Skalen und Werte
Ereignisse, mit denen man konfrontiert wird, können mehr oder weniger dem entsprechen, was man erwartet oder erhofft hatte. Das kann zu Verwunderung, Überraschung, Beunruhigung, Enttäuschung, Verärgerung oder Freude führen. Diktumsgraduierungen erlauben, solchen Empfindungen kompakt und dosiert Ausdruck zu verleihen. Mittel der Wahl sind dabei geeignete Fokuspartikeln oder fokusbezogene Ausdruckssequenzen.
Die Dimension, in der eine Diktumsgraduierung vorgenommen werden soll, kann - wie bei den folgenden Beispielen - im Rahmen des gegebenen Diktums ausdrücklich angegeben sein:
(Marie-Luise Hauch-Fleck, Missachtet, Die Zeit, Nr. 24, 2004. S. 30)
(www.filmmusik.at/GG/Theaterbegleitung/Josefstadt/Kanari/index.php?PageID=92)
(mypage.bluewin.ch/fledermausschutz-winterthur/wochenstube.html)
(calamity.w3-works.de/index.php?f=./news)
(www.zens.uni-goettingen.de/euroculture/erfahrungsberichte/udine2_2002.pdf)
Bleibt die Dimension - Verwunderung, Überraschung, Beunruhigung, Enttäuschung, Verärgerung, Freude oder dergleichen - ungenannt, muss man sie als Adressat in Kenntnis des Kontexts, der Person des Sprechers bzw. Scheibers und eventuell anhand weiteren Hintergrundwissens selbst bestimmen. Wie man im Übrigen auch selbst herausfinden muss, in welches "Umfeld" da etwas eingeordnet werden soll, im Fall des letzten Beispiels etwa, wer außer Professor Cressati die Vorlesungen hätte abhalten können und was den Umstand, dass er die Vorlesungen abhielt und nicht etwa eine andere Person, zu einem Glücksfall macht.
Allgemein kann festgehalten werden: Man findet die Klasse der Ereignisse, in der einem Ereignis mittels Diktumsgraduierung ein mehr oder weniger hoher Rang zugeordnet wird, indem man von dem ausgeht, was im graduierten Diktum fokussiert wird. Ausgehend von allem, was hier als Alternative infrage käme, lassen sich die Ereignisse konzipieren, die dieser Klasse angehören oder angehören könnten. An dem zur Diktumsgraduierung verwendeten Ausdruck lässt sich dann "ablesen", welche Einstufung vorgenommen wird.
Betrachtet man ein isoliertes Diktum ohne das nötige Hintergrundwissen, ist man im Allgemeinen nicht in der Lage, die Dimension zu erschließen, in der eine gegebene Diktumsgraduierung vorgenommen wurde, und ebensowenig kann man die Klasse der realen und möglichen Ereignisse bestimmen, in der dem infrage stehenden Ereignis ein Stellenwert zugewiesen werden soll. Als kompetenter Sprachteilhaber kann man dennoch einschätzen, welcher Art Einstufung vorgenommen wurde, denn dazu genügt es, die Bedeutung der verwendeten Fokuspartikeln oder fokusbezogenen Ausdruckssequenzen zu kennen. Deren Bedeutung ist nämlich ebenso unabhängig von der Natur dessen, was mit ihr einen Wert zugeordnet erhält, wie die Zahlen einer numerischen Skala, die zur Messung so verschiedener Dinge wie Kosten, Temperaturunterschieden, Druck- oder Lichtverhältnissen genutzt werden kann.
Die Skalierung selbst ist bei Diktumsgraduierungen allerdings anderer Natur als bei numerischen Skalen. Weder finden sich eine gleichschrittige Abstufung noch lassen sich die verfügbaren Wertungen überhaupt sinnvoll in einer einzigen Skala zusammenfassen. Das wird deutlich, wenn man ausgehend von einem geeigneten Satz die entsprechenden Ausdrucksmittel variiert:
Wirklich gemeinsam ist all diesen Graduierungen nicht mehr als, dass sie sich jeweils an einer Art Normalfall orientieren, an dem der vorliegende Fall in dieser oder jener Weise gemessen wird, und dabei ist keineswegs immer von ein und demselben Normalfall auszugehen.
Nur, wenn Ereignisse in einen kontrastiven Zusammenhang gebracht werden, können die jeweiligen Diktumsgraduierungen als Werte auf ein und derselben Skala betrachtet werden. So etwa hier:
(Tiroler Tageszeitung, 10.01.1997, Österreich ist nach wie vor teures Pflaster)
(St. Galler Tagblatt, 14.07.1997)
(Frankfurter Allgemeine, 1995)
Man kommt deshalb nicht umhin, die Bedeutungen der für Diktumsgraduierungen verfügbaren Ausdrucksmittel Wort für Wort bzw. Sequenz für Sequenz zu betrachten, wie dies hier geschieht:
Zur Bedeutung von Fokuspartikel und fokusbezogenen Ausdruckssequenzen