Zur Bedeutung von Attributsatzen

Mit der Verwendung von Satzen als Attributen in Nominalphrasen wird es moglich, neben Eigenschaften von und Beziehungen zwischen Gegenstanden auch Beschreibungen von Ereignissen, Zustanden und sonstigen Sachverhalten zur Verfeinerung von Gegenstandsentwurfen zu nutzen oder zu diesen zusatzlich "Hintergrundinformationen" zu liefern. So kann etwa der Umstand, dass sich etwas Bestimmtes ereignet hat, herangezogen werden, um genauer zu bestimmen, wovon die Rede ist:

Die OBB raumen ein, da? es beim Unfall vergangene Woche Probleme beim Funkverkehr gegeben habe ausgelost durch einen Blitzschlag, der einige Tage zuvor einen Computer beschadigt habe.
(Tiroler Tageszeitung, 29.08.1996, Brandbekampfung in Eisenbahntunnels)
"Im November haben wir an der Havel sogar ein abgestelltes Motorboot gefunden, aus dem Ol ausgelaufen war", sagt Wille.
(Berliner Zeitung, 09.01.1999, S. 22)

Auch Bestimmungen von Zeitpunkten oder Zeitraumen konnen mit Hilfe geeigneter Attributsatze prazisiert werden:

Die Wahl des ersten "Alteren Burgermeisters", Johann Wilhelm Metzler, fiel in das denkwurdige Jahr, in dem "der nunmehrige Herr Geheimrat und Staatsminister von Goethe zu Weimar das hiesige Burgerrecht aufgegeben" hatte.
(Frankfurter Rundschau, 19.06.1998, S. 27)
Just in der Woche, als der untergetauchte Super-Bankrotteur die Schlagzeilen beherrschte, bejubelte das Magazin Schneider ("geschatztes Vermogen: acht Milliarden Mark") als spendierfreudigen Mazen.
(die tageszeitung, 09.10.1996, S. 16-17)

Zwei Beispiele von "Hintergrundinformation" in Form von Attributsatzen:

Letztlich scheiterte Wolf auch mit seiner jahrelangen Kampagne gegen Herbert Wehner, von dem er wider besseres Wissen behauptete, er habe im schwedischen Exil der Gestapo in die Hande gespielt.
(Berliner Zeitung, 24.12.1999, S. VIII)
Meine Tochter, sie war damals siebzehn, hat's seither mit den Nerven.
(die tageszeitung, 16.10.1992, S. 11)

Bestimmende Faktoren

Attributsatze ? schon formal betrachtet keine einheitliche Klasse ? konnen dabei verschieden geartete Beitrage zur Bedeutung der erweiterten Phrasen leisten. Welcher Art ihr Bedeutungsbeitrag jeweils sein kann, hangt entscheidend davon ab, in welcher semantischen Beziehung der Attributsatz zu der Nominalphrase steht, zu der er hinzutritt, und dabei insbesondere zu dem Nomen, das den Kopf dieser Phrase bildet. Dies wiederum ist abhangig von

Zum Typ des Attributsatzes

In Frage kommen dafur prinzipiell diese Satztypen:

Bestimmte Typen von Attributsatzen konnen zu beliebigen Nominalphrasen hinzutreten, andere Typen sind nur in Verbindung mit Nomina bestimmter semantischer Klassen sinnvoll zu verwenden. Wieder andere konnen in verschiedenen semantischen Funktionen eingesetzt werden, wobei sie in der einen Funktion mit beliebigen Kopfnomina verbunden werden konnen, in der anderen jedoch nur mit Nomina bestimmter semantischer Klassen.

