Partizip II

Bildungsregel

(ge) + Partizipialstamm + (e) n
geschrieben
(ge) + Partizipialstamm + (e) t
gearbeitet

Hierbei sind das Präfix ge- und die Suffixe -en/ -et als eine (!) diskontinuierliche grammatische Einheit zu betrachten.

Partizipialpräfix

Ob das Partizipialpräfix gesetzt wird, hängt vor allem von intonatorischen Gründen ab. Das Partizipialpräfix ge- wird gesetzt, wenn das Verb Initialbetonung aufweist, also bei

  1. Simplexverben mit Anfangsbetonung wie arbeiten: Er arbeitet schwer.
  2. Präverbfügungen wie abarbeiten mit abtrennbarem, den Hauptakzent tragenden Präverb: Er arbeitet sich ab. Das Partizipialpräfix ge- wird hier zwischen Präverb (ab) und Verbstamm (arbeiten) eingefügt.
  3. Verbkomposita mit nicht abtrennbarem erstem Kompositionsbestandteil wie ratschlagen: Hier wird das Partizipialpräfix in der Regel an den Anfang gesetzt.
1.arbeiten
finden
-ge
ge
arbeit
fund
et
en
2.abarbeiten
auffinden
ab
auf

ge
ge

arbeit
fund

et
en
3. wetteifern
handhaben
ratschlagen
wett
hand
rat
ge
ge
ge
eifer
hab
schlag
t
t
t

Das Partizipialpräfix ge- wird nicht gesetzt bei

  1. Verben ohne Initialbetonung mit dem nicht einheimischen Suffix -ieren wie studieren oder auf nicht-einheimischer Basis wie receyclen
  2. Verben mit einemPräfix wie erziehen
  3. Zusammensetzungen oder Präverbfügungen mit Verben der Gruppen 4. und 5.
4. studieren
isolieren
recyceln
interviewen
-- studier
isolier
recycle
interview
t
t
t
t
5. erziehen
besprechen
erstehen
übersetzen
- er
be
er
über
zog
sproch
stand
setz
en
en
en
t
6. einstudieren
abisolieren
auferstehen
nachbesprechen
anerzogen
handverlesen
ein
ab
auf
nach
an
hand


er
be
er
ver
studier
isolier
stand
sproch
zog
les
t
t
en
en
en
en

Nicht intonatorisch allerdings, sondern von der grammatischen Funktionalität her bestimmt ist die Setzung von ge- bei werden: Sie ist sehr fleißig geworden. Bei werden als Hilfsverb wird jedoch ge nicht gesetzt: Sie ist ausgelacht worden.

Verben mit nominalem ersten Bestandteil: Partizipialpräfix oder nicht?

Bei Verben mit der oberflächlich identischen morphologischen Struktur Nomen + Verbstamm, z.B. maßregeln, ist bezüglich der Position des Partizipialpräfixes auf die Trennbarkeit zu achten:

  • Bei echten Verbkomposita mit nicht abtrennbarem ersten Kompositionsbestandteil wird das Partizipialpräfix in der Regel initial gesetzt: Sie hat ihn gemaßregelt.
maßregeln --ge maßregel t
handhaben --ge handhab t
ratschlagen --ge ratschlag t
wetteifern --ge wetteifer t
  • Bei Verben mit abtrennbarem ersten Bestandteil, also bei Präverbfügungen, wird das Partizipialpräfix zwischen Präverb und Stamm eingefügt: Sie hat staubgesaugt.
notlanden -notge land et
probelaufen -probege -lauf en
rasenmähen rasenge -mäh t
radfahren -radge -fahr en
staubsaugen -staubge -saug t

Partizipialsuffix

Das Partizipialsuffix lautet bei schwachen Verben -t oder -et, bei starken Verben -n oder -en. Die Realisation von e ist von der phonologischen Struktur abhängig.

