Vollverb

Vollverben können im Unterschied zu Modalverben, Hilfsverben und Kopulaverben in ihrer finiten Form alleine den Prädikatsausdruck bilden: Ich gehe. Sie sind damit die zentrale Kategorie für den Aufbau der Satzstruktur.

Beispiele

gehen, lachen, besprechen, sich freuen, erwärmen, aufnehmen, totlachen, bausparen etc.

Andere Bezeichnungen und Zuordnungen

Tätigkeitswort, Hauptverb.

Morphologische Eigenschaften

Vollverben werden nach Person, Numerus, Modus, Tempus und Genus verbi konjugiert.

Sie lassen sich nach dem morphologischen Kriterium Präteritum- und Perfektbildung einteilen in

  • starke Verben: singen / sang / gesungen
  • schwache Verben: lachen / lachte / gelacht

Nach Kriterien der Wortbildung unterscheidet man außerdem simplizische, das heißt einfache, einteilige Verben wie halten, gehen von Verbkomposita wie unterhalten, hintergehen, Verben mit Präfixen wie behalten, vergehen und Verben mit Präverb wie vorhalten, eingehen, die auch ohne Beteiligung von Hilfs- und Modalverben Satzklammern bilden können: Ich halte ihr das seit Jahren vor.

Konjugation im Präsens Indikativ: Schwache und starke Verben

STAMMSINGULARPLURAL
1. PERSONeen
2. PERSONspiel-
sing-
stt
3. PERSONten

Konjugation im Präsens Konjunktiv / Konjunktiv I: Schwache und starke Verben

PRÄSENSSTAMMSINGULARPLURAL
1. PERSONeen
2. PERSONspiel-
sing-
estet
3. PERSONeen

Charakteristisch für das Konjunktiv-Paradigma ist das Erscheinen des -e (Schwa) in allen Formen.

Bei einigen starken Verben tritt in der 2. und 3. Person Präsens Singular im Indikativ Vokalwechsel (Ablaut) ein:
fahre / fährst / fährt
trete /trittst / tritt
trage / trägst / trägt.
Die Formen des Konjunktivs haben keinen Vokalwechsel: er fahre, sie trage, er trete.

Konjugation im Präteritum Indikativ: Schwache Verben

Der Präteritalstamm der schwachen Verben wird durch Anhängen des Morphems -(e)te- an den Präsensstamm gebildet.
PRÄTERITALSTAMMSINGULARPLURAL
1. PERSON-n
2. PERSONspiel-te-stt
3. PERSON-n

Konjugation im Präteritum Indikativ: Starke Verben

Der Präteritalstamm der starken Verben wird durch Ablaut, das heißt Vokalwechsel, gebildet, teilweise zusätzlich durch Veränderungen des Auslautkonsonanten:
singen / sang
tragen / trug
schreiben / schrieb
treten / trat
stehen / stand
ziehen / zog

PRÄTERITALSTAMMSINGULARPLURAL
1. PERSON-en
2. PERSONsang--stt
3. PERSON-en

Konjugation im Konjunktiv Präteritum / Konjunktiv II: Starke und schwache Verben

PRÄTERITALSTAMMSINGULARPLURAL
1. PERSONeen
2. PERSONspielt--
säng--
estet
3. PERSONeen

Die starken Verben mit umlautfähigem Stammvokal haben im Konjunktiv II einen Umlaut:
nahm / nähme
fuhr / führe
bot / böte

Bildung des Perfektpartizips (Partizip II)

Das Perfektpartizip dient zusammen mit den Hilfsverben sein, haben und werden der Bildung der zusammengesetzten Tempora Präsensperfekt, Präteritumperfekt und Futurperfekt sowie der Bildung des Passivs. Schwache Verben bilden das Partizip II mit dem Präfix ge- und dem Suffix -t, starke Verben mit dem Präfix ge- und dem Suffix -en in Verbindung mit dem abgelauteten Partizipialstamm des Verbs.

