Possessiv-Artikel

(norwegisch: possessivt determinativ)

Possessiv-Artikel im Überblick

Der Possessiv-Artikel drückt eine Zugehörigkeitsrelation zum Sprecher (mein) bzw. zu Sprechergruppen (unser), zum Adressaten (dein/Ihr) bzw. zu Adressatengruppen (euer/Ihr) oder zu einem im voraufgehenden Kontext verbalisierten anderen Gegenstand (sein/ihr) aus.

andere Bezeichnungen

Possessives Determinativ, adjektivisches Possessiv-Pronomen, besitzanzeigendes Fürwort

Traditionell wurden Possessiva in der norwegischen Grammatik, unabhängig von ihrer determinativen oder pronominalen Funktion als Possessiv-Pronomina (norw. eiendomspronomen) bezeichnet. Inzwischen werden Possessiva in determinativer Funktion jedoch durchgängig als Subklasse der Determinativa beschrieben. In der Norsk referansegrammatikk (1997) werden Possessiva in pronominaler Funktion jedoch nicht als eigene Wortart behandelt, vgl Possessiv-Pronomen.

Bestand und Beispiele

mein-, dein-/Ihr-, sein-/ihr-, unser-, euer-/Ihr-, ihr-

Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort.
Der Bauer verkaufte seine Kühe, weil er für ihre Milch nicht mehr genug Geld bekam.
Fahren Sie bitte Ihren Wagen aus unserer Ausfahrt weg.


mi-, di-/Deres, hans/hennes/si-, vår-, deres, deres/si-

Du får låne sykkelen min.
Naboen solgte huset sitt.
Huset hennes var for stort.

Min søster kommer på besøk om en måned.

morphologische Eigenschaften

Das Formenparadigma der Possessiv-Artikel ist verhältnismäßig kompliziert, da es zweifach charaktierisert ist: die Flexionsendungen sind nach Kasus, Numerus und im Singular auch nach dem (Endungs-) Genus, dem determinierten Nomen (Possessum) entsprechend, differenziert. Die lexikalischen Formen sind nach Numerus und (Stamm-) Genus, dem Bezugsausdruck (Possessor) entsprechend, differenziert.


Differenzierung nach dem determinierten Nomen (Endungsgenus)

MASKULINNEUTRUMFEMININPLURAL
NOMINATIVmein Mann mein Kind meine Frau meine Leute
AKKUSATIV meinen Mann mein Kind meine Frau meine Leute
DATIVmeinem Mann meinem Kind meiner Frau meinen Leuten
GENITIVmeines Mannes meines Kindes meiner Frau meiner Leute

Differenzierung nach dem Bezugsausdruck (Stammgenus)

ich suchemeine BrilleSprecher-Pronomen Singular
du suchstdeine BrilleHörer-Pronomen Singular
Sie suchenIhre BrilleHörer-Pronomen Singular, Distanzform
er / der Mann suchtseine Brilleanaphorisches Personalpronomen: maskulin / Nomen maskulin Singular
sie / die Frau suchtihre Brilleanaphorisches Personalpronomen: feminin / Nomen feminin Singular
es / das Kind suchtseine Brilleanaphorisches Personalpronomen: neutrum / Nomen im Neutrum Singular
wir suchenunsere BrillenSprecher-Pronomen Plural
ihr suchteure BrillenHörer-Pronomen Plural, Distanzform
Sie suchenIhre BrillenHörer-Pronomen Plural
sie / die Leute suchenihre Brillenanaphorisches Personalpronomen / Nomen Plural


Das Formenparadigma der Possessiv-Artikel ist im Norwegischen noch komplizierter als im Deutschen:

Flektierbare vs. nicht flektierbare Formen

Es gibt einerseits Formen, die auf genuinen Possessivstämmen basieren (mi-, vår-, di-, si-), ähnlich wie die Possessiva im Deutschen. Diese flektieren nach Genus und Numerus des Vorgängerausdrucks (Possessums), jedoch nicht nach Kasus wie im Deutschen. Andererseits gibt es Possessiv-Artikel (hans, hennes, dens, dets, deres, Deres), die der Form nach Genitive von Personal-Pronomina (han, henne, dere) bzw. von Demonstrativ-Pronomina in der Funktion von Personal-Pronomina (den, det) sind. Sie sind daher formal bereits flektiert und flektieren nicht noch zusätzlich nach Possessum-Genus und Possessum-Numerus. Die "echten" Possessiv-Artikel drücken einen Bezug (eine Possessor-Relation) zum Sprecher im Singular (mi-) oder Plural (vår-), zum Adressaten im Singular (di-) oder eine reflexive Possessor-Relation (siehe unten) zu einem anderen Bezugsausdruck im Singular oder Plural aus (si-). Die genitivischen, von Personal-/Demonstrativ-Pronomina abgeleiteten Possessiv-Artikel drücken hingegen entweder eine nicht-reflexive Possessor-Relation zu einem anderen Bezugsausdruck im Singular (hans, hennes, dens, dets) oder Plural (deres) aus, eine Possessor-Relation zu einem Adressaten im Plural (deres), oder – als Distanzform – zu einem Adressaten im Singular (Deres).