Zur Beschaffenheit der Phrase, die als Basis dient

Seitens der Basisphrase sind zwei Faktoren besonders zu beachten:

  1. die Bestimmtheit oder Unbestimmtheit des Gegenstands, den sie entwirft ? technisch gesprochen: den sie denotiert

Entwirft bereits die Basisphrase einen bestimmten Gegenstand, wirkt sich ein Attributsatz ? nicht anders als sonstige Attribute ? anders auf die Bedeutung der erweiterten Phrase aus als dort, wo der Gegenstand noch unbestimmt blieb:

Hintergrundinformation

Nach Aussage der Frau wurde sie am Sonntag von einem uber zwei Meter gro?en Farbigen in ihrer Wohnung uberfallen und mehrmals vergewaltigt. Ehe er verschwand, stahl ihr der Mann noch Schmuck und Bargeld. Vom Tater fehlt noch jede Spur. Das Drama begann am Villacher Kirchtag. Gegen drei Uhr fruh machte sich die alleinstehende Frau auf den Heimweg. Dabei mu? ihr der Mann gefolgt sein. Denn kaum war sie in ihrer Wohung, klingelte es. Als sie die Tur offnete, sturzte sich der Farbige, den sie nie zuvor gesehen hatte, auf sie.
(Neue Kronen-Zeitung, 08.08.1994, S. 12)

Einschrankung

Die Niederlanderin Heleen van der Laan hatte als 19jahrige in Spitzbergen uberwintert, mit einem Trapper, den sie nie zuvor gesehen hatte.
(Berliner Zeitung, 31.12.1998, S. VI)
  1. die Wahl des Kopfnomens

Nomina, mit denen Handlungen, Zustande oder Ereignisse zu bezeichnen sind, verhalten sich im Hinblick auf mogliche Attributionen partiell anders als solche, mit denen konkrete Gegenstande zu bezeichnen sind, wobei auch Personen, Tiere und Pflanzen als Gegenstande zu gelten haben.

Zum Kontext, in dem die Basisphrase auftritt

Ob eine Basisphrase einen eindeutig bestimmten Gegenstand entwirft oder nicht, hangt in bestimmten Fallen davon ab, in welchen Kontext sie gestellt wird.

  1. Tritt als Basisphrase ein Eigenname auf, dann ist der Gegenstand damit bereits eindeutig bestimmt. Dasselbe gilt ? bei korrektem Sprachgebrauch ? fur Nominalphrasen, die mit dem Demonstrativ-Artikeln dies- oder mit einem Possessiv-Artikel eingeleitet werden, denn dabei wird auf bereits Bestimmtes Bezug genommen, bzw. bereits Bestimmtes ? der Besitzer ? genutzt, um sonst Unbestimmtes eindeutig zu machen:

    Sie beschlossen einstimmig, die Gesamtsumme von 300 Millionen in zwei Tranchen auszuzahlen und nur den EIB-Kredit schon Ende August freizugeben. Die zweite Tranche, ein Zuschuss von 75 Millionen Euro an die jugoslawische Zentralbank, soll dagegen erst im November flie?en. Dieses Geld, das die Notenbank dann der serbischen Regierung ausleihen konnte, damit diese die allerdringendsten Ausgaben bestreitet, kommt zu spat.
    (Berliner Zeitung, 23.07.2001, S. 4)

    Seit Jahr und Tag bemuhten sich die Klingenbacher Verantwortlichen vergeblich, ihren "verlorenen Sohn" Sascha Kalss aus Eisenstadt heimzulotsen, die neuen Ubertrittsregelungen im Amateurfu?ball machen es moglich: Kalss unterschrieb fur seinen Stammklub, dem er, da er alter als 24 Jahre ist, keinen Groschen Ablose kostet . . .
    (Neue Kronen-Zeitung, 01.07.1997, Erster Transfer zum Nulltarif: Klingenbach holt "Vertragsamateur")

