Indefinit-Pronomen

frz. pronom indéfini

Indefinit-Pronomen im Überblick

Unter Indefinit-Pronomina verstehen wir eine Reihe von formal sehr unterschiedlichen Pronomina, deren gemeinsame Funktion ist, dass mit ihnen auf Personen, Gegenstände oder Sachverhalte verwiesen werden kann, ohne dass diese in irgendeiner Weise näher charakterisiert oder für den Hörer identifizierbar würden.

andere Bezeichnungen und Zuordnungen

unbestimmtes Fürwort, Indefinitum. Das unflektierbare Pronomen man und die Pronomina meinesgleichen, deinesgleichen etc., die in der Regel den Indefinit-Pronomina zugerechnet werden, sind hier als eigene Klasse generalisierendes Personalpronomen geführt. Vielfach werden auch Einheiten, die wir zu den Quantifikativ-Pronomina rechnen, als Indefinit-Pronomen klassifiziert, z. B. jed-, manch-, einige-, niemand.

Bestand und Beispiele

ein-, irgendein-, etwas, irgend(et)was, jemand, irgendjemand, wer, irgendwer, jedweder, jedermann, irgendwelch-, wer auch immer

Anmerkung: Das Element "irgend-", das bei einigen dieser Pronomina fakultativ hinzutreten kann, verstärkt den Eindruck der Beliebigkeit: irgendeine Karte = eine beliebige Karte. Ohne diesen Bestandteil könnten die Pronomina was, wer und welch auch als W-Pronomina aufgefasst werden (siehe W-Pronomen).

Abends hocken die Menschen hier in kleinen Gruppen zusammen, erzählen dies und jenes, schreien sich an oder umarmen sich (fast wie im richtigen Leben); irgendjemand kocht, irgendjemand spült, irgendjemand kauft ein (fast wie im richtigen Leben).
[die tageszeitung, 16.6.1988, S. 18.]

Wir müssen einsehen: die Wirtschaft oder irgendeine ihrer Gestalten ist nicht das Absolute.
[Jaspers, Karl (1962): Die Atombombe und die Zukunft des Menschen. München, S. 238.]

Es ist aber schwer, jahrzehntelang in einem Land zu leben, ohne sich mit irgend etwas oder irgendwem dort zu identifizieren. [Die Zeit, 10.01.1997, S. 5.]

morphologische Eigenschaften

Die Flexionsformen der Indefinit-Pronomina sind im Einzelnen sehr unterschiedlich. Das Pronomen (irgend)etwas ist unflektierbar. Das Paradigma von (irgend)ein- ist formal bis auf die Positionen Maskulinum Nominativ und Neutrum Nominativ und Akkusativ mit dem des parallelen indefiniten Artikels identisch; (irgend)wer und wer auch immer flektieren wie das W-Pronomen, (irgend)jemand hat die Endungen des indefiniten Artikels, wird im Dativ und Akkusativ aber auch endungslos gebraucht. Nur (irgend)welch- hat Pluralformen. Der jeweilige indefinite Artikel erscheint in der Tabelle als erste Form, die zweite Form stellt jeweils das Indefinit-Pronomen dar.

SINGULARPLURAL
MASKULINNEUTRUMFEMININ
NOMINATIVein Mann
einer
ein Kind
eines
eine Frau
eine
irgendwerjemandwelche
AKKUSATIVeinen Mann
einen
ein Kind
eines
eine Frau
eine
irgendwenjemand(en)welche
DATIVeinem Mann
einem
einem Kind
einem
einer Frau
einer
irgendwemjemand(em)welchen
GENITIVeines Mannes
eines
eines Kindes
eines
einer Frau
einer
--jemandeswelcher

syntaktische Eigenschaften

Ein Ausbau zur komplexen Pronominalphrase ist nicht bei allen Indefinit-Pronomina möglich; manchmal ist auch die Abgrenzung zum Artikel schwierig (siehe etwas Neues):

unter hundert Brüdern einer
etwas Neues
etwas gegen meinen Husten
einer, der keine Mühen scheut
eine der Besten
jemand anderer / anderes

semantische und funktionale Eigenschaften

Mit Indefinit-Pronomen kann man auf Personen, Gegenstände und Sachverhalte referieren, ohne dass diese durch ein Prädikat charakterisiert würden. Die Indefinit-Pronomen zeichnen sich durch eine relative semantische Leere aus. Eine genauere Charakterisierung oder gar Identifizierung von irgendeine, irgendwelche, wer auch immer, ... ist vom Sprecher in der Regel nicht beabsichtigt und wird vom Adressaten nicht erwartet.
Mit dem Pronomen jedermann wird neben der Referenz/Bezugnahme auch eine Quantifikation geleistet.

Jedermann träumt vom Urlaub auf einer einsamen Karibikinsel.

Über eine Menge nicht näher charakterisierten Personen (-man(n)) wird in diesem Beispiel insofern quantifiziert, als alle Elemente (jeder-) ausgewählt werden.

Dagegen setzt jedweder in fast paradoxer Weise die Akzente anders: ähnlich irgend- verstärkt es gegenüber einfachem jeder den Eindruck der Beliebigkeit (gleichgültig, wer das ist oder was für welche das sind), insistiert aber gleichzeitig auf der – auch in jedermann enthaltenen– Ausschließlichkeit (wirklich jeder ohne Ausnahme).

