Quantifikativ-Artikel
frz. déterminant quantitatif
Quantifikativ-Artikel im Überblick
andere Bezeichnungen und Zuordnungen
quantifizierendes Determinativum ('Grammatik
der deutschen Sprache'), (adjektivisches) Indefinit-Pronomen, Indefinitnumerale,
Schätzartikel.
Mitunter werden Zahlwörter unter dieser Klasse angeführt; wir betrachten
diese aber als Adjektive. Uneinheitlich gehandhabt wird auch die Abgrenzung zu den
Indefinit-Pronomina.
In der hiesigen Darstellung
wird z. B. das Pronomen irgendwas in adnominaler Verwendung als
Quantifikativ-Artikel klassifiziert, in freier Verwendung aber den Indefinit-Pronomina zugeordnet
(Siehe Indefinit-Pronomen).
Bestand und Beispiele
all-, einig-, etlich-, (irgend)(et)was, irgendein-, irgendwelch-, jed-, jedwed-, kein-, lauter, manch-, mehrer-, sämtlich-
Das verschollene Dokument liegt in irgendwelchen Schubladen des Ministeriums.
Die letzten offiziell vergifteten Tauben fielen vor drei Jahren vom
Himmel, seitdem ist jedwedes Gift von der Liste der erlaubten Taubenbekämpfungsmittel
gestrichen.
[Die Zeit, 10.11.1995, S. 20]
So wird sich mancher Besitzer eines der neuesten Navi-Geräte fragen, wann denn die Technik ihm das Lenken seines Fahrzeugs gänzlich abnimmt.
Es werden vermutlich noch etliche Semester ins Land
ziehen, ehe die Eliteuniversität allen Südafrikanern offensteht.
[Die Zeit,
13.01.1995, S. 34]
Grundsätzlich sind Definitheit/Indefinitheit im Sinne eines
definiten oder indefiniten Artikels und Bestimmtheit/Unbestimmtheit einer
Quantifizierung zwei verschiedene Parameter. Ein definiter Artikel identifiziert eine oder mehrere
Entitäten als Individuen (das Haus = dieses bestimmte Haus), ein indefiniter
Artikel führt sie als anonyme Mitglieder einer Klasse vor (ein Haus = ein Element der
Klasse "Haus"). Quantifizierer dagegen haben, gleichgültig, welcher Wortklasse sie
angehören, die Funktion, einer Entität einen Mengenwert beizumessen, der entweder zahlenmäßig
"bestimmt" (zwölf, beide, ein Paar) oder angenähert als ungefähre Größenordnung
mehr oder weniger subjektiv angegeben, also "unbestimmt" sein kann (etwas, manche, viele,
die meisten). In einer Wortart, die als quantifizierender Artikel definiert ist, müssten
logischerweise beide Parameter zusammentreffen. Dennoch bleibt offen, ob die Art der
Quantifizierung die Möglichkeit der Definitheit oder Indefinitheit bedingt. Ist "mehrere
Kinder" indefinit, weil eine unbestimmte Menge angegeben ist? Ist "alle
Kinder" oder "jedes Kind" definit, weil die All-Quantifizierung einen
Rest ausschließt? Sind "zwei Kinder" nur deshalb schon definit, also als
Individuen erfasst, weil damit ausschließlich diese beiden gemeint sind? Oder muss für Definitheit
ein einfacher Artikel hinzukommen: "die zwei Kinder"?
Die Fragen stellen
sich für das Deutsche und für das Französische gleichermaßen, da sie logischer Natur sind.
Konkret hat die Sprache im Französischen etwas besser für Durchsichtigkeit
gesorgt als im Deutschen:
1. Völlig unbestimmte Mengen werden im Deutschen durch
Abwesenheit des Artikels oder, je nach Auffassung, Nullartikel bezeichnet, im Französischen durch
den Teilungsartikel (article partitif), der immerhin erkennen lässt, dass es als
vollständigen Denotatbereich eine theoretische Gesamtmenge gibt:
Ich habe Brot gekauft. - J'ai acheté du pain. [wörtlich:] Ich habe von dem Brot gekauft.