  2. Jede weitere Information, die in Form eines Attributsatzes zu solchen Gegenstanden gegeben wird, kann dann nur den Charakter eines Zusatzes haben, der ? sofern er zutreffend ist ? unser Wissen uber diese Gegenstande erweitert.
  3. Nominalphrasen, die mit einem indefiniten (unbestimmten) Artikel eingeleitet werden, bestimmen Gegenstande nicht eindeutig und daran andert sich auch nichts, wenn die Phrasen mittels Attributsatzen erweitert werden. Jede Information, die in Form eines Attributsatzes zu einer solchen Phrase hinzugefugt wird, wirkt jedoch restriktiv, denn sie fuhrt unausweichlich zu einer Einschrankung des Bereichs der Gegenstande, auf die zutreffen kann, was mit der Phrase ausgefuhrt wird.
  4. Bei Nominalphrasen, die mit definitem (bestimmten) Artikel oder dem Demonstrativ-Artikel derselb- eingeleitet werden, ist zu berucksichtigen, ob der Gegenstand bereits eingefuhrt wurde oder erst mit der gegebenen Nominalphrase eingefuhrt wird. Wurde er bereits eingefuhrt, ist er insofern als bestimmt zu betrachten, als er eben dieser eingefuhrte Gegenstand ist. Weitere Information zu diesem Gegenstand wirkt deshalb nur als Erweiterung und nicht einschrankend. Wurden hingegen zunachst mehrere gleich geartete Gegenstande eingefuhrt, von denen in der Folge einer in Form einer Nominalphrase aufgegriffen werden soll, die mit einem definiten Artikel eingeleitet wird, dann dient ein hinzugefugter Attributsatz dazu, eine Einschrankung vorzunehmen, die hinreichen sollte, um den Gegenstand eindeutig zu bestimmen.

Wissen, wovon die Rede ist, hei?t nicht unbedingt, in der Lage sein, den Gegenstand in der Welt ? zumindest prinzipiell ? identifizieren zu konnen. Das lasst sich an einem einfachen Beispiel zeigen:

Jemand erzahlt mir, dass er gestern im Wald einen riesigen Steinpilz und eine Menge Maronenpilze gefunden hat. Spater bemerkt er noch: "Der Steinpilz war leider stark von Maden zerfressen". Ich wei? jetzt, worauf er sich mit "der Steinpilz" bezieht, dennoch bin ich naturlich au?erstande, diesen individuellen Steinpilz zu identifizieren.

Semantische Beziehungen zwischen Basisphrase und Attributsatz

Attributsatze konnen grundsatzlich in einer dieser semantischen Beziehungen zu der Phrase stehen, der sie hinzugefugt werden:

Attributsatze mit dem Status einer Einschrankung

Attributsatze konnen den Status einer Einschrankung oder Restriktion haben, die auf Gegenstandsentwurfe angewandt wird, wie sie mit dem Kopfnomen und eventuell bereits damit verrechneten anderen Attributen vorgenommen wurden. Syntaktisch gesehen handelt es sich dabei um Supplemente zum Kopf der Phrase und nicht etwa zu der Phrase insgesamt. Semantisch gesehen, bewirken Attributsatze mit diesem Status eine Reduktion der Extension (Ausdehnung oder Menge) dessen, was mit der Phrase zutreffend charakterisiert werden kann. Diese Art der semantischen Beziehung liegt etwa bei den markierten Phrasen in folgenden, formal ganz verschiedenartigen Satzen vor:

Im SWR1 haben wir heute einen Gast, den vermutlich jeder in Deutschland kennt, Karin Tietze-Ludwig.
(Stefan Siller, in: SWR1, Leute, April 2006)
Er entwickelte eine Versuchsanordnung, bei der die Probanten aufgefordert wurden, irgendeinen Korperteil zu bewegen.
(Ralf Caspary, in: SWR2, Wissen. Das Ich und sein Gehirn, 20. 7. 2006)
Wohl bemerkt, man ihr auch sagen, dass sie komplett ausschalten soll und paar Tage vorher das Haus aufwarmen soll, das ist in meinen Augen nicht sinnvoll - vor allem braucht ein Haus, was im Winter bei minus Graden ausgekuhlt ist, so 3 Tage mit der Heizung auf Volllast, um wieder auf Zimmertemperatur zu kommen.
(www.pcwelt.de/forum/praxis/157929-wohnen-wie-bill-gates.html - gefunden am 1. 9. 2006)
Ein Volksfest, wie es der US- Gesandte Kornblum den Berlinern versprochen hatte, war der funfstundige Besuch des US-Prasidenten nicht. Selbst bei der Show im alten Flughafen Tempelhof rangierte Sicherheit vor Ausgelassenheit.
(die tageszeitung, 13.06.1987, S. 1-2)
Das Timing stimmt tatsachlich skeptisch und erinnert an die Anklageerhebung gegen Silvio Berlusconi, just am Tag, als dieser im Herbst 1994 einen Weltgipfel gegen die Kriminalitat eroffnete.
(Zuricher Tagesanzeiger, 27.11.1996, S. 5)
Was mich wundert, ist dass die Evolution uns zum Uberleben an Gehirn, brauchen mer doch nicht an Gehirn, dass wir wissen, dass es 1022 Sterne gibt, und trotzdem konnen wir des erforschen.
(Prof. Dr. Hanns Ruder, in: SWR1 Leute, Juli 2006)
Ein Rennen, es ist das siebte an diesem Nachmittag, zahlt zur Weltmeisterschaft des Amateur-Reiterverbandes Fegentri.
(Berliner Morgenpost, 02.05.99, S. 34)
Die Musik, man kramte dafur im Musikhaus Doblinger nach alten Schlagern, adaptierte sie und druckte eine CD mit den Nummern aus "Cigarettes in Vienna".
(Die Presse, 28.10.1995, Kurz kritisiert...)
Eine Untersuchungskommission, obwohl zu 90 Prozent mit Houphouet-Getreuen besetzt, kam einstimmig zu dem Ergebnis, da? in der fraglichen Mainacht Studenten gefoltert und Studentinnen vor den Augen ihrer Kommilitonen vergewaltigt worden waren.
(die tageszeitung, 31.03.1992, S. 19)