Weitere Differenzierungen: Reflexiver/nicht-reflexiver Possessor-Bezug und personaler/nicht-personaler Possessor

Ist der Bezugsausdruck (Possessor) nicht der Sprecher oder der Adressat, wird im Norwegischen zusätzlich zwischen reflexiven und nicht-reflexiven Formen unterschieden. Ist der Bezugsausdruck (Possessor) das Subjekt des Satzes, wird die reflexive, flektierende Form (si-) verwendet:

Mannen(i) solgte huset(NEUT) sitt(i). (Der Mann verkaufte sein (eigenes) Haus.)
Mannen(i) solgte gården(MASK) sin(i). (Der Mann verkaufte seinen (eigenen) Hof.)
Mannen(i) solgte kyrene(PL) sine(i). (Der Mann verkaufte seine (eigenen) Kühe.)

Ist der Bezugsausdruck nicht identisch mit dem Subjekt des Satzes oder ein Teil des Subjektes selbst, wird eine der nicht-reflexiven, genitivischen/unflektierbaren Formen verwendet. Hier wird im Singular zusätzlich zwischen personalem und nicht-personalem Possessor differenziert. Auf einen personalen Possessor wird mit den Formen hans und hennes verwiesen (entsprechend dem Sexus maskulin oder feminin), auf einen nicht-personalen Possessor mit den Formen dens und dets (entsprechend dem Genus des Bezugsnomens):

Når Anna(i) er bortreist, låner Peter(j) sykkelen hennes(i). (Wenn Anna(i) verreist ist, leiht Peter(j) ihr(i) Fahrrad.) – Personaler Possessor, Sexus: FEM
Terroren(i) og dens(i) årsaker må undersøkes. (Der Terror(i) und seine(i) Ursachen müssen untersucht werden.) – Nicht-personaler Possessor, Genus: MASK

Beispiele für flektierende Possessiv-Artikel (Kongruenz mit dem Possessum):

Mannen solgte huset(NEUT) mitt/ditt/vårt/sitt. (Der Mann verkaufte mein/dein/unser/sein Haus.)
Mannen solgte gåren(MASK) min/din/vår/sin. (Der Mann verkaufte meinen/deinen/unseren/seinen Hof.)
Mannen solgte husene(PL) mine/dine/våre/sine. (Der Mann verkaufte meine/deine/unsere/seine Häuser.)

Beispiele für nicht-flektierende Possessiv-Artikel:

Mannen solgte huset/gården/husene deres. (Der Mann verkaufte euer Haus/euren Hof/eure Häuser.)
Mannen solgte huset/gården/husene Deres. (Der Mann verkaufte Ihr Haus/Ihren Hof/Ihre Häuser.)
Mannen(i) solgte huset/gården/husene hans(ii). (Der Mann(i) verkaufte sein (ii) Haus/seinen(ii) Hof/seine(ii) Häuser.)

(Vgl. auch Flexion der Artikel.)

syntaktische Eigenschaften

Possessiv-Artikel bilden zusammen mit einem Nomen eine Nominalphrase. Sie regieren wie der indefinite Artikel bei einem nachfolgenden Adjektiv oder nominalisierten Adjektiv schwache Flexion, wenn der Artikel selbst eine markierte Flexionsform hat (meiner, seinem, ihren, unseres) und sie regieren starke Flexion, wenn sie selbst flexivisch unmarkiert sind (mein, dein, Ihr, ihr, unser, euer, Ihr, ihr).

MASKULINNEUTRUMFEMININPLURAL
NOMINATIVmein netter Mann mein nettes Kind meine nette Frau meine netten Leute
AKKUSATIV meinen netten Mann mein nettes Kind meine nette Frau meine netten Leute
DATIV meinem netten Mann meinem netten Kind meiner netten Frau meinen netten Leuten
GENITIV meines netten Mannes meines netten Kindes meiner netten Frau meiner netten Leute


Possessiv-Artikel können im Norwegischen sowohl vor als auch nach dem Nomen stehen, das sie determinieren, vgl. Nominalphrase. In pränominaler Position flektieren nachfolgende Adjektive stark:

min ny sykkel
mitt nytt hus

Bei Nominalphrasen mit postnominalem Possessiv-Artikel, die zusätzlich durch ein (vorangestelltes) Adjektiv erweitert sind, steht zusätzlich ein Demonstrativ-Artikel vor dem Adjektiv (sog. "doppelte Determination", vgl. Nominalphrase), nachfolgende Adjektive werden hier schwach flektiert:

den nye sykkelen min
det nye huset mitt

semantische und funktionale Eigenschaften

Der Possessiv-Artikel markiert eine Zugehörigkeitsrelation zwischen einer Person, einem Gegenstand oder einem Sachverhalt und dem Sprecher oder Hörer (bzw. Sprecher- oder Hörergruppen) oder zu einem im vorausgehenden Kontext genannten Gegenstand.

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Autor(en)
Wiebke Ramm
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