Wissensstatus kommunikativer Ausdruckseinheiten
Der mit einer kommunikativen Ausdruckseinheit verbundene Wissensstatus erlaubt, Propositionen grundsätzlich auf dreierlei Weise in eine sprachliche Interaktion einzubringen:
- unter dem Gesichtspunkt 'so - wie die Proposition besagt - ist es'
- unter dem Gesichtspunkt 'so - wie die Proposition besagt - sei es'
- unter dem Gesichtspunkt 'dass es so - wie die Proposition besagt - ist, ...'
Die drei Betrachtungsweisen ermöglichen Sprecher und Hörer, eine vorgebrachte Proposition unterschiedlichen Wissensbeständen zuzuordnen, mit denen sie jeweils anders umzugehen haben, wenn sie zu einer angemessenen handlungsbezogenen Interpretation der verwendeten kommunikativen Ausdruckseinheit gelangen wollen.
- Äußert ein Sprecher einen Ausdruck für die Proposition die Proposition unter dem Gesichtspunkt 'so ist es', signalisiert er, dass die Proposition dem repräsentativen Wissen zuzuordnen ist.
- Äußert er einen Ausdruck für die Proposition unter dem Gesichtspunkt 'so sei es', signalisiert er, dass die Proposition dem Erfüllungswissen zuzuordnen ist.
- Äußert er einen Ausdruck für die Proposition unter dem Gesichtspunkt 'dass es so ist, ...', signalisiert er, dass die Proposition dem Kundgabewissen zuzuordnen ist.
Repräsentatives Wissen
Eine Proposition repräsentativem Wissen zuzuordnen heißt, sie unter dem Aspekt ihres Zutreffens zu betrachten. Dies ist etwa bei Behauptungen und Fragen gleichermaßen der Fall.
Eine Proposition repräsentativem Wissen zuzuordnen heißt also nicht, sich damit auch schon darauf festlegen, dass sich die Dinge so verhalten, wie die Proposition besagt.
Siehe vertiefend repräsentativem Wissen.
Erfüllungswissen
Erfüllungswissen ist Wissen über die Herbeiführung von Sachverhalten. Eine Proposition Erfüllungswissen zuzuordnen heißt, ausgehend von als vorfindlich betrachteten Sachverhalten Wege oder Übergänge zu anderen Sachverhalten nachzuvollziehen, die zunächst nicht als vorfindlich zu betrachten sind. Das ist etwa bei Aufforderungen oder Wünschen der Fall.
Erfüllungswissen ist kein Wissen darüber, dass etwas sein soll, denn als solches wäre es eine Form modal vermittelten repräsentativen Wissens.
Siehe vertiefend Repräsentatives und Erfüllungswissen.
Kundgabewissen
Bei Kundgabewissen wird wie bei Erfüllungswissen ein nicht-repräsentativer Zugang zu einer bestimmten Art von Wissen eröffnet: Ausgehend von als bestehend erachteten Sachverhalten bekunden Sprecher ihre Bewertung als unerwartet oder exzeptionell. Die Bewertung wird dabei - wie im ersten Beispiel - bekundet durch die Art und Weise, in der die Äußerung formuliert wird. Sie zeigt sich mithin und wird nicht - wie im zweiten Beispiel - ausdrücklich formuliert.
Mir kommen seine Ohren übermäßig lang vor. ↓
Was ein Sprecher in dieser Weise bekundet, gibt er nicht zur Bestreitung frei. Auf Bekundungen kann deshalb in der Regel auch nicht einfach mit nein reagiert werden. Reagiert man auf eine solche Bekundung mit Das finde ich nicht., bestreitet man nicht, dass die gemeinten Ohren lang sind, sondern weist allein die Bewertung ihrer Länge als exzeptionell zurück. Der Sachverhalt bleibt dabei unstrittig.
Kundgabewissen setzt auf repräsentativem Wissen auf. Ein bereits abgearbeitetes Stück repräsentativen Wissens dient als Ausgangspunkt zur Herstellung von Bewertungen dieses Wissens. Offen bleibt noch, ob diese Bewertungen lediglich dem Sprecher zugeschrieben sind oder ob sie vom Adressaten übernommen werden sollen. Wie beim Erfüllungswissen sind zwei Wissensbestände miteinander korreliert.
Überblick
Der Wissensstatus der mit einer kommunikativen Ausdruckseinheit ausgedrückten Gesamtproposition liefert damit als einer der beiden Aspekte der Wissensqualität diese Zuordnungen: