Modalverb

Modalverb im Uberblick

Die Modalverben mussen, sollen, durfen, mogen/mochte, wollen und konnen regieren im Verbalkomplex den reinen Infinitiv (d.h. den Infinitiv ohne zu). Ahnlich wie Hilfsverben andern sie nicht den Valenzrahmen des Vollverbs. Mithilfe von Modalverben wird der von der Proposition denotierte Sachverhalt nicht als faktisch, sondern als moglich bzw. erlaubt, notwendig oder erwunscht etc.betrachtet.

Ausfuhrliche Informationen finden sich in: "Modalverben im Verbalkomlex aus frz. Sicht"

andere Bezeichnung und Zuordnung

modales Hilfsverb

Beispiele:

Die Manner mussten bis zu 14 Stunden mit Unterbrechung in grellem Licht und bei lauter Musik ausharren. (Suddeutsche Zeitung 18.10. 2004, S. 1)
Wie lange soll man zur Schule gehen? (Mannheimer Korpus 2 / ZTG. 00015)
Die CDU- und Unionsfraktionschefin Angela Merkel mochte mit Hilfe ihres Vorgangers Wolfgang Schauble sich und die Union aus der Krise befreien. (Suddeutsche Zeitung 18.10. 2004, S. 1)
GM will in Europa 12000 Arbeitsplatze streichen, ... (Suddeutsche Zeitung 18.10. 2004, S. 1)

andere Verbklassen mit ahnlichen Funktionen:

Neben den genannten Modalverben konnen die Hilfsverben haben und sein modal gebraucht werden. Sie regieren im Verbalkomplex im Gegensatz zu den Modalverben allerdings den zu-Infinitiv:

Wie berichtet, waren die Getreidepreise im Fruhjahr um vier Prozent gesenkt worden, was sich auf die Mehlpreise bis vor kurzem nicht ausgewirkt hatte. Daraufhin hatten zahlreiche Backereien, die obendrein noch hohere Lohne zu verkraften haben, ihre Brotpreise erhoht. (Die Presse, 03.09.1991)
Hier ist zu unterscheiden zwischen zustimmendem Grunzen, das ursprunglich "Hear, Hear" (Hort, hort!) hie?, und Unmutsbekundungen, die auf "Shame!" (Schande) zuruckgehen. (die tageszeitung, 26.03.2003, S. 6)

Einige Vollverben konnen ahnliche Funktionen wie Modalverben ubernehmen. Auch sie regieren den zu-Infinitiv und drucken eine Modalitat aus. Zu diesen Verben zahlen: pflegen, scheinen und drohen:

Man pflegt zu sagen, schriftliche und mundliche Grunde mussen sich nicht genau decken. (Die Presse, 08.09.1997)
Nicht alle Wissenschaftler scheinen zu dieser Unterscheidung fahig zu sein. (Die Presse, 14.07.2000)
Sein etwa vier Meter langes Sportboot war am Anlegesteg aus bisher ungeklarter Ursache Leck geschlagen und drohte zu sinken. (Mannheimer Morgen, 19.09.2002)

morphologische Eigenschaften der Modalverben

Modalverben werden nach Person, Numerus, Modus und Tempus flektiert (konjugiert), bilden aber keinen Imperativ. Ihre Bildung ist - aus sprachgeschichtlichen Grunden - irregular: Da sie im Prasens im wesentlichen so flektieren wie starke Verben im Prateritum (ahnliche Personal- / Numerussuffixe), gehoren sie zu der kleinen Gruppe der Prateritoprasentia.

Prasens der Modalverben im Indikativ und Konjunktiv

Prasens IndikativKonjunktiv I (Konjunktiv Prasens)
STAMMSINGULARPLURAL
1. PERSON-en
2. PERSONsoll-stt
3. PERSON-en
STAMMSINGULARPLURAL
1. PERSON-n
2. PERSONsoll-e-stt
3. PERSON-n

Folgende Modalverben bilden das Prasens im Indikativ mit Vokalwechsel von Singularformen zu Pluralformen und Infinitiv: wollen - will; mussen - muss; durfen - darf; konnen - kann; mogen - mag.
Im Konjunktiv I (Prasens) unterbleibt der Vokalwechsel: er wolle, musse, durfe, konne, moge. Das Modalverb sollen weist keinen Vokalwechsel auf.

Prateritum der Modalverben im Indikativ und Konjunktiv

Das Prateritum der Modalverben sollen und wollen wird wie das der schwachen Verben gebildet:

Prateritum Indikativ / Konjunktiv II (Konjunktiv Prateritum)
STAMMSINGULARPLURAL
1. PERSON-n
2. PERSONsoll-
woll-
te-stt
3. PERSON-n

Der Prateritalstamm der ubrigen Modalverben hat im Indikativ Ablaut: er durfte, konnte, musste, mochte, wollte.
Im Konjunktiv II wird der Prateritalstamm (au?er bei sollen/wollen) umgelautet: sie durfte, konnte, musste, mochte.

