Wortbildungsaffix

Wortbildungsaffixe (zu lat. affigere 'aneinanderheften') sind gebundene wortbildungsspezifische Einheiten.

Beispiele: be, heit, lich, un

Morphologische Eigenschaften

Gebundenheit

Will man Wortbildungsaffixe von Wörtern und Konfixen abgrenzen, kommen hierfür nur morphologische Kriterien in Frage: Affixe sind im Gegensatz zu Wörtern gebunden, d. h. sie kommen weder selbst frei vor, noch können sie durch Anhängen von Flexionsaffixen syntaktisch unmittelbar nutzbar gemacht werden.

Wortbildungsaffixe sind als gebundene Einheiten einerseits abzugrenzen von den ebenfalls gebundenen, aber im Gegensatz zu den Wortbildungsaffixen semantisch leeren Fugenelementen (z. B. s in Hochzeitstorte) sowie andererseits von den gebundenen, aber nicht zur Wortbildung, sondern zur Syntax gehörenden Flexionsaffixen (z. B. ete in er redete nie viel).

Basis- und Kompositionsgliedfähigkeit

Außerdem sind Affixe im Gegensatz zu Wörtern und Konfixen weder basis- noch kompositionsgliedfähig (*verlich). Sie können nur mit Wörtern oder Konfixen Wörter bilden.

Position

Affixe werden entweder vor einer Basis, nach einer Basis oder um eine Basis herum positioniert: Affixe vor einer Basis heißen Präfixe. Vgl. un, ur, er. Nicht zu den Präfixen werden hier Einheiten wie an- in anstehen gerechnet. Vgl. Die Präverbfügung. Affixe nach einer Basis heißen Suffixe. Vgl. heit, lich, abel, ig(en). Affixe um eine Basis herum heißen Zirkumfixe. Vgl. ge-...e, ge-...-ig und be-...ig(en).

Nicht benötigt wird hier die Kategorie Infix für Einheiten wie un in verunehrt, funktionsuntüchtig. Vgl. Infix.

Funktion

Wortbildungsaffixe sind vor allem an der expliziten Derivation beteiligt; ganz selten werden Affixe konvertiert, z. B. das Affix ismus zum Nomen Ismus. Vgl. Nomenkonvertat.

Er fotografierte geradezu brutal direkt, frei von Kunstgriffen und unbeeinflusst von jeglichem Ismus.
(Berliner Zeitung 21.6.2006, 15)

Reihenbildung

In der Forschungsliteratur wird über diese Definition hinaus häufig auch "Reihenbildung" als typisches Merkmal der Affixe angegeben. Darunter "ist das wiederholte Vorkommen des Affixes in Wortbildungskonstruktionen ein und desselben Modells zu verstehen" (Fleischer/ Barz 1995, 28). Das Definitionskriterium der Reihenbildung ist jedoch zu Recht umstritten, weil auch Wörter oder Konfixe Reihen in Wortbildungsprodukten ein und desselben Modells bilden können, z. B. Holztisch, Holzhaus, Holzstuhl, Holzpuppe, Holzlöffel oder Ökowein, Ökobrot, Ökobutter, Ökolandwirtschaft, Ökobauer.

Semantische Eigenschaften

Während sich Affixe morphologisch klar von Wörtern und Konfixen abgrenzen lassen, sind sie semantisch gesehen nicht prinzipiell abzugrenzen: Einerseits können Affixe im Gegensatz zu Wörtern und Konfixen Transponierer sein, z.B. heit in Schönheit. Andererseits können Affixe ebenso wie Wörter und Konfixe Determinans sein, z. B. un in unschön, oder Determinatum, z. B. ling in Schönling. Vgl. dazu weiter

Herkunft

Die meisten Affixe haben sich aus einheimischen Wörtern entwickelt, z. B. heit aus mhd. heit 'Art und Weise, Eigenschaft, Person, Stand'. Einige Affixe haben sich aus Entlehnungen entwickelt, z.B. er aus lat. arius. Einige Affixe sind Entlehnungen, z. B. abel. In diesem Fall handelt es sich um Lehnwortbildung.

Einheiten, die diachron betrachtet möglicherweise auf dem Wege von Wörtern zu Affixen sind, werden mitunter als Affixoide oder Halbaffixe bezeichnet, etwa frei in atomfreie Zone. Der Affixoidbegriff wird jedoch in der neueren Forschungsliteratur überwiegend als unnötig angesehen. Vgl. Affixoid.

Zusätzliche Literatur in Auswahl

Hall 2000; Wischer 2008.