Zur Bedeutung präpositional angeschlossener Attribute
- Die Wirkungsweise präpositional angeschlossener Attribute
- Prinzipiell mehrdeutige präpositional angeschlossene Attribute
- Regierte und freie präpositional angeschlossene Attribute
- Restriktiver und nicht-restriktiver Gebrauch präpositional angeschlossener Attribute
Die Wirkungsweise präpositional angeschlossener Attribute
Attribute, die an eine Nominalphrase präpositional angeschlossen wurden, wirken - wie auch Genitivattribute und anders als adjektivische Attribute - stets spezifizierend. Auf jeden Gegenstand, auf den die so erweiterte Nominalphrase zutrifft, tritt zugleich die nicht erweiterte Phrase zu: Jedes Haus aus Holz ist insbesondere auch ein Haus, jedes Stück Apfelkuchen mit Sahne ist insbesondere auch ein Stück Apfelkuchen, jede Fahrt ins Blaue ist insbesondere auch eine Fahrt.
Gemeinsam ist präpositional angeschlossenen Attributen und Genitivattributen auch, dass zwischen dem Attribut und dem, worauf es angewandt wird, grundsätzlich ganz verschiedene inhaltliche Beziehungen bestehen können:
(die tageszeitung, 24.01.1994, S. 26)
(die tageszeitung, 24.12.1993, S. 3)
(die tageszeitung, 18.12.1991, S. 9)
(Berliner Zeitung, 31.01.1998, S. 8)
(St. Galler Tagblatt, 21.11.1998, «Ärzte» und die Sache mit der Zensur)
(Gabriele Gast in SWF Leute, 1999)
(Die ZEIT, 25.01.1985, S. 14)
(www.wer-weiss-was.de/theme50/article2640860.html)
Formt man als kompetenter Sprachteilhaber, was hier mit den markierten Nominalphrasen zum Ausdruck gebracht wird, in entsprechende Sätze oder Teilsätze um, dann wird deutlich, von welcher Art Bedeutungsbeziehung jeweils auszugehen ist:
a. | die Ausgliederung aus der früheren Verwaltung für Wissenschaft und Kunst | ... gliedert ... aus der früheren Verwaltung für Wissenschaft und Kunst aus |
b. | Mao-Büsten aus Plastik | (die) Mao-Büsten sind aus Plastik |
c. | eine Koalition aus fünf Parteien | (die) Koalition setzt sich zusammen aus oder besteht aus fünf Parteien |
d. | gemeinschaftlicher Mord aus Habgier | dass sie gemeinschaftlich einen Mord begingen, weil sie habgierig waren |
e. | die drei Jungs aus Berlin | die drei Jungs kommen/stammen aus Berlin |
f. | Material aus meinem Arbeitsgebiet im Bundesnachrichtendienst | das Material stammt aus meinem Arbeitsgebiet im Bundesnachrichtendienst |
g. | der Umweltschocker aus dem Jahr 1973 | der Umweltschocker stammt aus dem Jahr 1973 |
h. | Koeffizienten aus der Menge der reellen Zahlen R | die Koeffizienten sind aus der Menge der reellen Zahlen R zu entnehmen |
Bei Fall
- entspricht die Basisphrase einer Verbgruppe, das Attribut einem von dieser regierten Präpositivkomplement
- entspricht die Basisphrase dem Subjekt, das Attribut einem Prädikativkomplement zu dem ausdruckseitig nicht realisierten Kopulaverb sein
- entspricht die Basisphrase dem Subjekt, das Attribut dem Präpositivkomplement einer ausdruckseitig nicht realisierten Verbgruppe (besteht oder setzt sich zusammen), der die Präposition aus fordert
- entspricht die Basisphrase einem Propositionsausdruck, das Attribut einem Supplement, mit dem eine Kausalspezifikation realisiert wird
