Mehrfachnegation
Die Beobachtungen zu Skopus und Fokus der Negation zeigen, dass Negationen in kommunikativen Ausdruckseinheiten nicht nur syntaktisch verortet sind. Sie können im Verbund mit einer Fokussierung - auch ohne adjazent zum fokussierten Ausdruck positioniert zu sein - an allen Nahtstellen zwischen Operatoren und ihren Operanden ansetzen, soweit sich diese im Skopus der Negation befinden. Bei der Vielzahl möglicher Orte der Negation liegt es nahe zu fragen, ob immer nur eine solche Operation möglich ist oder sukzessive auch mehrere Negationen angewandt werden können.
Aus logischer Sicht ist die Itertion der Negation kein Problem: Eine zweite Negation hebt die erste auf, eine dritte wirkt wieder wie die erste, und so weiter, prinzipiell ohne Ende. Was logisch problemlos ist, macht Sprechern jedoch sehr bald enorme Schwierigkeiten. Bereits zweifache Anwendung der Negation wirkt schwerfällig:
Drei- und vierfache Negation ist kaum noch zu verstehen:
Bestimmte, bei einfacher Negation gegebene Unterscheidungsmöglichkeiten können bei einer Mehrfachnegation nicht berücksichtigt werden. So kann man zwar sagen:
Es gelingt aber nicht, mit nur einem Diktum festzustellen, dass der VfB nicht gegen die Kickers, nicht gegen die Kickers und nicht gegen die Kickers verloren hat.
Echte Mehrfachnegation darf nicht verwechselt werden mit der vor allem umgangssprachlich auftretenden Negationsbetonung durch Gebrauch mehrerer Negationsausdrücke:
(Frankfurter Rundschau, 014.02.1997, S. 3)
Was wie mehrfache Negation aussieht, ist hier tatsächlich einfache Negation, mit viel Emphase vorgebracht.
Die Schwierigkeiten mit Mehrfachnegationen, die selbst Sprachteilhaber haben, die gewohnt sind, mit komplexen Dikta umzugehen, sind sicher nicht auf die Operation der Negation allein zurückzuführen. Diese Operation ist in ihrer Logik sehr transparent. Die Probleme dürften ihre Ursache im Zusammentreffen von Negation, Quantifikation und Fokussierung oder Kontrastierung haben, bei dem sehr schnell eine Art von Komplexität erreicht wird, der wir offenbar nicht mehr gewachsen sind.