Eigennamen

Auf den ersten Blick sind Eigennamen die einfachsten Mittel zur Bestimmung von Verrechnungsorten für Prädikate, denn sie sind auf natürliche, unkomplizierte Weise dem zugeordnet, was sie benennen und damit bestimmen. Genauere Betrachtung zeigt allerdings, dass auch Eigennamen ihre Tücken haben und ihre Zuordnung zu ihren Trägern alles andere als einfach ist.

Erstens:
Damit etwas mit einem Eigennamen bezeichnet werden kann, muss es als Individuum zu identifizieren sein, das über zeitliche, räumliche und physische Veränderung hinweg als ein und dasselbe zu erkennen ist. Untersuchungen zum kindlichen Spracherwerb zeigen, dass die Fähigkeit, etwas als Individuum zu erkennen und nicht etwa nur als von bestimmter Art oder Funktion, keineswegs elementar ist. So meint das kindliche Mama durchaus nicht von Anfang an nur ein bestimmtes Individuum, eben die Mama, sondern mehr oder weniger alles, was mit Mutterfunktion zu tun hat. Die Vermutung, Eigennamen seien die einfachsten Bestimmungsmittel, stützt sich auch nicht auf Erfahrungen bei der Einführung von Eigennamen, sondern auf Erfahrungen mit dem späteren Gebrauch dieses Mittels: Ist es erst einmal gelungen, etwas mit einem Eigennamen zu versehen, dann ist dieser Name das einfachste Mittel des Verweisens. Aber das sind Probleme, die mit dem kommunikativen Gebrauch von Eigennamen zu tun haben, nicht mit ihrem semantischen Status.

Zweitens:
Eigennamen sind, semantisch gesehen, Mittel zur Bildung starrer Kennzeichnungen - 'rigid designators' nach Kripke 1993. Sie dienen dazu, ein Individuum, dem sie einmal in einem 'Taufakt' zugeordnet wurden, über alle Veränderungen hinweg als ein bestimmtes festzuhalten. Durch ihre Starrheit unterscheiden sie sich in bemerkenswerter Weise von quantifizierenden und charakterisierenden Ausdrücken: Während bei diesen die Instanzen, die bei der Einrichtung ihrer Verifikationsregel eine Rolle gespielt waren, später in ihrer individuellen Besonderheit längst vergessen sein können, bleibt ein Eigenname, wenn er einmal einem Individuum zugeordnet wurde, prinzipiell für die Bestimmung dieses einen Individuums reserviert. So jedenfalls die allgemeine Idee von der Leistung der Eigennamen, die freilich nur in der Logiktheorie durchzuhalten ist. Wird mit Bezug auf natürliche Sprachen von Eigennamen gesprochen, dann ist das anders zu verstehen: Zwar ist es auch hier möglich, einen Ausdruck unter Hinweis auf seine Einführung als Individuenbezeichnung als Eigennamen zu bestimmen. Oft meinen wir aber mit Eigenname nicht einen Ausdruck, der faktisch als Individuenbezeichnung fungiert, sondern einen Ausdruck, dessen Bestimmung es ist, als Individuenbezeichnung zu dienen.

Der Rekurs auf bereits früher und anderweitig als Eigennamen gebrauchte Ausdrücke scheint auf den ersten Blick dem Sinn einer starren Kennzeichnung zuwiderzulaufen, weil dadurch Missverständnisse programmiert sind. Schließlich soll der Eigenname ein Individuum in seiner Einzigartigkeit erfassen. Diese Schwierigkeit kann in der Praxis dadurch gering gehalten werden, dass wir in der Regel nur relative Einzigartigkeit beanspruchen: relativ zu dem, was im Gesprächszusammenhang in Frage kommt. Verbleibende Mehrdeutigkeiten werden ad hoc durch Hinzunahme von Charakterisierungen ausgeräumt.

Karl der Kahle
Gerhard Schröder, der Verteidigungsminister
Joseph Alexander Freiherr von Helfenberg

Hier werden unter Eigenname sowohl tatsächlich verliehene Namen als auch potenzielle Namen verstanden, wobei Letzteres erlaubt, einen Ausdruck auch dann als Eigennamen aufzufassen, wenn man nur weiß, dass er seiner Bestimmung nach ein Eigenname ist, aber von einem Akt der Namensgebung keine Kenntnis hat.

