Verbgruppen- und Satzadverb

Eine Subklassifizierung von Adverbien nach der Komplexität des Ausdrucks, auf dem sie operieren, also eigentlich auf der Ebene der syntaktischen Funktion, ist insofern berechtigt, als es Adverbien gibt, die ausschließlich auf Verbgruppen unterhalb der Satzebene operieren - sogenannte Verbgruppenadverbien - und solche, die nur auf Sätze angewendet werden, sogenannte Satzadverbien. Ihre syntaktische Funktion ist entsprechend die eines Verbgruppen- oder Satzadverbiales.

Verbgruppen-Adverbien

Zu den reinen Verbgruppen-Adverbien zählen vor allem Adverbien aus der semantischen Subklasse der modifikativen Adverbien wie bäuchlings, gern, unverrichteterdinge, flugs, kopfüber, quantifizierende Adverbien wie dutzendweise, teilweise, instrumentale Adverbien wie damit. Im übrigen wird die Modifikation von Verbgruppen vor allem durch adverbial verwendete Adjektive geleistet (schnell fahren, falsch singen, gemeinsam vorgehen, tödlich verunglücken, unfreiwillig lachen) oder durch Präpositionalphrasen (in hohem Tempo fahren, im Duett singen, mit einem weinenden Auge davonkommen).

Satzadverbien

Andere Bezeichnungen und Zuordnungen: Modalpartikel, Modalwort, Modaladverb

Satzadverbien (und andere Ausdrücke, die als Satzadverbialia fungieren) lassen sich über einen Test identifizieren und von verbgruppenmodifizierenden Ausdrücken unterscheiden. Ein Ausdruck k ist dann ein Satzadverb(iale), wenn folgende Paraphrase eines Satzes s, der k enthält, möglich ist:

Test: Es ist k der Fall, dass s', wobei s' aus s entsteht durch Weglassen von k.
Vielleicht kommt ein Sturm.
Vielleicht ist es der Fall, dass ein Sturm kommt.
Es hat gestern geregnet.
Es war gestern der Fall, dass es regnet.
Maier ist beim Bergsteigen tödlich verunglückt.
* Es war tödlich der Fall, dass Maier beim Bergsteigen verunglückt.
Es war beim Bergsteigen der Fall, dass Meier tödlich verunglückt.

Subklassen

Zu den Satzadverbien zählen alle Adverbien bzw. Adverbialia vor allem der Subklassen temporal, kausal, konditional, konsekutiv, konzessiv, adversativ und restriktiv. Eine besondere Rolle spielen modale Satzadverbien, die sich als Erweiterungen auf die Geltung einer Äußerung beziehen: leider, dankenswerterweise, vielleicht, keineswegs. Diese Adverbien drücken eine Einschränkung der Geltung einer Aussage aus: vielleicht scheint morgen die Sonne, oder eine Bewertung: leider regnet es. Wenn sie die Gültigkeit behaupten, sprechen wir von 'assertiven Satzadverbialia'. Sie lassen den Schluss von einem Satz S mit einem Satzadverbial auf einen Satz S' ohne dieses zu. Als 'modal abschwächende Satzadverbialia' gelten Ausdrücke, die zwar diesen Schluss nicht zulassen, aber darauf schließen lassen, dass der eingebettete Satz möglicherweise wahr ist.

Assertive Satzadverbialiaauffallenderweise
bedauerlicherweise
bekanntlich
unzweifelhaft
bemerkenswerterweise
unglücklicherweise
wurde die Tarifänderung den Bahnbediensteten nicht mitgeteilt.
Modal abschwächende Satzadverbialiawahrscheinlich
möglicherweise
vielleicht
angeblich
eventuell
wahrscheinlich
hoffentlich
normalerweise
wurde die Tarifänderung den Bahnbediensteten nicht mitgeteilt.

Wie alle Adverbien können auch Satzadverbien allein im Vorfeld eines Aussagesatzes stehen. Komplexe Phrasen können sie allenfalls mit Intensitätspartikeln wie völlig oder ganz bilden: völlig unzweifelhaft, ganz offenbar.

Aber das kann ihre Sorge nicht sein und ist es ganz offenbar auch nicht. (Hannoversche Allgemeine 7.12.2009, o.S.)

Bestand

Die Funktion der geltungsbezogenen - geltungseinschränkenden oder geltungsbewertenden - Erweiterung der Äußerung wird von einer Reihe einheimischer Satzadverbien realisiert, von denen viele mit -weise und -maßen gebildet sind: auffallenderweise, dummerweise, verständlicherweise, zweifelsohne, erwiesenermaßen, bekanntermaßen, gewiss, bestimmt, gottlob.

Unter anderem geht es um den Haushalt der Stadt, um den es bekanntermaßen nicht rosig bestellt ist. (Rhein-Zeitung 10.4.2010, o.S.)
Am Premierenabend setzte sich Tina mit Steffi Plattner ans Brett. Und wir im Publikum hatten Glück: Nach einer Stunde konnte Tina die Partie für sich entscheiden und der Abend war damit gottlob überstanden. (Berliner Zeitung 9.8.2008, 28)

Eine Reihe von Einheiten, die ihrer Morphologie nach als Adjektive zu klassifizieren sind, haben primär die Funktion von Satzadverbialia und wirken wie die obigen Adverbien geltungseinschränkend. Sie treten nur selten als attributive Adjektive auf: wahrscheinlich, vermutlich, offensichtlich, bekanntlich, offenkundig, tatsächlich.

Der Fehler liegt offensichtlich woanders - im System. (Die Zeit 7.1.2010, o.S.)
Äußere Werte sind nicht entscheidend, was zählt, ist der innere Kern: Das ist eine Botschaft, die zwar von den wenigsten auch tatsächlich in den Alltag transportiert wird, aber trotzdem allen wohltut. (Oberösterreichische Nachrichten 11.1.1997, o.S.)

Auch Präpositionalphrasen wie zum Glück, ohne Zweifel, mit Sicherheit und Subjunktorsätze oder entsprechende Kurzformen (wie erwartet, wie zu vermuten steht, wie angenommen) können die Funktion modaler Satzadverbialia einnehmen.

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Autor(en)
Eva Breindl
Bearbeiter
Elke Donalies
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