- entspricht die Basisphrase dem Subjekt einer ausdruckseitig nicht realisierten Verbgruppe (stammen oder kommen), das Attribut dem Präpositivkomplement, mit dem eine Herkunftsbestimmung gegeben wird
- entspricht - wie im Fall (e) - die Basisphrase dem Subjekt einer ausdruckseitig nicht realisierten Verbgruppe (stammen oder kommen), das Attribut dem Präpositivkomplement, mit dem eine Herkunftsbestimmung gegeben wird, die jedoch in übertragenem Sinn zu verstehen ist, weil der Ort, von dem das Material stammen oder kommen soll, kein räumliches, sondern ein institutionelles Objekt ist
- entspricht - wie im Fall (e) - die Basisphrase dem Subjekt einer ausdruckseitig nicht realisierten Verbgruppe (stammen oder kommen), das Attribut dem Präpositivkomplement, mit dem eine Herkunftsbestimmung gegeben wird, die jedoch nicht räumlich, sondern zeitlich zu verstehen ist
- entspricht die Basisphrase dem Subjekt einer ausdruckseitig nicht realisierten Verbgruppe (sind zu entnehmen oder sind entnommen), das Attribut dem von dieser regierten Präpositivkomplement, das den Bereich bestimmt, aus dem etwas entnommen wird
Bleibt als Problem, ob sich für solche intuitiven Umformungen Regeln bestimmen lassen. Eine schematisch anzuwendende Lösung gibt es hier nicht, denn in der kompakten Form der Nominalphrase fehlt jeglicher formgestützte Hinweis auf die Dimension, in der ein präpositional angeschlossenes Attribut spezifizierend wirkt. Dennoch bleibt man bei der Interpretation solcher Attribute nicht völlig auf eigene Sinnfindung angewiesen. Das Erste, an was man sich halten kann, ist die vorliegende Präposition selbst. Diese liefert zwar, wie die Beispiele zu aus zeigen, nicht immer kraft ihrer Bedeutung einen eindeutigen Hinweis darauf, wie das Attribut zu verstehen ist, doch kann man davon ausgehen, dass die Interpretation stets im Rahmen der Funktionen zu finden sein muss, die entsprechende Präpositionalphrasen auch auf Satzebene erfüllen könnten. Das scheint noch nicht viel, doch führt es immerhin zu merklicher Einschränkung. So kann etwa ein mittels aus angeschlossenes Attribut nicht im Sinn all der anderen Spezifikationen verstanden werden, die grundsätzlich bei präpositional angeschlossenen Attributen in Frage kämen, beispielsweise nicht, wie die folgenden - mittels bei angeschlossenen - Attribute, im Sinn einer Geltungsrestriktion:
(Berliner Zeitung, 12.05.2004, S. 21)
einer Umstandsspezifikation:
(LBC, S. 295 , Sprecher: Heinrich Böll)
einer Ortsspezifikation:
(die tageszeitung, 19.08.1989, S. 4)
oder Zeitspezifikation:
(die tageszeitung, 18.09.1991, S. 23)
Die weiter gehende Festlegung, welcher Art Spezifikation in einem gegebenen Fall anzunehmen ist, kann freilich nur unter Berücksichtigung allgemeinen Weltwissens sowie speziellen Situations- und Hintergrundwissens begründet werden. Da Gesprächspartner in der Regel gemeinsam über das erforderliche einschlägige Wissen verfügen, kommt dieses als elementare Voraussetzung für eine erfolgreiche Interpretation derartiger Attribute nur selten in Blick. Ausgeschlossen sind Fehlinterpretationen allerdings nicht: Wer etwa Turmalin für eine Kleinstadt in Brandenburg hält, wird sich vermutlich darüber wundern, dass es dort eine Großtierhandlung gibt, wenn ihm jemand erzählt, er habe sich einen Elefanten aus Turmalin gekauft.