Die folgenden Beispiele zeigen, was das für die Interpretation von kommunikativen Einheiten bedeutet und welche Schwierigkeiten sich ergeben, wenn man einem Ausdruck nicht ansehen kann, ob er ein Eigenname ist.

Martina

Martina ging gewissermaßen auf Tuchfühlung mit den absoluten Weltstars der Filmbranche, tauchte ein in den unvergleichlichen Glanz und Glamour Hollywood.
(Tiroler Tageszeitung 15.2.2000, o. S.)

Bei Martina weiß man, dass es sich um einen Eigennamen handelt, und kennt damit auch die Rolle, die ein so formuliertes Argument bei einer Verifikation spielen müsste: Dasjenige Individuum, das als Träger des Namens identifiziert wird, muss gewissermaßen auf Tuchfühlung mit den absoluten Weltstars der Filmbranche gegangen sein, damit die Behauptung als wahr gelten kann.

Fuchs und Löwe

Fuchs trifft Löwe von Tjorven Figge.
(die tageszeitung 14.8.1991, 27)

Fuchs und Löwe könnten, soweit man das allein auf der Basis des Satzes feststellen kann, ebenso gut Tiere dieser Art wie Menschen dieses Namens bezeichnen.

Peter

Daran klebte ein Zettel, auf dem Postel einem "Peter" mitteilte, er sei für Wochen in Bremen "bei Susanne".
(die tageszeitung 8.5.1998, 24)

Peter ist zwar ein Eigenname. Allerdings kann es dennoch zur Interpretation von Peter als charakterisierender Ausdruck kommen. Gleich zwei Interpretationen sind hier möglich.

einer von der Art des berühmten Peters
ein gewisser Peter, der als Peter identifiziert wurde, dem Sprecher jedoch unbekannt war

Wenn man keinen herausragenden Peter kennt, scheint die erste Interpretation etwas gesucht. Bei Namen prominenter Persönlichkeiten bietet sich eine solche Interpretation eher an, denn auf den damit eingerichteten Konten sind schon substanzielle Charakteristiken eingetragen, die mit dem Namen stellvertretend aufgerufen werden können.

Die Eltern müssen akzeptieren, dass nicht jedes Kind ein Mozart oder ein Maier ist.
(Salzburger Nachrichten 14.8.2000, o. S.)

Ulm

Gast in der Max-Schmeling-Halle (15.30 Uhr) ist Ulm. (Berliner Zeitung 13.1.2001, 42)

Die Interpretation von Ulm als Eigenname ist ganz in der Kenntnis einer erfolgten Zuordnung begründet. Ohne solche würde man diesen Ausdruck möglicherweise als Teil eines Prädikatsausdrucks interpretieren, etwa so wie bei ist Schluss. Im Übrigen gehört Ulm - wie alle Ortsnamen - nicht zu den Namen, die in erster Linie aufgrund häufiger Verwendung als Namen erkannt werden: Die meisten Personen, die Ulm als Ortsnamen kennen, werden vermutlich eher selten von diesem Ausdruck Gebrauch machen oder mit ihm konfrontiert werden.

Keiner

Keiner glaubte, daß das pferdelose Gespann den Fernpaß überwinden könnte.
(Tiroler Tageszeitung 28.8.1998, o. S.)

Das letzte Beispiel könnte man auf Anhieb als fehl am Platz betrachten. Tatsächlich gibt es aber in Deutschland Personen, die Keiner oder Niemand heißen. Was Anlass zu Scherzen gibt.

Herr Blöd geht zum Wachtmeister und sagt: „Keiner hat mir auf den Kopf gespuckt, und Niemand hat's gesehn!"

Fazit

Grundsätzlich ist festzuhalten: Eigennamen sind im Deutschen kein uneingeschränkt taugliches Mittel für die Kennzeichnung von Individuen. Prinzipiell könnte alles, was in irgendeinem Sinn als Individuum aufgefasst werden kann, auch mit einem Eigennamen versehen werden.

Faktisch werden Eigennamen nur zur Kennzeichnung einiger weniger Arten von Individuen gebraucht, etwa für Menschen, Kuscheltiere, große Schiffe, Flüsse, Seen, Meere, Städte, Länder und Landstriche, und selbst dies nur unter speziellen Bedingungen.

Mehr hierzu in Verfahren des Referierens.

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Autor(en)
Bruno Strecker
Bearbeiter
Elke Donalies
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