Suffix bei starken und schwachen Verben

schwach----
arbeiten -ge arbeit et
machen-ge mach t
stark----
finden -ge fund en
tun ge ta n

Phonologische Struktur

Die Realisation des Reduktionsvokals /schwa/, graphetisch e, geschieht nach folgenden phonologischen Kriterien:

  • Bei den schwachen Verben wird /schwa/ gesetzt nach den stammauslautenden dentalen Konsonanten /d/ und /t/:
    geredet
    gerettet
    Ausnahmen sind unter anderen gesandt, gewandt
    und nach Konsonant (außer /l/ und /r/) plus Nasal:
    geatmet
    geregnet
    gerechnet
    Die Regularitäten entsprechen hier den Regeln zur Setzung von /schwa/ beim Übergang vom Präsens- zum Präteritalstamm sowie teilweise beim Imperativ - dies ist zu erwarten, da ja der Partizipialstamm der schwachen Verben dem Präsensstamm entspricht.
  • Bei den starken Verben ist /schwa/ nur bei getan nie realisiert. Bei den starken Verben, deren Partizipialstamm auf eine offene Silbe endet, kann /schwa/ fehlen. In gesprochener Umgangssprache ist dies gewöhnlich der Fall:
    gesehen (sprich auch gsehn)
    geflohen ( sprich auch gflohn)
  • Graphetisch wird der /schwa/-Ausfall in der Regel nur literarisch aus Gründen des Rhythmus oder Versmaßes vollzogen. Bei geschrieen / geschrien oder gespieen/ gespien sind beide Formen gebräuchlich.

Partizipialstamm

Der Partizipialstamm im Vergleich zu den anderen Verbalstämmen

Der Partizipialstamm ist bei bestimmten Verbgruppen mit den beiden oder einem der beiden anderen Verbalstämmen (Präsens- und Präterialstamm) identisch. Manche Verben haben auch einen eigenen Partizipialstamm. Folgende Fälle sind zu unterscheiden:

  • Identität aller drei Stämme bei regelmäßigen schwachen Verben
  • Identität mit dem Präteritalstam bei unregelmäßigen schwachen Verben (brachte - gebracht; sandte - gesandt ), bei den Präteritopräsentia (durfte - gedurft; musste - gemusst, wusste - gewusst ) und bei bestimmten starken Verben (schrieb - geschrieben; flog - geflogen )
  • Identität mit dem Präsensstamm bei bestimmten starken Verben (treten - getreten; tragen - getragen) und bei haben - gehabt
  • Keine Identität unter den Verbalstämmen bei bestimmten starken Verben (nehmen - nahm - genommen; finden - fand - gefunden), bei sein - war - gewesen und werden - wurde - (ge)worden

Partizipiale Formen ohne dazugehörige Verben

Bemerkenswerterweise gibt es partizipiale Formen, zu denen keine entsprechenden Infinitivverben gebräuchlich sind. Morphologisch verhalten sie sich wie echte Partizipien II der Gruppen 2., 5. und 6.

Gruppe 2.*aufdunsenauf-ge-dunsen
Gruppe 5.*befangenbe---fangen
-*benachbarnbe---nachbart
Gruppe 6.*handknüpfen-handge-knüpft
-*hausmachen-hausge-macht

Bei den Formen der Gruppe 6. handelt es sich um Komposita, die als Verkürzungen (meist präpositionaler) syntaktischer Fügungen erscheinen. Mitunter wird hier der Terminus Zusammenbildung ins Spiel gebracht:

handgeknüpft zu mit der Hand geknüpft
luftgetrocknet zu an der Luft getrocknet

Zusätzliche Literatur in Auswahl

Wunderlich 1987; Breson/ Dalmas 1994; Eisenberg 1994; Zimmermann 2000; Weber 2002; Baudot 2009; Rathert 2009.

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Autor(en)
Eva Breindl
Bearbeiter
Elke Donalies
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