Possessiv-Artikel

Possessiv-Artikel im Überblick

Der Possessiv-Artikel drückt eine Zugehörigkeitsrelation zum Sprecher (mein) bzw. zu Sprechergruppen (unser), zum Adressaten (dein/Ihr) bzw. zu Adressatengruppen (euer/Ihr) oder zu einem im voraufgehenden Kontext verbalisierten anderen Gegenstand (sein/ihr) aus.

andere Bezeichnungen

Possessives Determinativ, adjektivisches Possessiv-Pronomen, besitzanzeigendes Fürwort

Bestand und Beispiele

mein-, dein-/Ihr-, sein-/ihr-, unser-, euer-/Ihr-, ihr-

Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort.
Der Bauer verkaufte seine Kühe, weil er für ihre Milch nicht mehr genug Geld bekam.
Fahren Sie bitte Ihren Wagen aus unserer Ausfahrt weg.

Anders als im Deutschen verhalten sich Possessiva im Italienischen nicht wie Determinative, sondern wie Modifikatoren1, d. h. sie können, ebenso wie die Adjektive, sowohl in (prä- und postnominaler) attributiver als auch in prädikativer Position vorkommen; darüber hinaus muss ihnen in pränominaler Position ein Determinativ-Artikel vorausgehen2:

Il mio librovs. il bel libro
Il libro miovs. il libro bello
Il libro è miovs.il libro è bello
Il/questo/quel bel librovs. *mio libro


1 In der von Serianni (1988) vorgenommenen Wortarteneinteilung wird zwischen Possessivadjektiven und Possessivpronomina unterschieden, bei Salvi & Vanelli (2004), die zu den echten Pronomina nur die Personal- und Reflexivpronomina rechnen, wird die Bezeichnung Possessiva bzw. Possessiva mit pronominaler Verwendung verwendet, während Schwarze (1988) die attributiven Possessiva als Postartikel bezeichnet und diese von den Possessivpronomina unterscheidet.

2 Diese Bedingung ist nur in quasi-idiomatischen Phrasen, deren Kopf ein Verwandschaftsname im Singular ist verletzt (Bsp.: mio padre, mia madre, mia sorella).

morphologische Eigenschaften

Das Formenparadigma der Possessiv-Artikel ist verhältnismäßig kompliziert, da es zweifach charaktierisert ist: die Flexionsendungen sind nach Kasus, Numerus und im Singular auch nach dem (Endungs-) Genus, dem determinierten Nomen (Possessum) entsprechend, differenziert. Die lexikalischen Formen sind nach Numerus und (Stamm-) Genus, dem Bezugsausdruck (Possessor) entsprechend, differenziert.

Differenzierung nach dem determinierten Nomen (Endungsgenus)

MASKULINNEUTRUMFEMININPLURAL
NOMINATIVmein Mann mein Kind meine Frau meine Leute
AKKUSATIV meinen Mann mein Kind meine Frau meine Leute
DATIVmeinem Mann meinem Kind meiner Frau meinen Leuten
GENITIVmeines Mannes meines Kindes meiner Frau meiner Leute

Differenzierung nach dem Bezugsausdruck (Stammgenus)

ich suchemeine BrilleSprecher-Pronomen Singular
du suchstdeine BrilleHörer-Pronomen Singular
Sie suchenIhre BrilleHörer-Pronomen Singular, Distanzform
er / der Mann suchtseine Brilleanaphorisches Personalpronomen: maskulin / Nomen maskulin Singular
sie / die Frau suchtihre Brilleanaphorisches Personalpronomen: feminin / Nomen feminin Singular
es / das Kind suchtseine Brilleanaphorisches Personalpronomen: neutrum / Nomen im Neutrum Singular
wir suchenunsere BrillenSprecher-Pronomen Plural
ihr suchteure BrillenHörer-Pronomen Plural, Distanzform
Sie suchenIhre BrillenHörer-Pronomen Plural
sie / die Leute suchenihre Brillenanaphorisches Personalpronomen / Nomen Plural

Der Formenbestand der italienischen Possessiva lässt sich demselben 4-stelligen Paradigma zuordnen, das die Artikel und die Adjektive der ersten Flexionsklasse aufweisen, d. h. die bestimmenden Kategorisierungen sind Genus und Numerus:

mi-o / mi-a/ mie-i /mi-e

Darüber hinaus werden wie im Deutschen je nach Bezugsausdruck verschiedene lexikalische Formen unterschieden, wobei aber nicht nach dem grammatikalischen Genus des Bezugsausdrucks unterschieden wird:

SprecherAdressatAdressat
Distanzform
anderer Bezugsausdruck
Mask. / Fem.
Singular
mi-tu-su-su-
Pluralnostr-vostr-loro
(indeklinabel)
loro
(indeklinabel)

Zu den Possessiva gehört auch proprio/propria/propri/proprie (dt. eigen-), das einerseits, ähnlich wie im Deutschen, zur Verstärkung des Adjektivs dient, andererseits anstelle des Possessivs vorkommen kann, wobei der Bezugsausdruck das Subjekt des Satzes ist:

Anna è andata a prendere sua madre e i propri amici.
Anna hat ihre Mutter und ihre Freunde abgeholt.

syntaktische Eigenschaften

Possessiv-Artikel bilden zusammen mit einem Nomen eine Nominalphrase. Sie regieren wie der indefinite Artikel bei einem nachfolgenden Adjektiv oder nominalisierten Adjektiv schwache Flexion, wenn der Artikel selbst eine markierte Flexionsform hat (meiner, seinem, ihren, unseres) und sie regieren starke Flexion, wenn sie selbst flexivisch unmarkiert sind (mein, dein, Ihr, ihr, unser, euer, Ihr, ihr).


MASKULINNEUTRUMFEMININPLURAL
NOMINATIVmein netter Mann mein nettes Kind meine nette Frau meine netten Leute
AKKUSATIV meinen netten Mann mein nettes Kind meine nette Frau meine netten Leute
DATIV meinem netten Mann meinem netten Kind meiner netten Frau meinen netten Leuten
GENITIV meines netten Mannes meines netten Kindes meiner netten Frau meiner netten Leute


Anders als im Deutschen besteht im Italienischen zwischen Possessivum und nachfolgendem Adjektiv bzw. substantiviertem Adjektiv keine Rektion, vielmehr liegt Kongruenz vor:

Il nostro vero desiderio. / I nostri veri desideri.
Unser wahrer Wunsch. / Unsere wahren Wünsche.

La nostra unica speranza. / Le nostre uniche speranze.
Unsere einzige Hoffnung. / Unsere einzigen Hoffnungen.

semantische und funktionale Eigenschaften

Der Possessiv-Artikel markiert eine Zugehörigkeitsrelation zwischen einer Person, einem Gegenstand oder einem Sachverhalt und dem Sprecher oder Hörer (bzw. Sprecher- oder Hörergruppen) oder zu einem im vorausgehenden Kontext genannten Gegenstand.

Auch im Italienischen drücken Possessiva eine Zugehörigkeitsrelation aus, d. h. sie entsprechen einer aus von + Pronomen bestehenden Präpositionalphrase.

Zum Text

Letzte Änderung
Aktionen
Seite als PDF
Seite drucken
Seite zitieren

Seite teilen