Prinzipiell mehrdeutige präpositional angeschlossene Attribute
Auf vergleichsweise viele Interpretationsmöglichkeiten, wie sie bei Attributen festzustellen sind, die mittels aus oder bei angeschlossen wurden, trifft man im Deutschen nur bei solchen Attributen, die mittels so genannter primärer Präpositionen angeschlossen wurden. Im Einzelnen sind das folgende:
Das Gros der deutschen Prä- und Postpositionen sind sog. sekundäre Präpositionen. Viele dieser Ausdrücke sind zwar als Wörter durchaus mehrdeutig, doch in der Funktion als Präposition stets eindeutig zu verstehen. Hier nur einige Beispiele:
(die tageszeitung, 30.05.1990, S. 18)
(die tageszeitung, 27.06.1988, S. 4)
(die tageszeitung, 13.09.1996, S. 21)
(St. Galler Tagblatt, 22.11.1997, Liberalisierung des Strommarktes als Ziel)
(Vorarlberger Nachrichten, 26.01.1999, BLICKPUNKTE)
(Gottfried Keller: Der grüne Heinrich. Deutsche Literatur von Lessing bis Kafka, S. 109351. http://www.digitale-bibliothek.de/band1.htm)
Mehr zu den formalen Eigenschaften und Bedeutungen der verschiedenen sekundären Präpositionen findet sich im Wörterbuch der Präpositionen.
Regierte und freie präpositional angeschlossene Attribute
Durch Attribute erweiterte Nominalphrasen sind aus semantischer Sicht generell als Operator-Operand-Strukturen zu begreifen. Stets findet sich eine Basis-Komponente und eine Komponente, die auf jene anzuwenden ist. Welche Ausdruckskomponente - Attribut oder Basisphrase - dabei welche Funktion hat, kann jedoch nicht allgemein bestimmt werden. Es kann sein, dass der Basisphrase
- die Rolle eines Ausdrucks für ein Prädikat zukommt
oder
- die Rolle eines Ausdrucks für ein Argument.
Bei präpositional angeschlossenen Attributen finden sie beide Formen. Der erste Fall - Basisphrase-Prädikat, Attribut-Argument - liegt immer dann vor, wenn die Präposition, über die das Attribut anzuschließen ist, vom Kopfnomen der zu erweiternden Nominalphrase bestimmt - technisch ausgedrückt: regiert - wird. Attribute dieses Typs zeichnen sich dadurch aus, dass die - stets primäre - Präposition in dieser Verbindung nur eine technische Funktion erfüllt, vergleichbar mit der Funktion eines Kasus, jedoch keinen eigenständigen Beitrag zur Bedeutung des Attributs leistet. Anders als die Präpositionen nicht regierter Attribute sind diese Präpositionen in der gegebenen Verbindung ohne Alternative. So kann zwar der Ort, an dem sich ein Haus befindet, mittels so verschiedener Attribute wie an einer Straße, auf einem Berg, bei einer Kirche, neben einer Apotheke, hinter einem Wäldchen, in einem Tal oder jenseits des Flusses spezifiziert werden, doch die Erinnerung an etwas immer nur mittels eines mit an angeschlossenen Attributs.
Einige Beispiele regierter präpositional angeschlossener Attribute:
(Ludgera Vogt in SWR2 Aula: Bildung für Bürger, Februar 2006)
(Mannheimer Morgen, 13.06.1998, Willys Trick mit dem Gute-Laune-Eis)
(Ulrich Wickert, 1999 in SWR1, Best of Leute)
(Züricher Tagesanzeiger, 15.10.1997, S. 8)
(Michael Ecklebe in 40 Tage im Herbst, SWR1, 1999)
(Berliner Zeitung, 24.08.2001, S. 4)
(Aufruf von Bertolt Brecht gegen die Wiederbewaffnung Westdeutschlands, 1952)
(Heinrich Böll, Nicht nur zur Weihnachtszeit, gelesen von Franz-Josef Antwerpes)
Nur eine technische Funktion — vergleichbar der des Genitivs — ohne deshalb auch regiert zu sein, erfüllt auch die Präposition von in Verbindungen, wie sie in diesen Sätzen vorliegen:
(Stefan Siller in Best of Leute '99, SWR1, 2000)
(Berliner Zeitung, 24.06.1999, S. 6)
