat mit der Numeruskategorie Plural ausgegangen.

Artikel und Pronomina

Bei Artikeln und flektierbaren Pronomina konnen im Singular Genus- und Kasuskategorien fusionieren. Beim Demonstrativpronomen dieser und dem entsprechenden Demostrativartikel ist die Fusion etwa in folgenden Wortformen evident:

dies-en: Mask + Akk
dies-em: Mask/Neut + Dat

Adjektive

Bei der Deklination der Adjektive wird im Allgemeinen von fusionierender Suffigierung ausgegangen (vgl. z. B. Wurzel 1996, 507). In der starken Flexion scheinen im Singular die Genus- und Kasuskategorien in ahnlicher Weise zu fusionieren wie bei Artikeln und flektierbaren Pronomina, z. B.: gro?-em: Mask/Neut + Dat. In der schwachen Flexion sind die Verhaltnisse allerdings durch Synkretismen getrubt (vgl. Adjektiv).

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Autor(en)
Marek Konopka
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