Spielarten kausaler Interpretation

Bei räumlichen Vorstellungen spielen die drei Teilkonzepte QUELLE, WEG und ZIEL eine wichtige Rolle. An diesen wird auch ein Teil unserer Vorstellungen von ZEIT festgemacht. ZEIT ist etwas, aus dem wir kommen, sodass die Vergangenheit als QUELLE hinter uns liegt, und in das wir hineingehen, sodass die Zukunft als ZIEL vor uns liegt.

QUELLE

Wesentliches Anknüpfungskonzept für Kausalität ist nun die QUELLE, wobei die RAUM-ZEIT-Metaphorisierung die Verbindung herstellt. Geht ein Ereignis p einem anderen Ereignis q voraus, so wird häufig p als Ursache von q gedeutet: Dass dieses Prinzip des "post hoc, ergo propter hoc"('nach ihm, also wegen ihm') häufig zu Fehldeutungen führt, lässt die Basisannahme unberührt. Räumlicher Kontakt zwischen den beteiligten Objekten in der Ursprungssituation und unmittelbare Veränderung an einem Objekt in der Folgesituation begünstigen die kausale Deutung noch: Das Vorausgehende ist einerseits im Sinne der Metapher 'ZEIT ist ORT' die QUELLE des Geschehens, andererseits nach dem Prinzip "post hoc, ergo propter hoc" dessen Ursache. Kausale Präpositionen, mit denen auf die Vorstellung der QUELLE abgehoben wird, sind vor allem aus und von.

aus

Aus bezieht sich auf Quellen, die als Behältnisse, somit einen Hohlraum umschließend, gesehen werden; es ist die separative oder ablative Entsprechung zu in. Kausal gebraucht wird aus vor Bezeichnungen für Emotionen, die als Motive für Handlungen oder Zustände zu gelten haben. Die von aus regierte Nominalphrase hat dabei nie einen Artikel.

aus Eifersucht töten
aus Liebe verzeihen

von

Von perspektiviert entsprechend seiner räumlichen Bedeutung als ablative Entsprechung zu an Ursachen als Ausgangspunkte, von denen sich ein Folgeereignis wegbewegt. Es wird kausal einerseits vor nominalisierten Infinitiven gebraucht, die einen Prozess oder Zustand denotieren, (vom Sitzen), andererseits vor Nominalphrasen mit Nomina wie Kälte, Gestank, also Bezeichnungen für externe Zustände.

vom Sitzen müde sein
von der Kälte eine rote Nase haben

vor

Die kausale Verwendung von vor beruht auf der Vorstellung der lokalen Konfrontation. Sie stellt eine Übertragung des Gebrauchs dar, bei dem vor zur Lokalisierung von Personen in der VOR-Region von Gegenständen gebraucht wird. Ähnlich wie bei aus beruht die kausale Verwendung auf einer allegorisierenden Vergegenständlichung der Ursache.

bleich vor Erschöpfung
zittern vor Angst

Wie aus wird vor bei kausalen Supplementen nur vor artikellosen Nominalphrasen gebraucht. Im Komplementgebrauch gilt diese Restriktion aber nicht.

vor dem Hund erschrecken

Die Nominalphrasen, mit denen vor im Supplementgebrauch kombiniert wird, denotieren entweder - wie aus - Emotionen und Affekte (vor Hunger, vor Wut) oder - wie von - externe Zustände, etwa Witterungsbedingungen (vor lauter Regen).

vor versus aus

Bei der Verwendung von aus erscheint die Emotion als gegebenenfalls steuerbares Motiv; bei der Verwendung von vor wirkt sie als Ursache, die eine typische, in der Regel ungewollte und nicht steuerbare Reaktion hervorruft. Häufig handelt es sich beim Gebrauch von vor um den körperlichen Ausdruck eines psychischen Geschehens wie etwa: vor Angst zittern, vor Wut aufheulen.

vor versus von

Während mit kausalen von-Phrasen Quellen beliebiger Verhältnisse genannt werden, drücken die vor-Phrasen die Auslösung von Reaktionen bei Menschen, Lebewesen oder - anthropomorphisierend - bei anderen Gegenständen aus.

Von der Hitze war mir ganz übel.
Vor Hitze war mir ganz übel.

Von der extremen Kälte war der ganze See zugefroren.
* Vor extremer Kälte war der ganze See zugefroren.

Gerade der Vergleich der in ihren Kontexten benachbarten kausalen Verwendungen von aus, von und vor zeigt, dass die jeweils unterschiedliche zugrundeliegende lokale Verwendung in unterschiedlichen, die lokale Vorstellung nachbildenden kausalen Verwendungen resultiert.

ZIEL

auf

Das Konzept ZIEL - obschon dem der QUELLE und Ursache entgegengesetzt - geht in alltagsweltlichen Argumentationen oft mit dem Konzept der kausalen Begründung zusammen. So wird häufig auf die Frage nach Gründen (warum-Fragen) mit der Angabe von Zielen oder Zwecken geantwortet. Ähnlich scheint auch beim Gebrauch der zielbestimmenden Präposition auf Finales und Kausales zusammenzugehen.

böse auf
ärgerlich auf

Hier steht die Idee einer auf ein meist personales Ziel gerichteten Emotion im Vordergrund. Gleichzeitig hat aber dieser Gegenstand der Emotion als Stimulus, als Ursache der Emotion zu gelten. Es scheint somit eine doppelt gerichtete mentale Bewegung vorzuliegen: Der Stimulus führt vom Gegenstand zur empfindenden Person, die Emotion richtet sich gleichzeitig auf den Gegenstand.

Auch bei reagieren auf, antworten auf kann die von auf regierte Phrase mit einer kausalen Note interpretiert werden: Sachverhalte lösen Reaktionen aus, Fragen führen zu Antworten. Die Brücke zur Kausalität scheint hier jedoch nicht in der Vorstellung eines Ziels zu liegen, sondern - wie bei den herkunftsbezeichnenden Präpositionen - im zeitlichen Nacheinander. In der Bedeutung eines zeitlichen Nacheinanders wird auf auch in Zwillingsformen wie Schlag auf Schlag, Träne auf Träne, Wagen auf Wagen gebraucht.

WEG

durch

Das Konzept WEG wird nicht in erster Linie zum Ausdruck von Kausalbeziehungen verwendet. Vielmehr dominiert hier immer die Vorstellung von MITTEL oder INSTRUMENT, das einen Weg zum gewünschten Ziel eröffnet.

Ich fühlte mich übertölpelt nur durch die Bestimmtheit ihrer Meldung (...).
(Frisch 1957, 57)



Siehe vertiefend Verteilung kausal verwendbarer Präpositionalphrasen auf Komplement- und Supplementfunktionen.

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Autor(en)
Eva Breindl
Bearbeiter
Elke Donalies
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