anaphorisches Pronomen
anaphorisches Pronomen im Überblick
andere Bezeichnungen und Zuordnungen
Traditionell werden unter dem Terminus "Personalpronomen" oder "persönliches Fürwort" das anaphorische Pronomen "der 3. Person" mit den deiktischen Sprecher-/Hörer-bezogenen Kommunikanten-Pronomina "der 1. und 2. Person" zusammengefasst.
Beispiele
Der Schuppen stand am Ende des Gartens,
er war nicht sehr stabil, bemoost, verwittert und bot Unterschlupf für allerlei
Geziefer. (Orths, Corpus)
"Gehen Sie nur", sagte die Krankenschwester zu mir,
als ich sie fragte, ob ich den Patienten besuchen dürfte.
"Auf das
Fernsehen wollen wir keine Träume vergeuden", warnte 1926 der amerikanische Radiopionier Lee
de Forest, "weil es sich einfach nicht bezahlen läßt."
Der Bauer
verkaufte seine Kühe, weil sie keine Milch mehr gaben.
Die potenziellen Kunden zögern den Kauf hinaus, weil sie mit
fallenden Preisen rechnen.
morphologische Eigenschaften
Das Formenparadigma des anaphorischen Pronomens ist nach Kasus und Numerus und im Singular zusätzlich auch nach dem Genus differenziert. Das Genus wird nicht durch eine Flexionsendung, sondern mit Hilfe verschiedener Wortstämme (Suppletion) gekennzeichnet.
MASKULIN | NEUTRUM | FEMININ | PLURAL | ||
NOMINATIV | er | es | sie | sie | |
AKKUSATIV | ihn | es | sie | sie | |
DATIV | ihm | ihm | ihr | ihnen | |
GENITIV | seiner | seiner | ihrer | ihrer |
syntaktische Eigenschaften
In neutraler, nicht-kontrastiver Verwendung sind die anaphorischen Pronomina unbetont, die Form es kann überhaupt nicht betont werden. Akkusativisches es kann nicht im Vorfeld stehen.
Ihr Leben hat sie nie bereut.
*Es hat
sie nie bereut.
Anaphorische Pronomina sind nur sehr eingeschränkt, nämlich nur durch Nachstellung, zu Pronominalphrasen ausbaubar:
sie alle; sie beide; er, der alles besser weiß; er mit dem
Dreizack
*Blauer er wächst auch in Bayern.
Hinsichtlich Genus und Numerus wird ein anaphorisches Pronomen von seinem Vorgängerausdruck regiert, sodass der jeweilige thematische Zusammenhang deutlich markiert ist. Mit einem anaphorischen Pronomen in Subjektsfunktion steht das finite Verb in der 3. Person; hinsichtlich des Numerus besteht Kongruenz.
semantische und funktionale Eigenschaften
Das anaphorische Pronomen dient der thematischen Fortführung bereits eingeführter oder sonstwie im Kontext präsenter Gegenstände und Sachverhalte. Bei der Textproduktion tragen die anaphorischen Pronomina zur Kohäsion (syntaktische Verknüpfung) und zur Kohärenz (logisch-semantische Verflechtung) bei. Mit ihnen kann z. B. auf ganze Phrasen (syntaktisch) Bezug genommen und auf komplexe Sachverhalte (semantisch) mit einfachen Mitteln vor- und rückverwiesen werden. Sie sind damit ein wesentlicher Faktor der Sprachökonomie.
Beispiel
Hänsel und Gretel waren noch kleine Kinder, als sie einmal miteinander hinaus in den Wald gingen, um rote Beeren zu suchen. Jedes hatte ein Töpfchen. Ehe sie den Wald erreichten, kamen sie an einen Teich, darinnen gar schöne Fischchen herumschwammen, die aussahen wie das blanke Silber. Davon fingen sich die Kinder einige, und taten sie in ihre Töpfchen; dann pflückten sie im Wald noch gar viele rote Beeren und taten sie hinein zu den Fischen, bis das Töpfchen ganz voll war. Dann fanden sie zwei schöne Messerchen, und die legten sie oben darauf. Aber, als sie eine kleine Strecke durch den Wald gegangen waren, sahen sie einen großen Bären entgegen kommen; da fürchteten sie sich sehr, und versteckten sich, und ließen in der Eile ihre Töpfchen zurück, die der Bär, als er herbei kam, mitsamt den Fischen und Beeren auffraß. Und auch die Messerchen verschluckte er. Dann tappte er wieder fort.