Agglutinierende Suffigierung und Suffixketten

Agglutinierende Suffixe, das heißt Suffixe, die jeweils auf nur eine Kategorisierung spezialisiert sind, sind charakteristisch für die Komparation der Adjektive. Außerdem treten sie bei Verben auf, und zwar bei der Bildung der Präteritumformen schwacher Verben. In der Deklination der Nomina schließlich sind die Suffixe zwar keine konstanten Form-Funktions-Paare, wie es für agglutinierende Suffigierung typisch ist, die Wortformbildung zeigt aber durchaus agglutinierende Züge (vgl. Zifonun 2004, S. 10ff.). Die agglutinierende Suffigierung wird oft im Zusammenhang mit der Grundformflexion gesehen.

Da in Wortformen oft mehrere Kategorien verschiedener Kategorisierungen markiert werden müssen, treten agglutinierende Suffixe oft gleichzeitig mit anderen (agglutinierenden oder fusionierenden) Suffixen auf. Die Suffixe stehen dann immer in einer bestimmten Reihenfolge, die der Hierarchie der relevanten Kategorisierungen entspricht.

Komparation der Adjektive

Adjektive werden mithilfe von agglutinierenden Suffixen kompariert: Der Positiv wird als Standardkategorie nicht mit einem Suffix gekennzeichnet, der Komparativ wird mit dem Suffix -er und der Superlativ mithilfe des Suffixes -(e)st gebildet. Die Suffigierung kann vom Umlaut begleitet sein (vgl. Steigerung des Adjektivs, Kombination von Vokalwechsel und Affigierung).

Werden die Adjektive im Komparativ und Superlativ dekliniert, so wird das fusionierende Genus-/Kasussuffix an das Suffix der Steigerungsstufe angehängt:

klein-er-em (Komp + Mask/Neut, Dat)
klein-st-em (Super + Mask/Neut, Dat)

Verben

Bei schwachen Verben wird die Tempuskategorie Präteritum durch ein agglutinierendes Suffix markiert, vgl. das Paradigma des Präteritum Indikativ/Konjunktiv von machen:

mach-t-e
mach-t-est
mach-t-en
mach-t-et

Hier kann das Präteritalsuffix -t- angenommen werden, das eine schwahaltige Variante -et- ([-ət-]) besitzt, deren Auftreten phonotaktisch geregelt ist (sie ermöglicht es, das Suffix deutlich vom Stamm abzugrenzen, z. B. in Verben wie bet-et-e, vgl. Eisenberg 1998, 1, S. 189). Für die Wortformen des Präteritums schwacher Verben ist neben dem Präteritalsuffix die Silbigkeit der gesamten Endung charakteristisch, vgl. mach-te, mach-test und nicht *mach-t und *mach-tst. Für die Silbigkeit der Endung sorgt also das durchgehend nach dem -t- erscheinende Schwa (-e-). Das Auftreten schwahaltiger Varianten der Personal- und Numerusendungen wie -e oder -est ist hier somit morphologisch relevant.

Alternativ könnte das Schwa zu einer Einheit mit -t- zusammengefasst werden mit der Begründung: Es markiere - indem es die Silbigkeit herbeiführe - mit diesem zusammen die Kategorie Präteritum. Gemäß dieser Interpretation müssten einzelne Wortformen wie folgt zerlegt werden:

mach-te
mach-te-st
mach-te-n
mach-te-t

Hier wird das Präteritalsuffix -(e)te angenommen (vgl. Vollverb). Die Wortform mach-te erscheint demzufolge ohne Personalendung. Die Wortform wird für die 1./3. P. Sg gebraucht, also in den gleichen Fällen, in denen bei starken Verben ebenfalls eine Wortform ohne Personalendung gebraucht wird, vgl. etwa schrieb vs. schrieb-st usw. Als Argument gegen die Betrachtung vom Schwa als Teil des Präteritalsuffixes kann allerdings geltend gemacht werden, dass die Silbigkeit der gesamten Endung, für die das Schwa verantwortlich ist, nicht nur für schwache Verben im Präteritum charakteristisch ist, sondern auch bei allen Vollverben im Konjunktiv die Regel ist, vgl. etwa mach-est, mach-test, schreib-est, schrieb-est.

Das Präteritalsuffix geht der Konjunktivmarkierung, die mithilfe schwahaltiger Personal- und Numerusendungen erfolgt, gewissermaßen voran. Auch bei starken Verben hat die Markierung der Tempuskategorie Präteritum Vorrang vor der Konjunktivmarkierung: Das Präteritum wird durch den Ablaut des Stammvokals angezeigt, der im Konjunktiv - soweit möglich - zusätzlich umgelautet wird. An den Stamm treten dann die für den Konjunktiv charakteristischen schwahaltigen Personal- und Numerusendungen. Daraus ergibt sich für die Verbflexion folgende Reihenfolge der Markierungen:

Tempus > Modus > Person/Numerus

Darin kann man eine Hierarchie der Kategorisierungen sehen und versuchen, sie durch die Hierarchie der primären Funktionen der einzelnen Zuordnungen zu erklären:

zeitliche Situierung > Modalität/Indirektheit > syntaktische Kongruenzkategorien (eigentlich nominal)

