Verbindlichkeitsqualität

Alles, was gesagt werden kann, muss - neben einem bestimmten Wissensstatus - notwendig auch eine bestimmte Verbindlichkeitsqualität haben, denn erst durch sie ergibt sich ein Handlungsbezug für das Gesagte. Erst im Hinblick auf ihre Verbindlichkeitsqualität unterscheiden sich zum einen Aussage und Frage, zum andern Aufforderung und Wunschbekundung oder Heischen.

Die Verbindlichkeitsqualität kann als 'Das sage ich' oder 'Das sage ich nicht' ausgelegt sein. Dadurch werden interaktive Rollen von Sprecher und Adressat spezifiziert, die freilich auch vom Status des angesprochenen Wissens bestimmt werden. Mit der Alternative 'Das sage ich' geht der Sprecher - abhängig vom Wissensstatus des Gesagten - eine spezielle Verbindlichkeit ein.

  • Bei repräsentativem Wissen muss er im Fall positiver Qualität ('Das sage ich') dafür einstehen oder glaubhaft machen können, dass die vorgebrachte Proposition zutrifft, gegebenenfalls auch begründen können, warum er davon ausgeht, dass sie zutrifft.
  • Bei Erfüllungswissen muss er beim Anspruch 'Das sage ich' begründen, eventuell sogar legitimieren, warum es so sei, wie die Proposition besagt, und zugleich dafür einstehen, dass der so entworfene Sachverhalt hergestellt werden kann. Bei negierter Verbindlichkeit ('Das sage das nicht') werden sprecherseitig keine Begründungsansprüche übernommen.

Verbindlichkeitsqualität ist abstrakter als der Verbindlichkeitsanspruch, der mit Behaupten oder Befehlen verbunden ist. Reduziert auf propositionale Grundeinstellungen, ergibt sich für repräsentatives Wissen unter 'Das sage ich' die Grundeinstellung 'wissen, dass p', für 'Das sage ich nicht' die Grundeinstellung 'nicht wissen, ob p'.

Die Verbindlichkeitsqualität ist Grundlage handlungsbezogener Rollen von Sprecher und Adressat. Gemeinsam ist positiver Verbindlichkeitsqualität bei unterschiedlichen Wissensbeständen die Herstellung von Übereinstimmung zu Sprecherkonditionen und -garantien. Bei negativer Verbindlichkeitsqualität gilt dies nicht.

Repräsentatives Wissen

Im Aussagemodus wird repräsentatives Wissen mit der Verbindlichkeitsqualität 'Das sage ich' angesprochen. Der Sprecher legt sich darauf fest, dass sich die Dinge so verhalten, wie er sie präsentiert. Er betreibt damit eine Erweiterung der gemeinsamen Wissensdomäne.

In den Fragemodi wird repräsentatives Wissen mit der Verbindlichkeitsqualität 'Das sage ich nicht' angesprochen. Der Sprecher weist hier dem Adressaten die Aufgabe zu, eine gemeinsame Wissensbasis herzustellen.

Erfüllungswissen

Steht bei Erfüllungswissen der Sprecher - wie beim Aufforderungsmodus - mit der Verbindlichkeitsqualität 'Das sage ich' für die Erreichbarkeit des Sachverhalts ein, den er mit dem Wissenstatus 'So sei es' beschreibt, dann bedeutet dies in Anbetracht des expliziten Adressatenbezugs, dass die Realisierung diees Sachverhalts vom Adressaten zu betreiben ist.

Wird - wie bei Optativmodi - die Verbindlichkeitsqualität 'Das sage ich nicht' artikuliert, werden ausdrucksseitig keine Handlungsfolgerungen ins Auge gefaßt. Interaktionsziel ist bei Optativmodi, dass der Adressat den Übergang zum gewünschten Sachverhalt gedanklich nachvollzieht.

Kundgabewissen

Bei Kundgabewissen wirkt Verbindlichkeitsqualität nicht differenzierend. Dennoch ist von der positiven Spezifikation ('Das sage ich') auszugehen: Interaktionsziel einer Kundgabe ist neben der Herstellung gemeinsamen Wissens über eine Einschätzung des Sprechers auch Gemeinsamkeit in eben dieser Einschätzung.


Siehe vertiefend Verbindlichkeitsqualität.

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Autor(en)
Bruno Strecker
Bearbeiter
Elke Donalies
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