Ein Blick auf die Beispiele zeigt, dass als Attributsatze mit dem Status einer Einschrankung Relativsatze, Adverbialsatze, Verbzweitsatze und Dass-Satze in Frage kommen. Tatsachlich konnen auch nur Satze dieser Art mit dieser semantischen Funktion in Nominalphrasen auftreten.

Eine detaillierte Betrachtung inhaltlicher Aspekte moglicher Attributionen zeigt, dass fur Attributsatze mit dem Status einer Einschrankung nahezu das gesamte Spektrum dessen in Frage kommt, was auf der Ebene des Diktums an Pradikatsspezifikationen, Propositionsspezifikationen, Geltungsspezifikationen und Geltungsrestriktionen als Supplementsatz zu formulieren ist. Ausgenommen ist lediglich die Negation, die auch dort nicht als Supplementsatz zu realisieren ist.

Einer Pradikatsspezifikation entsprechend:

Mit diesem Gesetz, so Diepgen, beweise der Senat eine Wissenschaftsfeindlichkeit, wie man sie aus den Zeiten des SED-Regimes kenne.
(die tageszeitung, 29.06.1990, S. 21)

Einer Propositionsspezifikation entsprechend:

Vom Nachruhm ihrer verstorbenen Maler-Gatten zehren und reden die beiden alten Frauen, wahrend sie zu einer Berghutte wandern, wo ein Journalist sie interviewen will.
(die tageszeitung, 05.10.1988, S. 14)
1771 war das Jahr, als die katholische Kirche gebaut wurde.
(St. Galler Tagblatt, 25.07.2000, "Ein Haus erzahlt Dorfgeschichte")

Einer Kausalspezifikation entsprechend:

Wei? hatte auch Erklarungen dafur, warum die Auseinandersetzung mit der Nazizeit in beiden Teilen Deutschlands so zogerlich und luckenhaft war: Ein Schutzmechanismus, weil man die Wahrheit nicht ertragen konnte, hatte das Schweigen zur Folge. .
(Frankfurter Allgemeine, 1995)

Einer Finalspezifikation entsprechend:

Hier einige Tips, damit der gro?e Crash ausbleibt: ...
(Vorarlberger Nachrichten, 20.02.1999, "Wartet 2000 das digitale Desaster?")

Einer Durativspezifikation entsprechend:

Getzmann: "Ein Zwischenparken, bis die Raumpanzer wiederkommen, kommt nicht in Frage."
(die tageszeitung, 06.02.2003, S. 22)
Eine Kundigung, wahrend einer noch im Krankenhaus liegt?
(Kleine Zeitung, 16.10.1996, "Gute Besserung!")

