Konjunktorverwendungen mit nur einem Konnekt

Konjunktoren können, statt auf eine konkrete Äußerung, auch auf außersprachlichen Situationskontext Bezug nehmen. Das hat zur Folge, dass Konjunktoren auch ohne zwei lautlich realisierte Konnekte auftreten können.

1. Weglassung des externen ersten Konnekts

Konjunktorverwendungen ohne externes Konnekt finden sich beispielsweise bei Buchtiteln oder Songanfängen, die ritualisierte literarische Ausdrucksweisen sind.

Und ewig singen die Wälder
Und sagte kein einziges Wort
Und der Haifisch, der hat Zähne

Hier wird das externe Argument der Konjunktorbedeutung unbestimmt gelassen. Der Fall ähnelt dem bestimmter Verben, Adjektive und Nomina, deren Bedeutung zwar mehr als ein Argument hat, bei denen es aber möglich ist, ein Argument semantisch nicht über das hinaus zu spezifizieren, was für die Ausdrücke an Restriktionen für ihre möglichen Argumente im Lexikon festgelegt ist, etwa wie in Lucie isst gerne.

In anderen Fällen ist das durch das weggelassene interne Konnekt des Konjunktors Bezeichnete nicht unbestimmt, sondern jeweils ein spezifischer Sachverhalt.

Eine Person A legt einer Person B wortlos Kartoffeln auf den Teller.
A: Oder möchtest du keine Kartoffeln?

Eine Person A öffnet die Tür und lässt eine Person B. mit den Worten hinaus:
Und komm nicht so spät nach Hause!

Dieser spezifische nicht sprachlich ausgedrückte Sachverhalt ist im ersten Beispiel die Tatsache, dass A dem B Kartoffeln auf den Teller gelegt hat. Eine sprachliche Realisierung dieses Faktums, etwa in Form einer Äußerung A's "Ich lege dir Kartoffeln auf den Teller" wäre hier nicht angemessen, weil evident, ininformativ. In solchen Fällen situativer Ellipsen ist der Konjunktor nicht von einem Konnekt begleitet, das dieses Evidente bezeichnet. Dies folgt aus einer pragmatischen Maxime sprachlichen Handelns, die besagt, dass nicht mehr gesagt werden sollte, als gesagt werden muss - der "Maxime der Quantität" von Grice 1975, 67.

2. Weglassung des internen zweiten Konnekts

Die Familie ist ehrenamtlich sehr aktiv: Der Vater ist im Elternbeirat, der Sohn engagiert sich im Kleintierzüchterverein, die Tochter ist Schatzmeisterin im Karnevalsclub, die Mutter leitet eine Selbsthilfegruppe und, und, und ...

In diesem Beispiel muss die Konjunktorenreihung und, und, und als gleichbedeutend mit 'und sie engagieren sich noch auf andere Weise ehrenamtlich' interpretiert werden.

Im nächsten Beispiel ist die Verwendung von oder? zu interpretieren als 'Oder hast du das nicht gewusst?' Dabei ist die Interpretation an die Art der Konjunktorverwendung gebunden, nämlich an die zweimalige Repetition von und mit stufenweise fallender Intonation beziehungsweise daran, dass dem Konjunktor oder eine Behauptung des Sprechers vorangeht und die Äußerung aufgrund der steigenden Intonation des Konjunktors als Frageäußerung zu interpretieren ist.

Das hast du doch gewusst, oder?

3. Konjunktorverwendungen ohne internes und externes Konnekt

Neben solchen Konjunktorverwendungen, in denen eines der Konnekte weggelassen ist, gibt es auch Verwendungen, in denen beide Konnekte weggelassen sind.

Ein Prüfling verlässt nach einer Prüfung den Prüfungsraum, und seine Mitprüflinge stürzen sich auf ihn mit der Frage:
Und?

Die Frage Und? ist hier ungefähr als 'Und wie ist die Prüfung ausgegangen?' zu interpretieren, wobei das erste Konnekt von und situativ gestützt weggelassen ist, da seine Äußerungsbedeutung evident ist, nämlich, dass der Adressat der Frage soeben aus der Prüfung kommt. Diese Frage ist es, die durch die Verwendungssituation von und ebenfalls nahe liegt und deshalb weggelassen wurde. Solche hochgradig kontextabhängigen Weglassungen beider Konnekte sind allerdings selten und lassen sich auch nur bei einigen wenigen Konjunktoren beobachten.

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Autor(en)
Eva Breindl
Bearbeiter
Elke Donalies
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