Adjektiv
- Adjektive im Überblick
- morphologische Eigenschaften
- syntaktische Eigenschaften
- semantische und funktionale Eigenschaften
Adjektiv im Überblick
andere Bezeichnungen und Zuordnungen
Eigenschaftswort. Die nur prädikativ verwendbaren Adjektive (leid, quitt, schade ...) werden in der 'Grammatik der deutschen Sprache' als eigene Wortart Adkopula klassifiziert.
Als selbständige Wortart blickt das Adjektiv (vgl. lat. adicio, dt.
ich füge hinzu) auf keine lange Tradition zurück. Die antike Grammatik unterschied
nämlich nicht zwischen Nomen und Adjektiv (bzw. vereinzelt auch Verb!), wie bereits die lateinische
Bezeichnung nomen adjektivum nahelegt. Ansätze einer Verselbständigung des Adjektivs vom Nomen
lassen sich schon im Mittelalter erkennen, allerdings setzt sich die Trennung erst mit den
grammatischen Abhandlungen des 18. Jahrhunderts systematisch durch.
In Bezug auf die
Funktion handelt es sich bei Adjektiven um Modifikatoren der Nomina (vgl.
Serianni 1988), die a) formale und b)
semantische Eigenschaften aufweisen.
Mit a) ist die syntaktische
Abhängigkeit des Adjektivs von einem anderen Element (für gewöhnlich einem Nomen) gemeint, das erst
die Korrektheit einer Adjektivphrase ausmacht: *mangio un buon (mangio un
buon salame), *con cari (con cari
amici). Davon ausgenommen sind die Vorkommnisse von
Adjektiv-Substantivierungen: il bello, l’utile (dt. das
Schöne, das Nützliche).
Zu a) zählt ferner die
morphologische Anpassung des Adjektivs an Genus, Numerus und Kasus des Nomens
(Kongruenz). Im Italienischen ist sie aufgrund des Kasusschwundes auf Genus und
Numerus reduziert: la brutta storia, a un politico pericoloso, a seguito di drammatici
danni.
Die Wortart Adjektiv ist in der herkömmlichen italienischen
Grammatikschreibung in sich differenzierter als in der deutschen, denn dazu gehören nicht nur
qualifizierende Modifikatoren des Nomens (un buon padre), sondern
auch (it.) determinativi (dt. Determinative) in deiktischer (quel
giorno), besitzmarkierender (mio fratello),
quantifizierender (il terzo uomo) und
indefiniter (qualche perplessità) Funktion.
Diese Klassifizierung basiert zwar auf gemeinsamen morpho-syntaktischen Merkmalen (vgl. oben),
ergibt aber aufgrund der eigentümlichen Funktion einiger Modifikatoren Ungereimtheiten. So sind
alle Subklassen bis auf qualifizierende Adjektive und (im Italienischen!) Possessiva
in der Regel unvereinbar mit dem Artikel (*i quei docenti, *un molto
latte) und schließen sich in der Adjektivphrase gegenseitig aus (*questi alcuni
studenti). Das lässt sich darauf zurückführen, dass sie, anders als qualifizierende
Adjektive und Possessiva, eine artikelähnliche Funktion erfüllen (vgl.
Artikel). Diesem Unterschied zwischen
qualifizierenden Adjektiven und Possessiva einerseits und den restlichen Subklassen andererseits
wird auch in den modernen italienischen Grammatiken Rechnung getragen, in denen letztere meist als
(it.) determinativi bezeichnet werden.
Im Gegensatz zu den determinativi,
die eine geschlossene Klasse ausmachen, stellen die (it.) aggettivi qualificativi eine offene
Klasse dar, die sich durch den Ableitungsprozess als höchst produktiv erweist:
berlusconiano, telematico, comunitario. Sie
charakterisieren und qualifizieren das Nomen und können ihrer Funktion gemäß attributiv, prädikativ
und adverbial (maskulin Singular der Grundform, selten gebraucht, vgl. unten) verwendet werden:
la morbida coperta; la coperta è morbida; questo detersivo lava
morbido.