Einer Frequenzspezifikation entsprechend:

"Trainieren, so oft es geht", ist derzeit die Devise fur die Junioren des BC Tornados, dem Mannheimer Baseballclub.
(Mannheimer Morgen, 09.09.1998, "Wir sind ganz hei? auf Regensburg")

Einer Konsekutivspezifikation entsprechend:

"Ein Zusammenleben, so da? wir alles vergessen, das wird unmoglich", sagt Eshref Jonuzi.
(Frankfurter Rundschau, 17.04.1999, S. 3)

Einer Konzessivspezifikation entsprechend:

Fritz Kuhn: Damals hatten wir die deutsche Einheit als politisches Gro?ereignis ignoriert, das hat uns aus dem Bundestag gebracht. Ich glaube, da? wir jetzt eine vergleichbare Krise haben - eine Krise, obwohl wir als Regierungspartei erfolgreich sind.
(Frankfurter Rundschau, 06.03.1999, S. 7)

Einer Kontrastivspezifikation entsprechend:

"Ein Wahnsinn, wo doch alle uber zu wenig Auftrage jammern", emport sich der Sistranser Ortschef Franz Gapp.
(Tiroler Tageszeitung, 30.09.1996, "Ausbau wird neu ausgeschrieben")

Einer Substitutivspezifikation entsprechend:

An den Schulen ortet er ein "weinerliches Herumgerede, statt da? man den jungen Leuten sagt, da? sie was konnen und sich in der EG bewahren werden".
(Die Presse, 21.03.1992; "Angst vor dem Strudel der Weltpolitik")

Einer Geltungsrestriktion entsprechend:

Ein Nazi, wenn er nur aus der Dritten Welt kommt, ist ein guter Nazi!?
(die tageszeitung, 30.04.1993, S. 23)

Als Supplemente sind Attributsatze mit den Status einer Einschrankung prinzipiell zu beliebigen Kopfnomina moglich, wenn auch aus sachlicher Hinsicht sicher nicht immer sinnvoll.

Attributsatze mit dem Status einer Zusatz- oder Hintergrundinformation

Wird mit der Basisphrase ein bereits eingefuhrter Gegenstand bestimmt, kann ein hinzutretender Attributsatz keine einschrankende Wirkung entfalten und ware deshalb sinnlos, konnte er nicht auch diese Leistung erbringen: Zusatzliches in der Art einer Hintergrundinformation zu diesem Gegenstand bereitstellen. Dabei unterscheidet sich das Spektrum der in Frage kommenden Typen von Attributsatzen nicht vom demjenigen, das fur Einschrankung zur Verfugung steht. Verschieden ist jedoch, worauf sie die Attribution jeweils bezieht. Ein Attributsatz mit dem Status einer Einschrankung tritt als Attribut zum Kopfnomen der Basisphrase. Attributsatze mit dem Status einer Zusatzinformation treten als Attribute zu der gesamten Basisphrase, also insbesondere zu einer Ausdruckseinheit, die bereits eine Quantifikation einschlie?t.

Zwei Beispiele zur Veranschaulichung der unterschiedlichen Strukturen:

Attributsatz mit dem Status einer Einschrankung

Attributsatz mit dem Status einer Zusatzinformation

Als bereits bestimmt sind Gegenstande zu betrachten, die in dieser oder jener Form schon zuvor eingefuhrt wurden, also u.a.:

  • Eigennamen wie Herbert , Heidelberg, der Tech, die Eifel
  • Bezeichnungen von Funktionen, die generell oder im gesprachsrelevanten Zeitraum nur einen Trager haben konnen, also etwa die erste Ehefrau des spateren Bundeskanzlers Schroder, der zweite Prasident der Bundesrepublik Deutschland, mein Nachbar zur Linken
  • Ruckverweisendes wie der Vorgenannte, dieses Gebaude

Hier einige Beispiele von Attributsatzen mit einem Status als zusatzliche Information:

Bei Gegenstandsbestimmung mittels Eigenname

Schauble, der einen kleinen Kompromi? in Sachen Steuerreform mit der SPD unbedingt haben wollte, bleibt sich damit nur treu. Aber treu bleibt sich naturlich auch Kohl, der Journalisten anraunzt: "Entschuldigung, der Wolfgang Schauble hat genau das gleiche gesagt wie ich.
(Die Zeit, 16.01.1998, Nr. 04, S. 7)
Das ist eine Niederlage fur den Wiedervereinigungs-Kanzler Kohl, von dem sich "Wessis" und "Ossis" gleicherma?en im Stich gelassen fuhlen.
(Die Presse, 29.04.1992, "Der hohe Preis der Einheit")