Trotz der Ähnlichkeit ihrer Semantik sind die Indefinitpronomina durchaus nicht in allen Textsituationen paradigmatisch austauschbar. So ist in dem Satz:

Falls hier (irgend)jemand Hilfe braucht, möchte er sich bitte melden

das Pronomen (irgend)jemand aus semantischen und/oder syntaktischen Gründen nicht ersetzbar durch etwas, irgend(et)was (Bezug nur auf Unbelebtes) und jedermann, jedweder (globaler, nicht selektiver Bezug, Fortführung durch Anaphorikum nicht möglich). Welche würde eine pluralische Verbform erfordern, für irgendwelche und wer auch immer würde eine Befragung von Muttersprachlern sicher ein uneinheitliches Ergebnis liefern. Interessant sind aber auch die Unterschiede zwischen den austauschfähigen Kandidaten. (Irgend)einer und (irgend)wer stehen stilistisch zweifellos eine Stufe tiefer, etwa auf umgangssprachlicher Ebene:

Falls hier (irgend)einer / (irgend)wer Hilfe braucht, möchte er sich bitte melden.

Auch scheinen sie eine kleinere potenzielle Menge zu implizieren als (irgend)jemand, so als gehe man davon aus, dass wahrscheinlich "kaum jemand Hilfe braucht".

Subtil sind auch die Unterschiede bei den französischen Entsprechungen, die ohnehin keine genauen Äquivalente der deutschen Indefinita sind. So deckt quelqu'un (-une) / quelques-uns (-unes) [Fem.Sing. nur eingeschränkt gebräuchlich] den Bereich der deutschen (irgend)ein-, (irgend)jemand, (irgend)wer bis hin zu manche/einige ab, quelque chose das deutsche (irgend)etwas.

Quelqu'un est-il prêt à venir plus tôt pour préparer la salle ?
Ist jemand bereit, früher zu kommen, um den Saal herzurichten?

Quelques-uns seront en retard, comme d'habitude.
Einige werden wie üblich zu spät kommen.

Chacun est prié d'apporter quelque chose à boire ou à manger.
Jeder möchte bitte etwas zu essen oder zu trinken mitbringen.

Dennoch gibt es Verfeinerungen. So kann dem deutschen (irgend)ein- in einer Dialogsituation (l')un(e) d'entre vous (wörtl. eine(r) von euch/Ihnen) entsprechen, ist aber stilistisch eher höflicher, gehobener anzusetzen:

L'un d'entre vous se chargera, s'il vous plaît, de l'accueil des invités.
(= Einer (von euch) / jemand übernimmt bitte den Empfang der Gäste.)

Die mit dem deutschen irgend- ausgedrückte Beliebigkeit wird im Französischen in die Nähe des wer/was/welch- auch immer gerückt. Dort wird sie durch n'importe qui/quoi/lequel wiedergegeben oder durch ein vom subjonctif (Konjunktiv) begleitetes qui que, quoi que, oder quel que (ce soit) umgesetzt, bei Referenten mit den Merkmalen [+belebt, +human] auch durch quiconque:

Quelle solution allons-nous favoriser ? N'importe laquelle sera la bonne !
Welche Lösung sollen wir bevorzugen? Egal, welche! / Mir ist jede recht!

S'il arrive quoi que ce soit d'imprévu, téléphonez-moi.
Wenn irgendetwas Unvorhergesehenes passiert, rufen Sie mich an.

Quiconque formule une plainte doit remplir ce formulaire.
Wer immer / Jeder, der eine Beschwerde vorbringt, muss dieses Formular ausfüllen.

Dabei legen n'importe… und …que (ce soit) den Akzent auf die Weite des Bezugsfeldes und die Beliebigkeit der Referenten, während quiconque die Ausschließlichkeit und Unbedingtheit unterstreicht. Das analog gebildete Adjektiv quelconque steht dann allerdings wieder für Beliebigkeit: un client quelconque = ein beliebiger Kunde, irgendein Kunde, aber auch: ein ganz gewöhnlicher Kunde. Schließlich erscheint jedermann und sein französisches Gegenstück tout le monde als Synthese aus Beliebigkeit und Ausschließlichkeit: "Luxus für jedermann", "du luxe pour tout le monde" [aus einem Reiseprospekt].

Schließlich verfügt das Französische noch über die Möglichkeit, innerhalb der Unbestimmtheit das Gegenteil von Beliebigkeit, nämlich Selektivität, eine Art verdeckte, potenzielle Indentifizierung, herauszuheben, und zwar durch certains und das seltenere, eher literarische d'aucuns.
Entsprechendes ist im Deutschen nur im Rahmen des Adjektivs möglich (eine gewisse Gruppe, gewisse Leute), während die pronominalen Gegenstücke nur den quantitativen und den indefiniten Aspekt transportieren können:

Certains espèrent que le président sera réélu.
Gewisse/Bestimmte Leute / Manche hoffen, dass der Präsident wiedergewählt wird.

"D'aucuns veulent empêcher ma réélection."
"Da sind einige, die meine Wiederwahl verhindern wollen."

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