Bestand und Beispiele
hell, kurz, blau, fein, fröhlich, lausig, philosophisch, entzückt, verheerend, gram ...
mein kleiner grüner Kaktus
Im Herbst werden die Wälder bunt.
Still und starr ruht der See.
morphologische Eigenschaften
Adjektive bilden diejenige Wortart im Deutschen, die über das reichhaltigste Formenparadigma verfügt. Sie flektieren nicht nur nach Kasus, Genus und Numerus, sondern treten auch in zwei Flexionsklassen auf:
starke Flexion | fünf Flexionsendungen: -e, -en, -er, -es, -em | nach endungslosem unflektierten Artikel und wenn kein Artikel vorhanden ist | mit frischem Mut |
schwache Flexion | zwei Flexionsendungen: -e, -en | nach definitem Artikel und Artikeln, die Flexionsendungen besitzen | mit dem frischen Mut der Jugend |
Manche Grammatiken rechnen mit einem dritten, gemischten Flexionstyp für Adjektive nach indefinitem Artikel, Possessiv-Artikel und dem Quantifikativ-Artikel kein-. Dieser Flexionstyp setzt sich aus starken und schwachen Formen zusammen.
starke Flexion
In der starken Flexion wird die spezifische Markierungsleistung eines Artikels von der Adjektivform übernommen; die Formen - fünf Flexionsendungen - entsprechen weitgehend denen des Demonstrativ-Artikels.
MASKULIN | NEUTRUM | FEMININ | PLURAL | |
NOM | dieser Wein roter Wein | dieses Glas dünnes Glas | diese Freude große Freude | diese Gläser dünne Gläser |
AKK | diesen Wein (ohne) roten Wein | dieses Glas (ohne) dünnes Glas | diese Freude (ohne) große Freude | diese Gläser (ohne) dünne Gläser |
DAT | diesem Wein (mit) rotem Wein | diesem Glas (mit) dünnem Glas | dieser Freude (mit) großer Freude | diesen Gläsern (mit) dünnen Gläsern |
GEN | dieses
Weins roten Weins | dieses
Glases dünnen Glases | dieser Freude großer Freude | dieser Gläser dünner Gläser |
schwache Flexion
Bei der schwachen Adjektivflexion treten nur die zwei Flexive -e und -en auf.
MASKULIN | NEUTRUM | FEMININ | PLURAL | |
NOMINATIV | der nette Mann | das nette Kind | die nette Frau | die netten Leute |
AKKUSATIV | den netten Mann | das nette Kind | die nette Frau | die netten Leute |
DATIV | dem netten Mann | dem netten Kind | der netten Frau | den netten Leuten |
GENITIV | des netten Mannes | des netten Kindes | der netten Frau | der netten Leute |
Attributiv verwendete Adjektive flektieren nach Genus und Numerus gemäß einem für die
drei Flexionsklassen jeweils einheitlichen Paradigma (vgl.
Flexion der Adjektive):
un/il/questo simpatico amico > i/questi/alcuni
simpatici amici; una/la/quella bella professoressa >
le/quelle/numerose belle professoresse; un/il/qualche
lieve miglioramento > i/alcuni/quei lievi
miglioramenti.
Beim italienischen aggettivo qualificativo
erstreckt sich die Flexion, im Gegensatz zum Deutschen, auf die prädikative Funktion:
il matrimonio sembrava felice > i matrimoni
sembravano felici.
Steigerung des Adjektivs
Adjektive können - sieht man von semantischen Restriktionen ab wie *schwangerer, *zweifacher, *verheirateter, *am totesten - mit den Steigerungsstufen Positiv (Grundstufe), Komparativ, Superlativ kompariert werden.
