Definiter Artikel
frz. article défini
definiter Artikel im Überblick
Der definite Artikel flektiert nach Genus (im Singular), Numerus und Kasus und korrespondiert dabei mit dem nachfolgenden Nomen.
andere Bezeichnungen
bestimmter Artikel, definites Determinativ
Beispiele
Es waren einmal drei Brüder. Der älteste ging bei
einem Tischler in die Lehre. Er ...
Die olympischen Spiele waren das
wichtigste Ereignis des Sommers.
Die olympischen Spiele waren
das [akzentuiert] Ereignis des
Sommers
Wie das letzte der drei vorigen Beispiele schon zeigt, kann der definite Artikel im Deutschen einen dynamischen Akzent erhalten. Er kann dann zwei verschiedene Funktionen erfüllen. Entweder er denotiert eine Art superlativische Hervorhebung seitens des Sprechers, wie im vorigen Beispiel oder auch in (a):
(a) Die Hochzeit dieser beiden Stars war die [akzentuiert] Sensation des Sommers.
oder er verschiebt sich auf das Gebiet des Demonstrativ-Artikels und wird so zum (zuweilen abwertenden) Äquivalent für dieser oder jener, wie in (b):
(b) Willst du etwa den [akzentuiert] Typen heiraten?
Nur im ersten Falle hat das Französische dieselbe Möglichkeit (außer natürlich bei apostrophiertem Artikel), während es im zweiten Falle auf einen normalen Demonstrativ-Artikel zurückgreifen muss:
(a') Le mariage de ces deux stars était la [akzentuiert] sensation de l'été.
aber: (b') Tu ne vas quand même pas épouser ce type-là ?!
Der Grund dafür mag darin liegen, dass das Französische nur in Ausnahmefällen, und dann auch nur im Rahmen eines rhetorischen Effekts, emphatisch-dynamische Akzentuierung einsetzen kann, während es normalerweise wegen seiner gleichmäßig schwebenden Prosodie für besondere Fokussierung mit Wortwahl, Wortstellung, Periphrasen und geringen Abweichungen in der Intonation operieren muss.
morphologische Eigenschaften
Der definite Artikel flektiert nach Genus (im Singular), nach Numerus und Kasus.
MASKULIN | NEUTRUM | FEMININ | PLURAL | ||
NOMINATIV | der Mann | das Kind | die Frau | die Leute | |
AKKUSATIV | den Mann | das Kind | die Frau | die Leute | |
DATIV | dem Mann | dem Kind | der Frau | den Leuten | |
GENITIV | des Mannes | des Kindes | der Frau | der Leute |
Im Französischen tritt neben der Genusdifferenzierung in Maskulinum und Femininum eine dritte morphologische Grundform des definiten Artikels auf, nämlich der apostrophierte Artikel vor vokalischem Anlaut, der genusunabhängig ist. Es scheint also dann der Stamm l-, ein Relikt des lateinischen ille, isoliert aufzutreten. Ob man aber so weit gehen kann, ihm analog zum deutschen d- (als Stamm des definierten Artikels) den Sitz der Definitheit zuzuschreiben, muss wohl dem Ermessen des jeweiligen Linguisten überlassen bleiben:
Beispiele:
le livre (das Buch); la voiture (der
Wagen)
l'avion (das Flugzeug); l'orange (die
Orange)
les aspects (die Aspekte); les couleurs (die
Farben)
Um dann im Französischen die Entsprechungen zu den deutschen Kasus zu bilden, werden die Präpositionen à und de vor den Artikel gesetzt, d. h. es werden Präpositionalgruppen gebildet, die natürlich auch räumliche oder zeitliche Bedeutung bzw. Referenz haben können:
Le propriétaire de la voiture (der Besitzer des
Autos) ,
la fin de l'histoire (das Ende der
Geschichte) ,
faire un don à la Croix Rouge (dem Roten Kreuz
etwas spenden) ;
aber auch:
il est tombé de
l'échelle (er ist von der Leiter gefallen)
à la
fenêtre (am Fenster) , à l'aube (am frühen Morgen)
.
Im Maskulinum und im Plural verschmelzen diese Präpositionen aber mit den Artikelformen le und les:
du client, au client (des / dem
Kunden); la chambre des enfants (das
Kinderzimmer);
je donne aux pauvres (ich gebe den Armen /
spende für die Armen);
elle descend du train (sie steigt aus
dem Zug) ; au jardin (im Garten), au
printemps (im Frühling).