Bildung des Partizips II (Perfektpartizip)

Das Partizip II der Modalverben wird wie das der schwachen Verben gebildet und nur dann verwendet, wenn die Modalverben wie Vollverben den semantischen Kern des Verbalkomplexes bilden.

Tugendhat zitiert Tolstois Ivan Illich: "Ich habe nicht gelebt, wie ich gesollt hatte." (die tageszeitung, 12.10.1996, S. 15)
Habt ihr das gewollt?
Ich habe ihn nie gemocht.
Denn das hatte sie auch gekonnt, wenn sie gedurft hatte.
(die tageszeitung, 08.07.1995, S. 20)
Nach dem 1:2 durch Wuck (...) hatte in der 83. Minute eigentlich der nachste Torhuter vom Platz gemu?t. (die tageszeitung, 17.05.1993, S. 16)

Das Partizip II wird in den zusammengesetzten Tempusformen durch den Infinitiv Prasens ersetzt ("Ersatzinfinitiv"):

Sie hat kommen mussen.
Ihr hattet sie sehen sollen.

Wichtig ist dabei, dass das Partizip II des Modalverbs (bzw. der ?Ersatzinfinitiv') zusammen mit dem reinen Infinitiv in allen Satztypen die letzte Position einnimmt:

"Meine Gro?mutter ist eine sehr arme Frau, und mein Vater hat sich immer fur seine Mutter schamen mussen, weil sie ihm nur so wenig hat geben konnen." (B. Vanderbeke, 2001. Das Muschelessen. S. 75)

syntaktische Eigenschaften

Finite Modalverben bilden zusammen mit einem infiniten Vollverb den Verbalkomplex. Dabei transportieren sie den Valenzrahmen des Vollverbs weiter. Modalverben werden nicht im Imperativ verwendet.
Das Partizip II wird in den zusammengesetzten Tempusformen durch den Infinitiv Prasens ersetzt ("Ersatzinfinitiv"):

Sie hat kommen mussen.
Ihr hattet sie sehen sollen.

Zum Vollverbgebrauch der Modalverben vgl. den Vertiefungstext.

Ohne Infinitiv werden die Modalverben beispielsweise gebraucht, wenn es sich um ein Verb der Bewegung handelt und die Direktionalitat bereits durch eine Prapositionalphrase oder eine Verbpartikel ausgedruckt ist:

(1) Da musste ein Fachmann her [kommen].
(2) Er sagte, wir sollten da besser nicht hin [gehen].
(3) Ich darf nicht allein ins Kino [gehen].
(4) Ich mochte nicht zu Tante Agathe [gehen].
(5) Er will weg [fahren, gehen].
(6) Ihr konnt jetzt nach Hause [fahren, gehen].

In der deontischen Verwendungsweise von Modalverben erscheint also der reine Infinitiv nicht unbedingt, wahrend seine Verwendung bei epistemischer Modalitat obligatorisch ist.
Ausfuhrlichere Informationen uber die Begriffe "deontisch" bzw. "epistemisch" finden sich in den Vertiefungstexten : "Deontischer (extrasubjektiver) Gebrauch kontrastiv" und "Epistemischer (intrasubjektiver) Gebrauch kontrastiv".

semantische und funktionale Eigenschaften

Modalverben dienen dazu, den von der Proposition denotierten Sachverhalt nicht als faktisch, sondern als moglich bzw. erlaubt, notwendig oder erwunscht darzustellen, z.B. :

Man darf in offentlichen Gebauden nicht mehr rauchen.
Er musste letzte Woche nach Hause fahren, weil seine Frau plotzlich ins Krankenhaus gebracht wurde.
"Sechs Tage sollst Du dein Land besaen und seine Fruchte einsammeln. Aber am siebten Tage sollst Du es ruhen lassen."
[Mannheimer Morgen, 11.03.2003]
Er wollte sie gerade nach dem Weg fragen, aber sie drehte sich plotzlich um.

Modalverben konnen auch epistemisch verwendet werden, um subjektive Einstellungen zu Sachverhalten auszudrucken. Nur bestimmte Formen der Modalverben lassen diese Verwendungsweise zu. Dabei unterscheidet man traditionell zwischen den Modalverben, die einen bestimmten Grad der Wahrscheinlichkeit bestimmen (mogen, konnen, durfen und mussen), und den Modalverben sollen und wollen, die zur Redewiedergabe dienen; vgl. jeweils (i) bzw. (ii).

(i) Es wurde bei einem Maler ein Bild bestellt. Der Maler?

mag das Bild jetzt fertig haben [= eventuell]
kann das Bild jetzt fertig haben [= vielleicht]
konnte das Bild jetzt fertig haben [= moglicherweise] (usw.)

(ii) Der Maler soll das Bild wieder vernichtet haben. - (Es hei?t, dass ...)
Der Maler will die Bestellung fur das Bild nicht erhalten haben. - (Er behauptet).

Zur Stellung der Modalverben im Verbalkomplex (aus frz. Sicht)

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