Verb als Valenzträger

Alle Vollverben fordern eine festgelegte Anzahl von Ausdrücken, vor allem von Phrasen, um mit ihnen zusammen einen Kernsachverhalt auszudrücken. Der Einfluss des Verbs erstreckt sich dabei nicht nur auf die Anzahl der geforderten Ausdrücke, sondern auch auf die Form, in der diese im Satz vorkommen.

Nur im Zusammenspiel von Verb und den von ihm geforderten Ausdrücken, den Komplementen, auch Ergänzungen genannt, ist es möglich, einen semantisch vollständigen und grammatisch korrekten Satz zu bilden. Diese in der jeweils einzelnen Bedeutung des Verbs begründete Fähigkeit wird seine Valenz genannt.

Beispiele

Sie schläft.
Er belügt seine Mutter.
Der Mensch stammt vom Affen ab.
Herr von Ribbeck schenkte dem Jungen eine reife Birne.
Die Geschichte stimmte ihn traurig.
Sie glaubte, dass sie ihren Schlüssel auf der Kommode hatte liegen lassen.
Sie hatte ihm geholfen, die Hausarbeit zu schreiben.

In einem Satz gibt es aber außer dem Verb und den von ihm geforderten Komplementen noch weitere Phrasen. Diese Phrasen haben die Funktion, den dargestellten Kernsachverhalt zu spezifizieren, zu kommentieren, zu situieren. Sie kommen zusätzlich hinzu und werden Supplemente oder Angaben genannt:

Sie schläft tief.
Er hat seine Mutter immer wieder belogen.
Der Mensch stammt in Wahrheit vom Affen ab.
Gestern hatte Herr von Ribbeck zum letzen Mal einem Jungen eine Birne geschenkt.
Sie glaubte irrtümlich, dass sie den Schlüssel auf der Kommode hatte liegen lassen.
Weil er sie darum gebeten hatte, hatte sie ihm geholfen, die Hausarbeit zu schreiben.

Die Unterscheidung zwischen Komplementen und Supplementen ist nicht immer einfach zu treffen, wie zum Beispiel die unterschiedliche Beurteilung folgender Beispiele in verschiedenen Valenzwörterbüchern zeigt:

KomplementSupplement
Die Sitzung beginnt um drei Uhr.Engel/ Schumacher 1976
VALBU 2004
Helbig/ Schenkel 1971
Der junge Mann hat eine Stunde im Park auf seine Freundin gewartet. VALBUHelbig/ Schenkel
Engel/ Schumacher
Der junge Mann hat eine Stunde im Park auf seine Freundin gewartet. Engel/ Schumacher
VALBU
Helbig/ Schenkel
Der junge Mann hat eine Stunde im Park auf seine Freundin gewartet. Engel/ Schumacher
Helbig/ Schenkel
VALBU

Hier werden fließende Übergänge zwischen Komplementen und Supplementen angenommen, die sich durch verschiedene Grade der Bindung zwischen Phrasen und Verb erklären lassen, und zwar sowohl auf der Ebene der Bedeutungsrelationen als auch auf der Ebene der Formrelationen. Vereinfachend könnte man sagen, je mehr feste Relationen zwischen einem Verb und einer Phrase, desto sicherer ist man, dass diese Phrase als Komplement eines Verbs gesehen werden kann, und umgekehrt, je loser die Relationen einer Phrase zu einem Verb, desto sicherer ist man, dass diese Phrase als Supplement gesehen werden kann.

Welches sind die Relationen zwischen Verb und Phrasen, die als Anzeichen für die Einstufung einer Phrase als Komplement gelten und somit zur Unterscheidung in Komplement und Supplement herangezogen werden? Diese Relationen zwischen Verb und Phrasen werden beschrieben in:

Weiterführendes

Wertigkeit
Verbalkomplexinterne und -externe Relationen
Satzbauplan / Valenzrahmen
Ein Beispiel aus der lexikographischen Praxis: VALBU - Valenzwörterbuch deutscher Verben

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Autor(en)
Jacqueline Kubczak
Bearbeiter
Elke Donalies
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