Bei Gegenstandsbestimmung mittels Funktionsbezeichnung

Heute tagt das Prasidium mit dem Bundestrainer, der seine Analysen ebenso deponieren wird wie Wunsche, von denen er meint, da? nur mit ihrer Realisierung die Zukunft des deutschen Fu?ball gesichert werden kann.
(Die Presse, 17.07.1998, "Berti Vogts? Top secret!")
Seltsam wirkt auch der Schlingerkurs der Vereinsleitung, die erst verbal auf die Spieler einschlagt, dann Ruhe befiehlt, und nun das andere Extrem wahlt.
(Berliner Zeitung, 18.05.2004, S. 14)

Bei Gegenstandsbestimmung mittels ruckverweisender Beschreibung

Im Rahmen dieses Konzepts, das gemeinsam mit Pub-Besitzer Friedrich Hackstein bei einem privaten Thekengesprach entstand, sollen fur Kunstler aller erdenklicher Stilrichtungen innerhalb einer freien, unverkrampften Musik aus Sounds, Instrumenten und Stimmen schone und fur alle Beteiligten vergnugliche Musik-Collagen entstehen.
(Mannheimer Morgen, 15.03.2002, "Im Familienbetrieb herrscht Harmonie")
Nach einiger Zeit trafen wir einen betagten Herrn in Begleitung eines, wie es schien, fast ebenso alten Hundes. Der Hund, der auf beiden Augen erblindet war, hatte sich ganz an das Tempo seines Herrn angepasst, der mit ihm redete wie mit einem alten Freund.
Denn sein Plan, der auf dem letzten Arabergipfel in Fes 1982 verabschiedet worden war, sieht das Recht fur sie vor, die besetzten Gebiete allein zu reprasentieren.
(die tageszeitung, 07.11.1987, S. 7)
Wie fur viele ahnlich gelagerte Falle sei auch bezeichnend, dass besagter Bekannter, der den Fall schlie?lich ans Licht brachte, schon von verschiedenen Seiten "etwas lauten" gehort hatte, was ihn schlie?lich veranlasste, der Sache auf den Grund zu gehen. Das Madchen sei nach dem langen Martyrium heute in einer "furchterlichen psychischen Verfassung", so Prasch.
(Salzburger Nachrichten, 17.05.2000, "Kleine Nichte missbraucht")
Enttauscht zeigte sich Schulte uber das Verhalten des Bundeskanzlers, dem er personlich eine Abkehr vom Harmonie- und Konsensprinzip anlastete: Auch dieser habe keine Sensibilitat gegenuber sozialen Ungerechtigkeiten mehr durchblicken lassen.
(die tageszeitung, 25.04.1996, S. 3)
Der Angeklagte, er war zum Proze? vor dem Frankfurter Schoffengericht ohne Verteidiger erschienen, wurde wegen Diebstahls zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.
(Frankfurter Rundschau, 10.01.1998, S. 1)

Anders als im Fall einer einschrankenden Attribution kann bei Attributsatzen mit dem Status einer Zusatzinformation aus semantischer Sicht nicht davon die Rede sein, dass sie auf ihre Basisphrasen als eine Art Operator angewandt werden. Sie werden vielmehr additiv damit verbunden.

Verschiedentlich findet sich in der einschlagigen Literatur der Hinweis, solche nicht-restriktiven Attributsatze seien auch daran zu erkennen, dass man Floskeln wie ubrigens, im Ubrigen oder nebenbei bemerkt in sie einfugen konne. Daran ist so viel zutreffend, dass man dies tun kann, doch besonders hilfreich ist diese Feststellung nicht. In keinem Fall eignet sie sich als Entscheidungskriterium, denn die Entscheidung, ob ein Attributsatz einschrankend oder nicht einschrankend wirken wird, ist immer schon gefallen, bevor er uberhaupt artikuliert wird.