2. Bei bestimmten und unbestimmten Maß- und Mengenangaben wird die Substanz im Deutschen durch eine Art freie Apposition, im Französischen durch die Präposition de angebunden, also durch den wesentlichen Teil des Teilungsartikels, was wiederum die Substanz als theoretische Gesamtmenge erscheinen lässt und Zweifel daran weckt, dass der Bestimmtheitsgrad der Mengenangabe etwas mit Definitheit zu tun hat:
zwei Liter Milch - deux litres de lait ; drei Paar
Schuhe - trois paires de chaussures ;
viel Lärm - beaucoup de
bruit ; 'ne Menge Klamotten - un tas de fringues.
3. Schließlich ergibt sich im Französischen dank expliziter Anwesenheit eines definiten Artikels, dass für den Allquantor wie auch für Gesamtmengen und Allgemeingültigkeiten Definitheit anzusetzen ist:
die ganze Milch - tout le lait ; alle Linguisten -
tous les linguistes ;
Bier macht dick - la bière fait grossir ;
Engländer trinken Tee - les Anglais boivent du thé ;
Toleranz ist eine Tugend
- la tolérance est une vertu.
morphologische Eigenschaften
Der Quantifikativ-Artikel flektiert nach Numerus, Kasus und im Singular auch nach Genus (vgl. Flexion der Artikel).
MASKULIN | NEUTRUM | FEMININ | PLURAL | ||
NOMINATIV | jeder Mann kein Mann | jedes Kind kein Kind | jede Frau keine Frau | -- keine Leute | |
AKKUSATIV | jeden Mann keinen Mann | jedes Kind kein Kind | jede Frau keine Frau | -- keine Leute | |
DATIV | jedem Mann keinem Mann | jedem Kind keinem Kind | jeder Frau keiner Frau | -- keinen Leuten | |
GENITIV | jedes/en Mannes keines Mannes | jedes/en Kindes keines Kindes | jeder Frau keiner Frau | -- keiner Leute |
Bei jeder und einigen anderen Quantifikativ-Artikeln ist im Genitiv Singular Maskulinum und Neutrum eine Tendenz zu schwacher Flexion zu beobachten, vorausgesetzt, das determinierte Nomen ist mit einem Genitiv -s markiert (vgl. Grammatik in Fragen und Antworten, siehe auch Demonstrativ-Artikel).
...manches/manchen Kindes;
...manches Studenten...;
...allen Ernstes.
Bei anderen ist der Genitiv auf -en die einzige Möglichkeit:
...einigen Geldes; ...etlichen Ärgers; ...irgendwelchen Missgeschicks; ...sämtlichen Gepäcks.
Die Quantifikativ-Artikel lauter und (irgend)(et)was sind unflektierbar.
durch lauter enge Gassen / vor lauter Freude / mit irgendetwas Schönem
syntaktische Eigenschaften
Der Quantifikativ-Artikel bildet zusammen mit einem Nomen eine Nominalphrase. Quantifikativ-Artikel (außer kein-) regieren bei einem nachfolgenden Adjektiv oder einem nachfolgenden nominalisierten Adjektiv schwache Flexion.
semantische und funktionale Eigenschaften
Der Quantifikativ-Artikel determiniert ein Nomen, indem er aus dem mit dem Nomen gegebenen Denotatbereich einen Teil herausgreift oder den gesamten Bereich auswählt. Im Fall des in anderem Kontext als Negator eingestuften kein- ist mit der determinierenden Funktion die quantifikatorische Besonderheit "Auswahl von Null Elementen aus dem Denotatbereich" verbunden.
Einige Quantifikativ-Artikel sind grammatisch auf den Singular beschränkt (irgendein-), was selbst bei pluralischer Bedeutung der Fall sein kann (jed-, jedwed-). Andere sind auf den Plural beschränkt (mehrer-), wobei es selbst hier vereinzelt Ausnahmen gibt: Ich habe Ihnen mehreres zu sagen, ja sogar: Ich habe Ihnen mehreres Unangenehme zu sagen.
einig-, etlich-, irgendwelch- können meist nur mit abstrakten und konkreten Stoffnamen (Substanzausdrücken) im Singular verwendet werden, bei Gattungsnamen (Appellativa) nur im Plural, z. B.:
mit einigem/etlichem Aufwand; einiges/etliches
Bier
aber:*einiger/etlicher Mann; dagegen:
einige/etliche Studenten