Nomina

In der Deklination der Nomina wird die Numeruskategorie des Plurals in der Regel durch Suffixe markiert. Es kommen dabei die Endungen -e (vor allem bei Maskulina und Neutra), -(e)n (vor allem bei Feminina), -er (vor allem bei Neutra) und -s in Frage. Der Plural wird bei -e zum Teil (vor allem bei Maskulina) und bei -er, wenn immer möglich, gleichzeitig durch Umlaut des Stammes angezeigt (Genaueres in Kombination von Vokalwechsel und Affigierung). Außerdem gibt es Nomina, bei denen der Plural nur durch Umlaut gekennzeichnet wird oder gar flexionsmorphologisch unmarkiert bleibt (vgl. auch Nomen).

Pluralmarkierung durch Suffix
(Pluraltyp 2, 3 sowie 4 und 5 teilweise)
Pluralmarkierung durch Suffix und Umlaut
(Pluraltyp 4 und 5 teilweise)
Sonstige Möglichkeiten
(Pluraltyp 1)
Bär-en
Oma-s
Weg-e
Rind-er
Händ-e
Büch-er
Väter (nur Umlaut)
Wagen (keine
Markierung)

Von den Kasuskategorien kann im Plural nur der Dativ markiert sein. Überall dort, wo es mit den phonotaktischen Regeln des Deutschen vereinbar ist, erscheint ein zusätzliches -n, vgl. im Folgenden a) und b):

Dativmarkierung möglich
Pluraltyp 4, 5 und teilweise 1
Dativmarkierung nicht möglich
Pluraltyp 2, 3 und teilweise 1
Weg-e-n
Händ-e-n
Rind-er-n
Büch-er-n
Väter-n
*Bär-en-n
*Oma-s-n
*Wagen-n

Bei Nomina mit -e-Plural kann man davon ausgehen, dass die Endung -en im Dativ Plural als Ganzheit zu sehen ist und insofern ein fusionierendes Suffix darstellt, zumal -en auch andere Aufgaben als Ganzheit übernimmt (vgl. Aufbau von Wortformen). Bei anderen Nomina kann das Dativsuffix -n, im Teilparadigma des Plurals betrachtet, als agglutinierend angesehen werden. Allerdings, im Gesamtparadigma eines Nomens betrachtet, weist es implizit auch auf die Numeruskategorie Plural hin, denn es kommt nur im Plural vor, vgl. etwa:

Segel (Numerus und Kasus morphologisch nicht markiert) vs. Segeln (Dativ und - implizit - Plural)

Die Reihenfolge der Suffixe bei Nomina ist - soweit zwei vorhanden sind - Numerussuffix vor Kasussuffix. Zieht man noch die nominale Paradigmenkategorisierung Genus hinzu, kann man folgende Hierarchie der Kategorisierungen aufstellen und nach ihrer Begründung in der Funktion der einzelnen Zuordnungen suchen:

Genus > Numerus > Kasus

Lexembedeutung >begriffliche Wortformbedeutung > syntaktische Funktion (syntagmatische Beziehungen zur Umgebung)

Der Numeruskategorie Singular entspricht als der Standardkategorie kein Suffix. So markieren die Suffixe im Singular der Maskulina und Neutra nur die Kasuskategorien, und in ihrem Teilparadigma betrachtet können sie als agglutinierend angesehen werden: Die Kasuskategorie Nominativ bleibt - wiederum als Standardkategorie - nicht gekennzeichnet (vgl. Grundformflexion). Die für den Genitiv verwendeten Wortformen weisen dagegen regulär ein Suffix auf - je nach Flexionstyp -(e)s oder -(e)n. Bei Lexemen des ersten Typs kann auch die Dativform mit -e gekennzeichnet sein, bei Lexemen des zweiten Typs (den sog. schwachen Maskulina) können alle Kasuskategorien außer Nominativ durch -(e)n markiert sein. Alle Feminina (Flexionstyp A) weisen im Gegensatz zu Maskulina und Neutra prinzipiell keine Kasusmarkierung im Singular auf.

Kasussuffixe im Singular

Suffix
Kasus
Nominativ
Genitiv
Dativ
Akkusativ
Deklinationstyp B (Löwe, Mensch)Deklinationstyp C (Segel, Haus)
-
-(e)n
-(e)n
-(e)n
-
-(e)s
-(e)
-

Die Kasussuffixe -(e)s und -e (Flexionstyp C) können - im Gesamtparadigma eines Nomens betrachtet - implizit auf die Numeruskategorie Singular hinweisen, denn sie markieren die entsprechenden Kasus nur im Singular, z. B.:

Segel (Numerus und Kasus morphologisch nicht markiert) vs. Segel-s (Genitiv und - implizit - Singular)
Geist (Numerus und Kasus morphologisch nicht markiert) vs. Geist-e (Dativ und - implizit - Singular)

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Marek Konopka
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