Attributsatze mit dem Status eines Arguments

Auch Attributsatze mit dem Status eines Arguments werden nicht als eine Art Operator auf ihre Basisphrasen angewandt. Attributsatze mit diesem Status sind vielmehr Operanden (Argumente) einer Operation, bei der ihre Basisphrase die Rolle eines Operators einnimmt. Aus syntaktischer Sicht handelt es sich damit entsprechend um so genannte Komplementsatze.

Dass etwas einerseits Attribut sein und andererseits den Status eines Arguments haben soll, klingt erst einmal verwirrend und ist in der Tat nur damit zu erklaren, dass hier bei der syntaktischen und der semantischen Analyse geradezu gegenlaufige Gesichtpunkte zum Tragen kommen: Die syntaktische Analyse sieht, dass hier zu einer formal bereits vollstandigen Phrase ein Satz als Erweiterung hinzutritt. Die semantische Analyse stellt fest, dass bei Nominalphrasen, wie sie etwa in den folgenden Beispielsatzen zu finden sind, die Basisphrase dazu dient, eine Klassifikation dessen vorzunehmen, was der Attributsatz besagt, und nicht etwa umgekehrt Gegenstand einer Subklassifikation seitens des Attributssatzes ist:

Die Tatsache, da? Koblenz und Mainz abgesagt hatten, war das, was Zohnerer, mein Agent, als " Alarmstufe I " bezeichnen wurde, ...
(LBC, S. 17, gelesen von Heinrich Boll)
Eine Tages kam er auf den Gedanken, dass ich kein rechtes Verhaltnis zu Tieren hatte und die Verantwortung fur ein Tier ubernehmen musste.
(Manfred Rommel, 2. 9. 1998 im Gesprach mit Martin Born in SWR 4: Unternehmungen)
Und dies war der Ausgangspunkt fur die bald platzgreifende Erkenntnis, von der ich ebenfalls schon gesprochen habe, der Erkenntnis, dass uberhaupt alles zugleich Partikel und Wellenfeld ist.
(Erwin Schrodinger, "Was ist Materie?", Vortrag am 9. 12. 1952)
Weiter berichtet das Magazin, es wuchsen die Zweifel, ob die rechtsextremistischen Zwischenfalle von dem neu eingesetzten Untersuchungsausschu? tatsachlich aufgeklart werden konnen.
(Mannheimer Morgen, 20.12.1997, "Soldatenvideo aus Bosnien")
Diese Gesetze sind keineswegs vollig verstanden, aber ein wahrscheinlich zutreffendes Analogon aus der Physik greifbarer Korper ist die Art, wie etwa die einzelnen Partialtone, sagen wir einer Glocke, sich ergeben aus der begrenzten Gestalt der Glocke und den Gesetzen der Elastizitat, denen an sich nichts Diskontinuierliches anhaftet.
(Erwin Schrodinger, "Was ist Materie?", Vortrag am 9. 12. 1952)
Viel wichtiger als die Frage, warum sie ausstarben, erscheint daher Evolutionsforschern heute die Frage, warum die Schreckensechsen so lange erfolgreich waren.
(Frankfurter Rundschau, 02.08.1997, S. 8)
Die mir zugeschriebene Au?erung ist frei erfunden, die Behauptung, ich hatte wissentlich Falschinformationen verbreitet, ist unzutreffend.
(Frankfurter Rundschau, 22.10.1997, S. 2)
Die Vermutung, die Bundesanwaltschaft habe im Fall Mayer versucht, neue Ma?stabe im Umgang mit entlassenen RAF-Haftlingen zu setzen, wies der Sprecher Rebmanns zuruck, es handle sich eher um ein Versehen.
(die tageszeitung, 21.12.1988, S. 4)
Die Vorstellung, man konne oder solle die marode Industrie zwecks Garantie der Arbeitsplatze am Laufen halten, ist aberwitzig.
(die tageszeitung, 13.04.1991, S. 10)
Manches spricht dafur, dass die Proteste auf dem Missverstandnis beruhten, Sprache und Schrift seien unwandelbar miteinander verknupft.
(Die Zeit, Nr. 32, 3. 8. 2006, S.1)

Gibt man den Informationen, die hier mittels erweiterter Nominalphrase gegeben werden, die Form selbstandiger Satze, so wird deutlich, weshalb davon die Rede sein kann, die Attributsatze hatten dabei den Status eines Arguments:

Die Tatsache war, da? Koblenz und Mainz abgesagt hatten.