PERFEKTPARTIZIP
schwache Verbenge-spiel-t
starke Verbenge-sung-en

Vgl. dazu:

Syntaktische Eigenschaften

Verben bilden die für die Topologie des Deutschen wichtige Satzklammer. Charakteristisch für das Deutsche ist die große Anzahl von Präverbfügungen, d.h. Verben wie kochen mit einem Präverb wie ein oder vor: Sie kocht heute Schattenmorellen ein. Sie kochte die Kartoffeln vor. Hier finden sich Elemente verschiedener Wortarten.

  • Präpositionen wie vor:
    In der gekachelten, hinteren Sternradio-Bar belegt er montags bis freitags Brote, macht Salat und wärmt Suppe auf, die er anderswo vorkocht.
    (Berliner Zeitung 1.2.2007, 27)
  • Adverbien wie hinauf:
    Der kleine Yannick rückt noch einmal den Rucksack zurecht, bevor es die Treppe zum großen Saal im Congress-Park hinaufgeht.
    (Braunschweiger Zeitung 27.1.2010, o.S.)
  • Adjektive wie frei:
    Das Gericht schenkte seinen Ausführungen Glauben und sprach ihn frei.
    (St. Galler Tagblatt 21.4.2010, 37)
  • Nomina wie Teil: Er hatte hart trainiert, bevor er im Mai an seinem ersten Halbmarathon teilnahm.
    (Die Zeit 6.9.2007, 2)

Im Zusammenspiel mit Hilfsverben wie haben und mit Modalverben wie können ergeben sich Verbalkomplexe, die besonderen Bildungs- und Abfolgeregeln gehorchen. Dabei bildet die finite Verbform das strukturelle Satzzentrum, an dem die Einheitenkategorisierungen Person und Numerus festgemacht werden. Hinsichtlich des Numerus besteht Übereinstimmung mit dem Subjekt; die Person wird vom Subjekt regiert.

Ödipustrickstedie Sphinxaus.
Ödipuskonntedie Sphinxaustricksen.
Ödipushättedie Sphinx austricksen können.
NachdemÖdipus die Sphinxhatte austricksen können.
Die Sphinxhättevon Ödipusausgetrickst werden können.
Weildie Sphinx leichthätte ausgetrickst werden können.

Vom Verbalkomplex zu unterscheiden ist die Verbgruppe mit dem Vollverb als informationellem Satzzentrum: Vollverben eröffnen aufgrund ihrer Bedeutung Leerstellen für Mitspieler unterschiedlichen Typs und bedingen so Anzahl und Art der Komplemente. Als Verbgruppe bezeichnen wir das Vollverb mit seinen Komplementen ohne das Subjekt und gegebenenfalls weitere Supplemente, also die klassische Verbalphrase.
weil er mir gern sein Buch leiht Verbgruppe

Semantische und funktionale Eigenschaften

Nach ihren semantischen Eigenschaften lassen sich Vollverben auf verschiedene Weisen klassifizieren. Geläufig ist z. B. die Einteilung in

  • Zustandsverben wie liegen, schlafen, hängen, blühen
  • Vorgangsverben wie fallen, einschlafen, explodieren, tropfen
  • Handlungsverben wie schreiben, aufhängen, graben, die im Unterschied zu Vorgangsverben eine Intention des Handelnden voraussetzen

Des weiteren können Subklassen gebildet werden, etwa Bewegungsverben für Verben wie laufen, schreiten, fahren, verba dicendi für Verben wie berichten, sagen, erklären, Verben der Transaktion für Verben wie geben, überreichen, nehmen. Nach zeitlichen Gesichtspunkten kategorisiert werden durative Verben wie schlafen, blühen oder perfektive Verben wie einschlafen, verblühen. Schließlich werden Verben auch nach ihrer Valenz klassifiziert.

Zusätzliche Literatur in Auswahl

Helbig 1983; Ballmer / Brennenstuhl 1986; Fabricius-Hansen 1991; Leiss 1992; Radtke 1998; Rolland 1998; Cosma 2006; Bredl/ Töpler 2007.

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Autor(en)
Eva Breindl
Bearbeiter
Elke Donalies
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