Im zweiten Fall — Basisphrase-Argument, Attribut-Prädikat — hängt die Möglichkeit, eine entsprechende Attribution vorzunehmen, formal nicht vom Kopfnomen der Phrase ab, sondern unterliegt allenfalls sachbedingten Beschränkungen. Bei Attributionen dieser Art bestimmt die Wahl der Präposition die Bedeutung des Attributs, zwar nicht immer eindeutig, aber immer im Rahmen der Spezifikationen, die mit der entsprechenden Präpositionalphrasen grundsätzlich vorgenommen werden können. Dabei kommen bei primären Präpositionen zwar mehrere Dimensionen der Spezifikation in Frage, doch die Anzahl der überhaupt gegebenen Dimensionen ist in jedem Fall weit geringer als die Zahl verfügbarer Präpositionen. Im Wesentlichen handelt es sich um diese Dimensionen - wobei sich die Feststellung, dass diese oder jene Dimension anzunehmen ist, stets auf eine Auswertung von lexikalischem Wissen, allgemeinem und speziellem Hintergrundwissen und Kenntnis des gegebenen Kontext zu stützen hat:
- Spezifikation hinsichtlich der räumlichen Befindlichkeit
- Spezifikation hinsichtlich des Zeitpunkts oder Zeitraums
- Spezifikation hinsichtlich der Dauer
- Spezifikation hinsichtlich der Richtung
- Spezifikation hinsichtlich der Herkunft oder Quelle
- Spezifikation hinsichtlich der Beschaffenheit
- Spezifikation hinsichtlich der nicht realisierten Alternative
- Spezifikation hinsichtlich des Grundes, der Ursache oder des Motivs (Kausalspezifikation)
- Spezifikation hinsichtlich des Ziels, des Zwecks oder der Absicht (Finalspezifikation)
- Spezifikation hinsichtlich des Betroffenen, Nutznießers oder Geschädigten
- Spezifikation hinsichtlich des Bezugsobjekts oder Bezugsereignisses
- Spezifikation hinsichtlich der Begleitumstände
- Spezifikation hinsichtlich Zusätzlichem oder Fehlendem
- Spezifikation hinsichtlich der angewandten Mittel
- Spezifikation hinsichtlich der Art und Weise
- Spezifikation hinsichtlich einer Bedingung
- Spezifikation durch Zuordung zu einer Quantität
Die Spezifikation von Nominalphrasen mittels präpositional angeschlossener Attribute muss nicht auf ein Attribut pro Basisphrase beschränkt bleiben. Wo die Spezifikation verschiedene Dimensionen betrifft, können durchaus auch zwei Attribute gewissermaßen parallel auf eine Basisphrase angewandt werden, sofern, wie bei den folgenden Beispielen, eine sequentielle Interpretation nicht in Frage kommt:
(die tageszeitung, 05.09.1986, S. 6)
(die tageszeitung, 28.09.1988, S. 9)
Wenn zwei Attribute jedoch dieselbe Dimension betreffen oder das zweite ebenso gut zur Spezifikation des ersten dienen könnte, dann kann das zweite Attribut auch als Erweiterung der ersten Attributphrase interpretiert werden, sofern nicht, wie beim dritten der folgenden Beispiele, allgemeine Wissenshintergründe dagegen sprechen:
(www.bettensuche.de/suchen/zeige_stadt_14_Alpen.html)
(www.geotvkiel.uni-kiel.de/index.htm?/film_start.htm)
Restriktiver und nicht-restriktiver Gebrauch präpositional angeschlossener Attribute
Präpositional angeschlossene Attribute werden in aller Regel dazu eingesetzt, Gegenstandsbestimmungen so zu gestalten, dass ein Hörer oder Leser unter den gegebenen Bedingungen in die Lage versetzt wird zu erkennen, wovon genau die Rede sein soll. Man spricht bei solcher Verwendung von einem restriktiven Gebrauch des Attributs. Anders als Genitivattribute, die ausschließlich in dieser Weise zu gebrauchen sind, können präpositional angeschlossene Attribute jedoch unter bestimmten Bedingungen auch nicht-restriktiv eingesetzt werden, wie sich bei diesen Beispielen zeigt:
(die tageszeitung, 21.06.1990, S. 14)
(St. Galler Tagblatt, 21.10.2000, Wenn Fahnen wehen in Waldkirch)
(die tageszeitung, 18.11.1991, S. 16)
Bei keinem dieser Beispiele führt die Verwendung des präpositional angeschlossenen Attributs zu einer Einschränkung dessen, was bereits mit der nicht erweiterten Nominalphrase zu erreichen wäre, und das hat einen simplen Grund: Die Gegenstandsbestimmung war hier bereits ohnedies eindeutig.