Konjunktorverwendungen mit elliptischen Konnekten

Die Konnekte eines Konjunktors müssen nicht Sätze sein, sondern können auch Konnekte als Ergebnisse von Weglassungen aus Satzstrukturen sein, in denen Phrasen beliebigen syntaktischen Formats koordiniert sein können.

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Das Fangen der Beute dauert bei Löwen nur Minuten, ja oft lediglich Sekunden.

Besonders bei parataktischer Verknüpfung können die Konnekte jedoch auch von beachtlicher syntaktischer Komplexität sein. Sie können jeweils mehr als eine kommunikative Minimaleinheit umfassen. Wie viele kommunikative Minimaleinheiten zusammen jeweils ein Konnekt bilden, hängt davon ab, wie viele kommunikative Minimaleinheiten sich in direkter Abfolge - vor oder nach dem Konjunktor - unter einer Gemeinsamen Einordnungsinstanz (GEI) zusammenfassen lassen. Für die Frage, wie groß die Reichweite der Bedeutung eines Konjunktors in dieser Art von Konstruktionen ist, ist neben der GEI auch die Verträglichkeit der Konnektbedeutungen mit den Forderungen entscheidend, die der jeweilige Konjunktor an die Bedeutungen seiner Konnekte stellt. GEI und Verträglichkeit mit dem Konjunktor ergeben zusammen eine Wohlgeformtheitsbedingung für koordinative Konjunktorkonstruktionen.

Wenn in einem komplexen Ausdruck - und dazu gehören auch ganze Texte - nur das als Konnekt eines Konjunktors zählen soll, was semantisch mit dem Konjunktor und dem anderen Konnekt verträglich ist, erhebt sich die Frage, was im folgenden Fall die Konnekte von und beziehungsweise oder sind und ob diese dann als miteinander koordiniert zu betrachten sind:

Dieser Schurke - und ein Schurke ist er- hat noch nicht mal eine Geldstrafe aufgebrummt bekommen. Dieser Schurke - oder ist er etwa kein Schurke - hat noch nicht mal eine Geldstrafe aufgebrummt bekommen.

Dieser Schurke scheidet im ersten Beispiel als erstes Koordinat von und beziehungsweise oder aus, weil es in der Konstruktion nichts gibt, was dieselbe syntaktische Funktion ausübt wie dieser Schurke und nichts, was Sukzessor für aus dieser Schurke Weggelassenes sein könnte. Die Ketten ein Schurke ist er hat noch nicht mal eine Geldstrafe aufgebrummt bekommen beziehungsweise ist er etwa kein Schurke? hat noch nicht mal eine Geldstrafe aufgebrummt bekommen scheiden als zweites Konnekt aus, weil sie weder einen Satz, noch einen Ausdruck bilden, der Ergebnis einer koordinativ gestützten Weglassung sein kann.

Eine mit allgemeinen Prinzipien der Koordination und Konnexion verträgliche Analyse wäre dagegen diese: Das zweite Konnekt von und ist ein Schurke ist er, und dies ist zusammen mit dem Konjunktor in die Linearstruktur des ersten Konnekts dieser Schurke hat noch nicht mal eine Geldstrafe aufgebrummt bekommen integriert. Die Analyse wirft jedoch ein Problem auf: Wenn das angenommene zweite Konnekt dem angenommenen ersten Konnekt folgt, findet eine Verschiebung in der Interpretation statt.

Dieser Schurke - und ein Schurke ist er - hat noch nicht mal eine Geldstrafe aufgebrummt bekommen.
Dieser Schurke hat noch nicht mal eine Geldstrafe aufgebrummt bekommen, und ein Schurke ist er.

Der Grund ist, dass sich die Bedeutung von und ein Schurke ist er ausschließlich auf den Akt der Prädikation bezieht, die mit der Bezeichnung des Denotats von dieser Schurke als Schurke vollzogen wird. Das Nomen Schurke in der Nominalphrase dieser Schurke ist Ausdruck einer Proposition, die man auch so ausdrücken könnte: der ein Schurke ist. Im Unterschied zu dem Ausdruck Dieser ist ein Schurke ist in der Nominalphrase dieser Schurke die Proposition allerdings gegenüber der Proposition, die Dieser Schurke ... hat noch nicht einmal eine Geldstrafe aufgebrummt bekommen ausdrückt, zur Neben-Information herabgestuft.

Parenthetische Verwendungen

Solche in einem Satz vor dessen Ende unmittelbar auf eine Nominalphrase folgende Verwendungen von und und oder mit einem ihnen unmittelbar folgenden nicht subordinierten Satz, dessen Inhalt sich auf eine mit der Verwendung der Nominalphrase ausgedrückte Proposition bezieht, nennen wir parenthetisch. In solchen Verwendungen erfüllt weder der Konjunktor, noch das ihm folgende Konnekt alle für Konjunktoren anzulegenden Kriterien, weil es nichts gibt, womit die betreffende Konfiguration eine koordinative Konstruktion bilden kann: Parenthetische Verwendungen von Konjunktor-Konfigurationen sind nichtkoordinative Verwendungen von Konjunktoren. Da wir nichtrestriktive Verwendungen von Nomina in Nominalphrasen als kommunikative Minimaleinheiten ansehen, analysieren wir solche Konjunktorverwendungen als parataktisch. Sie stellen Verknüpfungen kommunikativer Minimaleinheiten dar, d. h. Verknüpfungen auf der Ebene der Illokutionen. In ihnen kommt zum Ausdruck, dass die Person, auf die dieser weist, vom Sprecher als Schurke beschrieben wird und mit dieser Beschreibung wird mittels und die Behauptung verknüpft, dass die beschriebene Person in der Tat ein Schurke ist.

Unter den Konjunktoren können nur und und oder parenthetische parataktische Verknüpfungen herstellen. Solche Verknüpfungen finden sich auch bei Begründungs-denn und manchen Verwendungen von weil, wobei, obwohl und während vor einem nichtsubordinierten Satz sowie bei konnektintegrierbaren Konnektoren wie aber und doch, wenn sie vor ihrem zweiten Konnekt stehen. Die Möglichkeit parenthetischer Verwendungen muss bei den betreffenden Einheiten im Lexikon vermerkt werden.

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Autor(en)
Eva Breindl
Bearbeiter
Elke Donalies
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