Kommunikanten-Pronomen: Sprecher-Pronomen und Hörer-Pronomen

Sprecher-Pronomen und Hörer-Pronomen im Überblick

Die Sprecherpronomina ich, wir und die Hörerpronomina du, ihr mit der Distanzform Sie haben deiktische Funktion: sie verweisen in einer Äußerung auf den aktuellen Sprecher oder die Sprechergruppe und den aktuellen Hörer oder die Hörergruppe. Sprecher- und Hörerpronomina flektieren nach Kasus und sind nach dem Numerus differenziert. Bei den Hörerpronomina gibt es zusätzlich noch eine Differenzierung nach Vertrautheit vs. Distanz.

andere Bezeichnungen und Zuordnungen

Traditionell werden unter dem Terminus "Personalpronomen" oder "persönliches Fürwort" die Sprecher-Hörer-bezogenen Kommunikanten-Pronomen als Pronomen "der 1. und 2. Person" mit den anaphorischen Personalpronomina "der 3. Person" er, sie, es zusammengefasst.


Auch im Norwegischen werden traditionell unter der Bezeichnung "Personalpronomen" (norw. personlige pronomen) die Sprecher-Hörer-bezogenen Pronomina der 1. und 2. Person (jeg, vi, du, dere) mit den anaphorischen Personalpronomina der 3. Person han, hun, de zusammengefasst. Die Bezeichnung "Kommunikanten-Pronomen" ist im Norwegischen nicht gängig.

morphologische Eigenschaften

Das Formenparadigma von Sprecher- und Hörer-Pronomen ist nach Kasus und Numerus differenziert, beim Hörer-Pronomen gibt es zusätzlich eine Differenzierung nach der Merkmal vertraut vs. distanziert. Das Paradigma enthält diachron/sprachgeschichtlich erklärbare Wortformen (Suppletivformen) des Lexems.

SPRECHER-PRONOMENHÖRER-PRONOMEN
SINGULARPLURALSINGULARPLURALDISTANZFORM
NOMINATIVich wir du ihr Sie
AKKUSATIVmichunsdicheuchSie
DATIVmirunsdireuchIhnen
GENITIVmeinerunserdeiner euerIhrer


Personalpronomina sind im Norwegischen die einzige Wortart mit Kasusflexion (Nominativ und Akkusativ). Die Distanzformen sind stilistisch markierter als im Deutschen und zunehmend veraltet/ungebräuchlich. Der Form nach entsprechen sie dem Plural des anaphorischen Personalpronomens (3. Person), ähnlich wie im Deutschen.

SPRECHER-PRONOMENHÖRER-PRONOMEN
SINGULARPLURALSINGULARPLURALDISTANZFORM
NOMINATIVjeg vi du dere De
AKKUSATIVmegossdegdereDem

syntaktische Eigenschaften

Ein Sprecher-Pronomen regiert in der Subjektfunktion die 1. Person beim finiten Verb, ein Hörer-Pronomen regiert die 2. Person. Im Numerus besteht Kongruenz zwischen Subjektspronomen und finitem Verb. Die Distanzform regiert, unabhängig von singularischem oder pluralischem Bezug, immer die 3. Person Plural.

PRONOMENVERBSTAMMFLEXIONSAFFIX
Ich-edas nicht.
Du-st das nicht.
Wirversteh-endas nicht.
Ihr-tdas nicht.
Sie-endas nicht, liebe Leserin?
Sie-endas nicht, liebe Leserinnen?

Sprecher- und Hörer-Pronomina sind nur eingeschränkt zu Pronominalphrasen ausbaubar:

wir alle, Sie beide, du, der du alles besser weißt, du mit deinem blöden Beispiel, du Esel, ich armes Würstchen

Vorangestellte Attribute oder Artikel sind ausgeschlossen.


Im Norwegischen flektieren finite Verben nicht nach Person und Numerus. Es besteht daher keine Kongruenz zwischen Personalpronomina der 1. und 2. Person in Subjektfunktion und dem finiten Verb.

semantische und funktionale Eigenschaften

Sprecher-Pronomen und Hörer-Pronomen verweisen in einer Äußerung auf den aktuellen Sprecher bzw. die Sprechergruppe und den aktuellen Hörer bzw. die Hörergruppe. Sie haben also deiktische und keine anaphorische Funktion. Die Formen im Akkusativ und Dativ haben aber zusätzlich noch eine anaphorische Lesart: in der Verwendung als Reflexiva (ich schäme mich, wir genehmigen uns noch einen) sind sie gebundene Anaphern, da sie immer syntaktisch innerhalb eines Satzes auf das Nominativkomplement (Knom):

Er warnt ihn vor sich.

das Akkusativkomplement (Kakk):

Er warnt ihn vor sich.

selten auf das Dativkomplement (Kdat):

Du empfiehlst ihm sich.

zurückverweisen.

Test: deiktische und anaphorische Funktion von Pronomina

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Autor(en)
Wiebke Ramm
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