Hierdurch entsteht eine gewisse, allerdings nur äußere Ähnlichkeit mit den deklinierten deutschen Artikelformen des, dem, den sowie mit Kontrahierungen des Typs vom, zum usw.
syntaktische Eigenschaften
Der definite Artikel bildet zusammen mit einem Nomen eine Nominalphrase. Er dient vor allem der Kasusmarkierung der Nominalphrase.
Der definite Artikel regiert schwache Flexion bei einem nachfolgenden attributiven Adjektiv oder einem nachfolgenden nominalisierten Adjektiv bzw. Partizip. Dies rührt daher, dass der definite Artikel Träger der starken Flexionsmarker ist. Bei den markerlosen Formen des indefiniten Artikels dagegen wird die Trägerfunktion an das nachfolgende Adjektiv weitergegeben, das dann starke Flexion aufweist:
DEFINITER ARTIKEL + SCHWACH FLEKTIERTES ADJEKTIV | INDEFINITER ARTIKEL + STARK FLEKTIERTES ADJEKTIV |
das große Gelächter | (ein) großes Gelächter |
der dumme Scherz | (ein) dummer Scherz |
das Übrige | (ein) Übriges |
der Angeklagte | (ein) Angeklagter |
die Angeklagten | Angeklagte (Pl.) |
Der definite Artikel verschmilzt unter bestimmten Kontextbedingungen häufig mit einer nachfolgenden Präposition, z. B.:
bei dativischen Formen: am, beim, im, vom, zum, zur
bei akkusativischen Formen: ans, ins, aufs
In bestimmten Fällen müssen verschmolzene Formen stehen (z. B. zum Essen, am 27. Mai, am Rhein). Einige unverschmolzene Kombinationen (z. B. an dem, in das) sind selten. In der gesprochenen Sprache werden auch Formen verschmolzen, die schriftsprachlich seltener auftreten (z. B. übern, überm, übers, untern, unterm, unters, fürs, vors, durchs etc.).
semantische und funktionale Eigenschaften
Der definite Artikel stellt in Verbindung mit einem Nomen eine
Determination dar. Mit dem definiten Artikel wird ein
Element - bzw. im Plural ein Kollektiv von Elementen - aus einem situativ oder kontextuell
vorgegebenen Bereich herausgegriffen.
Er kann allerdings auch nur kasusmarkierendes
Bindeglied in einer syntaktischen Verbindung sein, speziell in genitivischer Form zwischen
Kopfnomen und nominaler Rechtserweiterung in einer NP:
ein Gefühl der Angst.
Eine nominale Rechtserweiterung wird im Deutschen häufig im Genitiv angeschlossen (traditionnelle Bezeichnung: Genitivus explicativus), und zwar mithilfe des bestimmten Artikels. Die NP kann ein Adjektiv enthalten (b) oder auch nicht (a):
(a) ein Gefühl der Einsamkeit,
(b)
ein Gefühl tiefer Einsamkeit.
Im Französischen verblasst der Unterschied zwischen dem Habitus der Definitheit in (a) und der Indefinitheit in (b), da der Artikel-Bestandteil des Anschluss-Operators [ART. + GEN.] nicht auftritt und damit in beiden Fällen nur die Präposition de als minimales Genitiv-Äquivalent übrigbleibt:
(a') un sentiment de solitude,
(b')
un sentiment de profonde solitude.
Der logische Grund für diese Unterschiede mag darin liegen, dass es sich eher um einen
sprachtypischen Anschluss-Mechanismus handelt, während das Vorliegen von Definitheit oder
Indefinitheit bei der Ergänzungs-NP, die ja "nur" eine semantische Spezifizierung bringt, nicht
objektiv festgestellt werden kann.
Lediglich bei einer dritten, allerdings nur bei NPs mit
Adjektiv möglichen Lösung, die den bestimmten Artikel mit dem Kopf der NP verbindet und die
genitivische Ergänzung mittels unbestimmtem Artikel anschließt, sind sich beide Sprachen
einig:
(c) das Gefühl einer tiefen
Einsamkeit,
(c') le sentiment d'une profonde
solitude.