STEIGERUNGSSTUFE | MARKIERUNG | BEISPIELE | |
POSITIV | - | neu , stark | |
KOMPARATIV | Endung -er (Umlaut) | neuer, stärker | |
SUPERLATIV | Endung -(e)st (Umlaut) | neuest-, stärkst- |
Der Umlaut tritt nicht immer auf, wo er möglich ist, vgl. älter vs.
schlanker.
Durch die Komposition ist eine inhaltliche Steigerung möglich (jammerschade,
saublöd, erzdumm).
Besonderheiten bei der Bildung von Komparativ und Superlativ.
Wortbildung des Adjektivs
Adjektive werden vor allem durch Derivation
mit Suffixen gebildet (rötlich,
streitbar, heldenhaft, modisch,
dortig).
Der Bestand wird aber auch durch
Komposition (hellblau, stahlblau,
schlagfertig) und Derivation mit Präfixen
(unschön, missvergnügt) erweitert.
Auch im Italienischen herrscht bei der Wortbildung des aggettivo qualificativo das Verfahren der Derivation mit Suffixen vor (u. a. -in, -an, -es, -os, -ibil, -ic, -evol): marino, montano, milanese, invidioso, credibile, poetico, ammirevole. Unter den Präfixen sind im- , in- und dis- zu erwähnen: improbabile, inabile, disonesto.
Durch Komposition gebildete Adjektive bestehen meist aus zwei Adjektiven (sordomuto, grigioverde), seltener aus Nomen + Adjektiv (esterofilo, bielorusso).
syntaktische Eigenschaften
syntaktische Funktionen von Adjektiven
Prinzipiell treten Adjektive in drei Funktionen auf. Sie werden attributiv, prädikativ und adverbial gebraucht. Als Attribute sind sie flektiert, als Prädikativkomplemente und Adverbialia sind sie unflektiert.
attributiv | Peter fährt ein schnelles Auto. Claudia ist eine zielstrebige Frau. |
prädikativ | Peters Auto ist schnell. Claudia ist zielstrebig. |
adverbial | Das Auto fährt schnell. Claudia arbeitet zielstrebig. |
Der Kernbestand der Adjektive tritt in allen drei Funktionen auf. Einige Adjektive haben jedoch Vorkommensbeschränkungen.
- Nur attributiv verwendbar sind deadverbiale Ableitungen (aus Adverbien abgeleitete Adjektive) wie hiesig, dortig
- Nur prädikativ verwendbar sind viele Einheiten, die an der
Peripherie der Wortart Adjektiv angesiedelt sind, z. B. feind,
gram, futsch, plemplem, schnuppe, schade u.v.m.
Liste der Adjektive, die nur prädikativ verwendbar sind:
egal
einerlei
eingedenk
feind
gewahr
gram
k.o.
leid
los
o.k., okay
plemplem
quitt
schade
schnuppe
untertan
Ein besonderer Fall der Adjektivphrase ist die Partizipialphrase. Der Kopf einer Partizipialphrase (PARTP) ist entweder ein Partizip I oder - nach Konversion vom verbalen in den adjektivischen Bereich - auch ein Partizip II.
Syntaktische Struktur
Nur der Kopf der attributiv verwendeten Adjektivphrase wird flektiert. Die Köpfe der adverbial und prädikativ verwendeten Adjektivphrasen bleiben unflektiert.
Phrasenbildung
In attributiver Funktion kongruieren Adjektive in Numerus und Kasus mit dem Kopf der Nominalphrase und werden im Genus von diesem regiert.
Adjektive können ihrerseits von anderen Adjektiven und von Adverbien modifiziert werden und bilden dann den Kopf einer Adjektivphrase:
sehr schön, leicht verrückt, wahnsinnig nett.
Bestimmte Adjektive können wie Vollverben auch Valenz-Leerstellen eröffnen, die durch spezifische Komplemente zu füllen sind.
