Syntaktisch selbständige Subjunktorphrasen

Nur wenige Subjunktoren können Subjunktorphrasen bilden, die auch ohne lautlich realisiertes, d. h. weggelassenes, aber rekonstruierbares, externes Konnekt selbständig verwendet werden können. Es sind dies die Subjunktoren

als ob
als wenn
wenn

In selbständiger Verwendung haben diese Subjunktorphrasen keine syntaktische Funktion bezüglich eines anderen Ausdrucks

1. Subjunktorphrasen mit als ob, als wenn

Als ob und als wenn können hier rhetorisch (wie rhetorische Fragen) mit der Äußerungsbedeutung eines negativen Urteils verwendet werden.

An anderer Stelle spricht er von der Ablösung des "philosophischen Zeitalters", des 18. Jahrhunderts nämlich, durch das "naturwissenschaftliche Zeitalter", das 19. Jahrhundert. Als ob je Philosophie durch Naturwissenschaft ersetzt werden könnte! (Bamm 1956, 110)
= Niemals kann Philosophie durch Naturwissenschaft ersetzt werden.

Ich hab' keine Minute lang daran geglaubt, daß Sie ein Mörder sind. So ein Unsinn!. Als wenn Sie es je nötig hatten, gegen einen Mann zuerst zu ziehen! (Pegg 1971, 50)
= Sie hatten es nie nötig, gegen einen Mann zuerst zu ziehen.

2. Subjunktorphrasen mit wenn

Für alle Subjunktorphrasen mit wenn gilt, dass das interne Argument eine Bedingung identifiziert und das externe Argument eine Folge dieser Bedingung. Dies gilt auch für die selbständigen Verwendungen von wenn-Phrasen. Ansonsten kann für Letztere Unterschiedliches als Äußerungsbedeutung abgeleitet werden.

2.1. Selbständige wenn-Phrasen als Wunschausdrücke

Selbständige Verwendungen von wenn-Phrasen mit einem finiten Verb im Konjunktiv Präteritum oder Konjunktiv Plusquamperfekt und einer Partikel doch, bloß oder einer Partikelkombination doch nur, doch bloß können als Ausdrücke des Wunschmodus interpretiert werden.

Wenn ich doch nur die Kraft hätte, Peter! (Domenica 1994 in SDR 3 Leute)
= Ich wünschte, ich hätte die Kraft.

Wenn ich doch nur wüsste, wo meine Brille ist!
=Ich wüsste gar zu gerne, wo meine Brille ist.

Wenn ich doch bloß besser hingehört hätte!
= Ich wünschte, ich hätte besser hingehört.

2.2. Ausdruck einer Vermutung des Gegenteils

Eine andere Möglichkeit der Interpretation selbständiger wenn-Phrasen ist die als Ausdruck einer nicht ganz entschiedenen Vermutung des Gegenteils des propositionalen Gehalts des internen Konnekts. Diese Interpretation ist abzuleiten, wenn das interne Konnekt den Ausdruck mal und einen Negator enthält. In Verwendungen von wenn-Phrasen wie diesen muss die durch das interne Konnekt bezeichnete Bedingung ebenfalls als nicht erfüllt interpretiert werden.

Da hat wieder wer von den Keksen genascht. Wenn das mal nicht der Peter war!
= Das war möglicherweise der Peter.

Wenn das mal gut geht!
= Das geht vermutlich nicht gut.

2.3. Ausdruck einer Unmutsbekundung

In den folgenden Verwendungen muss die bezeichnete Bedingung als erfüllt angesehen werden. Dies liegt am vorausgehenden obligatorisch sprachlichen Kontext und wird auch durch schon im internen Konnekt ausgedrückt. Deshalb kann als Konsequenz eine Bekundung des Unmuts über den vom externen Argument identifizierten (nicht näher spezifizierten) Sachverhalt abgeleitet werden.

A.: Ich habe solchen Appetit auf was Süßes.
B.: Wenn ich das schon höre!

Da kommt Peter.
Wenn ich den schon sehe!

Die Interpretation ist hier weitgehend idiomatisch: Die einzelnen Interpretationstypen ergeben sich aus dem Zusammenspiel der Bedeutung von wenn, dem Verbmodus des internen Konnekts und der Bedeutung der Partikeln doch, nur, bloß, mal und schon sowie der Tatsache, dass kein externes Konnekt geäußert wird.

2.4 Situativ-elliptische Verwendung

A.: Ich habe eine Trauerweide gepflanzt.
B.: Wenn das deine Großmutter wüsste!

A.: Gestern war Karl hier.
B.: Wenn das Hans gewusst hätte!

Peter will im Garten Geld vergraben.
Wenn das jemand sieht!

Da hat doch wieder einer von den Keksen genascht.
Wenn ich den kriege!

Hier erfüllt das interne Konnekt nicht die Bedingungen für Wunschausdrücke und die aus der Bedeutung von wenn zu interpretierende Konsequenz bleibt unterspezifiziert. Sie kann entweder positiv oder negativ sein, d. h. ist als erwünscht oder unerwünscht zu interpretieren. So kann etwa das erste Beispiel fortgesetzt werden durch dann würde sie sich riesig freuen oder durch dann würde sie sich ganz schön ärgern. Solche Verwendungen von wenn-Phrasen wirken in Bezug auf ihren konzeptuellen Kontext elliptisch. Ihre konzeptuelle Interpretation muss durch den (rein situativen oder auch sprachlichen) Verwendungskontext komplettiert werden. Die Äußerung dieser Konstruktionen wirkt als Andeutung einer Konsequenz, die im Dunkeln gelassen wird. Oft hört man folglich auf Äußerungen wie diese Reaktionen wie

Ja und? Was wäre dann?
Was wäre dann gewesen?

2.5. Verwendung nach Sprecherwechsel

Selbständige Subjunktorphrasen sind auch nach einem Sprecherwechsel möglich: Ihr externes Konnekt kann von einem anderen als dem Sprecher der Subjunktorphrase unmittelbar zuvor geäußert worden sein,

A.: Ich habe schon wieder zugenommen.
B.: Weil du zuviel isst.

A.: Wann kommst du?
B.: Wenn ich fertig bin.

Wenn eine Deklarativsatzäußerung, an die sich die Äußerung einer Subjunktorphrase anschließt, mit fallender Intonationskontur erfolgt - und dies ist in Sequenzen mit Sprecherwechsel bei Deklarativsätzen der Normalfall -, verhalten sich solche Verwendungen von Subjunktorphrasen parataktisch. Auch in diesen Fällen liegt syntaktische Selbständigkeit der Subjunktorphrase vor. Die Subjunktorphrasen können allerdings auch als sprachlich gestützte Ellipsen angesehen werden, da es prinzipiell möglich ist, das vom Vorredner Ausgedrückte, auf das sich die Subjunktorphrase semantisch bezieht, als externes Konnekt wiederaufzunehmen, hier z. B. als Du hast wieder zugenommen und als Ich komme.

Literatur in Auswahl

Oppenrieder 1989a, Oppenrieder 1989b.


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Autor(en)
Eva Breindl
Bearbeiter
Elke Donalies
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