Der Gedanke war, dass ich kein rechtes Verhaltnis zu Tieren hatte und die Verantwortung fur ein Tier ubernehmen musste.

Die Erkenntnis ist, dass uberhaupt alles zugleich Partikel und Wellenfeld ist.

Der Zweifel besteht, ob die rechtsextremistischen Zwischenfalle von dem neu eingesetzten Untersuchungsausschu? tatsachlich aufgeklart werden konnen.

Die Frage ist, warum sie ausstarben.

Die Behauptung lautet, ich hatte wissentlich Falschinformationen verbreitet

Die Vermutung geht dahin, die Bundesanwaltschaft habe im Fall Mayer versucht, neue Ma?stabe im Umgang mit entlassenen RAF-Haftlingen zu setzen

Die Vorstellung ist, man konne oder solle die marode Industrie zwecks Garantie der Arbeitsplatze am Laufen halten.

Als Basis fur Attributsatze mit Argumentstatus kommen uberwiegend Nominalphrasen in Frage, deren Kopfnomina von Verben abgeleitet sind, die sprachliche Handlungen, emotionale Einstellungen oder mentale Einstellungen bezeichnen. Diese Nomina erben, wenn man so will, Aspekte der Valenz jener Verben, von denen sie abgeleitet wurden. Hinzu kommen Nomina, mit denen Propositionen zu charakterisieren sind wie Tatbestand, Tatsache, Sachlage, Fall, Umstand. Eine umfangreiche, wenngleich sicher nicht vollstandige Auswahl geeigneter Kopfnomina:

  • Nomina mit dass-Satz als Komplement
  • Nomina mit ob-Satz als Komplement
  • Als Kopfnomina fur Verbzweitsatze mit Argumentstatus kommen alle Nomina in Frage, bei denen auch ein Dass-Satz oder ein Ob-Satz moglich ware.
  • Als Kopfnomina fur W-Fragesatze mit Argumentstatus kommen uberwiegend Nomina in Frage, die von Verben abgeleitet sind, bei denen Satze dieser Art als Komplemente moglich sind, also etwa Frage, Einsicht, Erkenntnis, Vermutung, Wissen.

Generell kommen als Attributsatze mit Argumentstatus genau diejenigen Satztypen in Frage, mit denen auch auf Satzebene Argumente formuliert werden konnen. Im Einzelnen sind dies:

  • Dass-Satze
  • Ob-Satze
  • W-Fragesatze
  • Verbzweitsatze

Insbesondere in Verbindung mit Frage ? und darauf aufbauenden Komposita ? als Kopfnomen finden sich auch Verberstsatze, namlich Entscheidungsfragesatze als Attributsatze:

Wenn Nichtversagen die Teilnahme an stumpfsinniger Massenverdummung, manipulierter Verklebung der Sinne, der damit verbundenen stillen Duldung und somit objektiver Beteiligung an der millionenfachen Massenvernichtung von Menschen im Trikont, mittels imperialistischer Ausbeutung bedeutet, so stellt sich unmittelbar die Frage, haben die versagt, deren Okonomie sich nicht an globalem Elend und Tod gesundsto?t, oder die anderen, die ihre Vereinzelung hellau-brullend in Massenbesaufnissen ertranken?
(die tageszeitung, 13.03.1990, S. 19)
Hatte ich auf die Frage, haben sie Drogen genommen, gesagt, ab und zu, hatte ich den Job auch nicht bekommen.
(die tageszeitung, 13.01.2001, S. 29)
Statt loyal zu sein, meldete der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Wowereit Bedenken an Diepgens Handlungsfahigkeit an: "Es geht schlicht um die Frage, ist der Senat unter dem Regierenden Burgermeister Eberhard Diepgen in der Lage, zukunftsorientierte Aufgaben wahrzunehmen.
(Berliner Zeitung, 02.06.2001, Lokales; SPD-Senatoren werfen Diepgen Verfalschen von Tatsachen vor, S. 21)

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Bruno Strecker
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