Akkusativkomplement: ich bin die viele Arbeit satt
Dativkomplement: der Räuber ist dem Mädchen hold
Genitivkomplement: eine des Japanischen mächtige Frau
Präpositivkomplement: auf dieses Ergebnis dürfen Sie stolz sein
Wie schon erwähnt, werden im Italienischen auch Adjektive in prädikativer Funktion flektiert, unflektiert bleiben hingegen die adverbial verwendeten, die allerdings nur vereinzelt vorkommen (z. B. I poliziotti hanno lavorato duro per un paio di settimane). Im Italienischen unterscheiden sich die Vertreter der adverbialen Subklasse (it.) awerbi qualificativi morphologisch von prädikativen Adjektiven, weshalb sie - im Gegensatz zu deutschen Adverbien nicht mit ihnen austauschbar sind: è andata male (dt. es ist schief gelaufen) vs. *è andata cattiva. Zahlreiche awerbi qualificativi weisen das Derivationssuffix –mente auf, ursprünglich ein latenischer Ablativ: (lat. mens, dt. Gedanke/Geist/Sinn) Maria studia diligentemente (dt. Maria lernt fleißig) vs *Maria studia diligente. Alle italienischen Adjektive können im Prinzip attributiv und prädikativ verwendet werden: la protesta operaia, la protesta è soprattutto operaia.
Der Kopf von Partizipialphrasen (attributiv und prädikativ verwendet) besteht aus einem nach der Kongruenz flektierten Partizip I oder II: una notizia molto allarmante (questa sembra una notizia molto allarmante); le casalinghe disperate (le nostre nonne erano casalinghe disperate) und folgt in der Regel dem Nomen (aber: l’amato bene, la ridente vallata).
Auch im Italienischen können Adjektive Valenz-Leerstellen eröffnen, die durch Präpositionalphrasen gefüllt werden: quell’uomo è disposto a tutto; i bambini sono timorosi del buio; il metodo si è rivelato funzionale all’obiettivo.
semantische und funktionale Eigenschaften
Adjektive dienen der zusätzlichen Charakterisierung eines Gegenstands. Über die Zuschreibung von Eigenschaften wird der Gegenstand in der Gesamtcharakteristik stärker eingegrenzt und leichter identifizierbar gemacht. Man vergleiche die zunehmende Eingrenzung:
Ich suche ein Haus → ein altes Haus → ein zweistöckiges altes Haus.
Die dabei zugeschriebenen Eigenschaften können absolute sein (zweistöckig) oder relative (klein, alt, dick), die durch eine Dimension und den Wert auf einer entsprechenden Skala gekennzeichnet sind: ein kleines Haus wird wahrscheinlich größer sein als ein großes Fenster.
Andere Adjektive wie wahrscheinlich werden zur Modalisierung verwendet, die sich als Geltungseinschränkung auswirkt bis hin zum Ausschluss des Charakteristikums, auf das sie angewandt werden: ein wahrscheinlicher Sieg muss kein Sieg sein. Diese Adjektive üben in adverbialer Verwendung die gleiche Funktion aus wie bestimmte Satzadverbien.
Zahladjektive dienen unmittelbar der Gegenstandskonstitution, indem die absolute Zahl der Elemente einer Menge angegeben wird (Kardinalzahl-Adjektiv: zehn Gebote, sieben Geißlein) oder ein Gegenstand durch Indizierung aus einer Folge als gleichartig charakterisierter Gegenstände herausgegriffen wird (Ordinalzahl-Adjektiv: der dritte Mann, das fünfte Gebot).
Literatur zu Adjektiven
Zur Abgrenzung der Klasse: Rolland 1999, Sommerfeldt 1987, Vonhoegen 1994.
Zur Flexion: Buscha 1986, Darski 1979, Gallmann 1990, Meinert 1990, Pfeffer 1981, Törnqvist 1974