Wortbildungsaffixe sind Affixe, die in der Regel mit Wörtern und Konfixen explizite Derivate bilden.
Wortbildungsaffixe werden entweder als Präfixe vorangestellt (zum Beispiel unschön), als Suffixe nachgestellt (zum Beispiel Schönheit) oder als Zirkumfixe um Wortstämme oder Konfixe herum positioniert (zum Beispiel Gerede). Siehe Belege b, c und d. Manche Präfixe können durch Vervielfachung besondere Effekte erzielen. Siehe Beleg f.
Bildungen mit Affixen gibt es im Deutschen schon lange. Siehe Beleg e.
Die einheimischen Affixe waren früher Wörter, zum Beispiel mittelhochdeutsch heit ‚Art und Weise‘ (siehe Scherer 2006):
Außerdem werden Wortbildungsaffixe entlehnt, zum Beispiel Präfixe wie hyper- oder Suffixe wie -ier.
Wortbildungsaffixe verändern die Wortart, zum Beispiel zart → Zartheit, oder nicht, zum Beispiel zart → zärtlich. Außerdem verändern sie die kategorielle Bedeutung, zum Beispiel Gold → vergolden, oder nicht, zum Beispiel Kind → Kindchen. Die kategorielle Bedeutung betrifft Entitäten. Arten von Entitäten sind – analog zu den drei Hauptwortarten Nomen, Adjektiv, Verb – erstens Sache, Sachverhalt, zweitens Eigenschaft und drittens Tätigkeit, Vorgang, Zustand.
a | Für mich war der Minimalismus immer das Allergrößte - die Abstraktion des späten 20. Jahrhunderts, der letzte richtig radikale Ismus der Avantgarde. | (Die Zeit (Online-Ausgabe), 09.05.2013) |
b | Seltsame, unschöne Signale dringen aus Österreich in diesen Tagen, in denen die Europäer eigentlich versuchen sollten, an einem Strang zu ziehen, um sich gegen das Flüchtlingschaos zu stemmen. | (Süddeutsche Zeitung 19.02.2016, S. 4) |
c | Fulbert Steffensky sagt: »Reisen ist, wenn es nicht ausufert, etwas Schönes. Und Schönheit braucht sich eigentlich nie zu rechtfertigen.« | (Zeit Wissen 16.06.2020, S. 10) |
d | Viel Zeit für viel Gerede: Über herzhaftes Zoffen und Wege zur Versöhnung, permafrostkalte Meetings, über revolutionäre Jugendbewegungen und Pferde auf Augenhöhe, Polizeiprobleme und rechte Netzwerke, über Punk und gutes Essen. | (die tageszeitung 23.09.2020, S. 2) |
e | daz ist sanctuarium dei (gotes heiligtuom) | (Notker 11.Jahrhundert, Althochdeutsches Wörterbuch 2015, Bd. 4, Sp. 838) |
f | Angenommen, Jesus hat seine Kinder schon im Alter von 30 Jahren bekommen, was ja dem familienpolitischen Code unserer Ministerin Ursula von der Leyen entspräche, und seitdem ist alle 30 Jahre eine neue Generation seiner Nachfahren herangereift. Dann wäre Audrey Tautou seine Urururururururururururururururururururur-urururururururururururururururururururururururururururururururururururururururururuurururururenkelin. Mein Gott [...] | (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 21.05.2006, S. 1) |
Wortbildungsaffixe sind abzugrenzen von Flexionsaffixen.
Seltene Ausnahmen von der Regel, dass Wortbildunsgaffixe mit Wörtern und Konfixen ausschließlich explizite Derivate bilden, sind Wortbildungsaffixe als Basis von Konvertaten, zum Beispiel ein Ismus. Siehe Beleg a.
Umstrittene Wortbildungsaffixe sind Infixe und Interfixe. Infixe sollen in ein Wort hinein positioniert worden sein, zum Beispiel -un- in funktionsuntüchtig. Fälle wie diese lassen sich aber analysieren, ohne dass eine eigene Kategorie Infix konstruiert werden muss; sie bestehen zum Beispiel aus funktions + untüchtig. Der Terminus Interfix wird für den speziellen Fall des zwischengefügten -t- zum Beispiel in öffentlich ← offen + lich angenommen; er ist de facto aber nichts anderes als ein spezielles Fugenelement. Siehe Donalies (2013).
Einheiten in Komposita wie Werk in Astwerk werden mitunter als eigene Kategorie Affixoid separiert, auch Halbaffix oder Pseudoaffix genannt. Sie haben einerseits irgendwie Wortstatus, andererseits irgendwie Affixstatus. Ihre Bedeutung ist worttypisch präsent; sie kommen aber nur gebunden in Wörtern wie Astwerk, Buschwerk, Laubwerk vor. Siehe unter anderen Schmidt (1987), Zifonun (2012, S. 125ff.), Reckenthäler (2020).
Ableitungsaffix, Ableitungsmorphem, Derivatem, Derivationsaffix, Derivationsmorphem, Formans, Formationsmorphem
affixe de création lexicale (französisch), affisso derivativo (italienisch), orddanningsaffiks (norwegisch), afiks słowotwórczy (polnisch), képző (ungarisch)