Intensitätspartikel

Als Intensitätspartikeln bezeichnen wir eine Klasse von Partikeln wie sehr und überaus, die die von einem Adjektiv oder Adverb ausgedrückte Charakterisierung intensivierend-steigernd oder abschwächend-abstufend modifizieren: überaus schön, kaum gefährlich, einigermaßen gern.

Andere Bezeichnungen und Zuordnungen

Steigerungspartikel, Intensifikator.

Häufig werden zu den Intensitätspartikeln in einem weiteren Sinne auch flektierbare Adjektive und Adverbien in Intensivierungsfunktion gezählt wie außergewöhnlich, enorm, völlig, total, verhältnismäßig, unglaublich, vollkommen.

Beispiele

Der zentrale und typischste Vertreter der Intensitätspartikeln ist sehr. Zu den Intensitätspartikeln im engeren Sinne gehören außerdem zum Beispiel ausgesprochen, beileibe, ein bisschen, einigermaßen , etwas , fast, ganz und gar, kaum , nahezu, recht , überaus , ungemein, vollauf, weitaus, zu.

Ich hab von meiner Schulzeit profitiert, und ich hab sie in sehr guter Erinnerung. (Klaus Kinkel 1998 in SWR 1 Leute)
Und der erzählte ihm, dass er vor allem den Kollegen Polt sehr schätze und liebe. (Wolfgang Heim, 1996 in SDR 3 Leute)
Ich sagte, dass ich, wenn es die Situation erfordert, durchaus in der Lage wäre, auch mal ein Wannenbad ohne Wasser zu nehmen. (Loriots Klassiker)

Die Funktion von Intensitätspartikeln können auch manche flektierbaren Adjektive wie außergewöhnlich, enorm, völlig, total übernehmen. Solche Adjektive können dann auch ein Nomen modifizieren: eine enorme Leistung. Adjektive in der Funktion von Intensitätspartikeln sind zum Beispiel absolut, außerordentlich, außergewöhnlich, enorm, extrem, ganz, höchst, komplett, total, ungewöhnlich, völlig, weit, ziemlich.

Also als Fensterputzer hier am Fernsehturm wär' ich völlig ungeeignet. Da würd' 'zerscht der Eimer runterfallen, dann ich. (Manfred Rommel 1996 in SDR 3 Leute)
Zunächst einmal muß man den Helden interessant machen, indem man ihn z.B. in einem Zwischenreich zwischen Franz von Assisi und einem gescheiterten Helden unserer Zeit ansiedelt, leicht spinnert und alkoholisiert. Er darf weder komplett verrückt noch normal sein, und er muß seine Geschichte in Tagebuchform möglichst selbst erzählen. (Frankfurter Rundschau 17.4.1999, 4)

Morphologische Eigenschaften

Die Intensitätspartikeln im engeren Sinne sind unflektierbar. Adjektive in intensivierender Funktion sind ebenfalls unflektiert, wenn sie Adjektive oder Adverbien modifizieren: außergewöhnlich schön, total blöd. Sie können aber auch mit gleicher Bedeutung als attributive Modifikatoren eines Nomens auftreten und sind dann flektiert.

eine außergewöhnliche Schönheit
deine totale Blödheit

Auch Adjektive in steigernder oder abschwächender Funktion lassen sich teilweise modifizieren.

ganz ungewöhnlich schön
nahezu komplett verrückt

Intensitätspartikeln können einen Akzent erhalten.

Syntaktische Eigenschaften

Die unflektierbaren Intensitätspartikeln können nicht im Vorfeld stehen und nicht Kopf einer Phrase sein.

Der Bezugsausdruck der Intensitätspartikeln im engeren Sinne ist ein Adjektiv oder Adverb: sehr glücklich, überaus gern, zu oft. In wenigen Fällen ist der Bezugsausdruck auch ein Verb: das schmerzt sehr, er leidet ziemlich. Im Unterschied zu den Fokuspartikeln (sogar die Katze) ist der Bezugsausdruck aber nie ein Nomen.

Die Intensitätspartikel steht unmittelbar vor dem modifizierten Adjektiv oder Adverb: ungemein schön, ungemein gern.

Intensitätspartikeln zeigen unterschiedliche Verträglichkeiten mit den einzelnen Stufen der Komparation ihrer Bezugsadjektive zum Beispiel in prädikativer Verwendung (er ist schön) oder in attributiver Verwendung (ein schöner Mann): Die meisten Intensitätspartikel können zum Beispiel nur mit dem Positiv verwendet werden (ein sehr schöner Mann), andere nur mit dem Komparativ (Er ist kaum schöner als George Cloony).

PositivKomparativSuperlativ
sehr
einigermaßen
recht
überaus
ungemein
zu
sehr schön
einigermaßen schön
recht schön
überaus schön
ungemein schön
zu schön
- -
kaum-kaum schöner-
etwasetwas schönetwas schöner-
weitaus-weitaus schönerweitaus am schönsten
Mit dem Schutzengel im Schlepptau brachen die vier Zweiradfreunde vom Motorradstammtisch Nordheim dann auf Richtung Odenwald, wo sie das noch etwas schöne Wetter ausnutzten. (Mannheimer Morgen 24.10.2004, o.S.)
Für Touren im Kanu gibt's kaum schönere Gewässer. (Rhein-Zeitung 21.9.2007, o.S.)
Der Schrecken ist, wie schon in Peymanns Shakespeare-Inszenierungen, die weitaus am schwächsten besetzte Figur. (Die Zeit 14.2.1997, 43)

Semantische und funktionale Eigenschaften

Die Funktion von Intensitätspartikeln lässt sich charakterisieren einerseits als intensivierend-steigernd wie bei überaus, ungemein, sehr und andererseits als abschwächend-abstufend wie bei kaum, etwas, einigermaßen.

So schritt er selbst zur Tat, plante das Werk, gewann kompetente Wissenschafter aus der Schweiz und Frankreich als Autoren und konnte dieses Frühjahr den ersten Band einer "Histoire de la littérature en Suisse romande" publizieren und damit auch einem breiteren Publikum von Literaturinteressierten ein wertvolles, überaus schön gestaltetes, reich illustriertes Lese- und Nachschlagewerk in die Hand geben. (Zürcher Tagesanzeiger 13.8.1996, 54)
Insofern hat sich nichts geändert seit der Oktoberrevolution: Wer einigermaßen freundlich bedient werden will, halte sich an die Kellnerinnen. Ihre männlichen Kollegen haben das Lächeln noch nicht gelernt. (Die Zeit 27.12.2007, 54)

Intensitätspartikeln werden für die Feinabstimmung, die Spezifikation von Modifikationen gebraucht, die mit einem Adjektiv oder Adverb zum Ausdruck gebracht werden. Die Wahrheitsbedingungen des Ausdrucks werden dabei nicht verändert. Die Feinabstimmung erfolgt vor dem Hintergrund eines Normwerts, der durch den Bezugsausdruck gegeben ist und der über- oder unterschritten werden kann: Einer, der überaus schön ist, ist schöner, als erwartbar. Einer, der einigermaßen schön ist, ist weniger schön als erwartbar.

Intensitätspartikeln haben semantische Ähnlichkeit mit den Fokuspartikeln, haben aber eine andere Distribution als diese: Sie stehen unmittelbar vor dem modifizierten Ausdruck, der - im Unterschied zu den Fokuspartikeln - kein Nomen sein kann.

Zusätzliche Literatur in Auswahl

Engelen 1990; Siemund 2000; Claudi 2006; Breindl 2007.

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Autor(en)
Eva Breindl
Bearbeiter
Elke Donalies
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