Charakterisierung mit zweistelligen Prädikaten

Zweistellige Prädikate werden gebraucht zur Charakterisierung von Beziehungen aller Art, die zwischen zwei Gegenständen bestehen können.

Auch dabei lassen sich verschiedene Dimensionen unterscheiden, wobei zu berücksichtigen ist, wie die Argumentstellen dem Prädikat zugeordnet sind, denn die Paar-Beziehung zwischen zwei Gegenständen ist meist geordnet. Nur in seltenen Fällen einer symmetrischen Beziehung - so etwa bei einem Prädikat wie 'ist der Bruder von' - kann die Ordnung der Argumentstellen außer Betracht bleiben, da sie bei beiden Anordnungen gleichermaßen zutrifft oder nicht zutrifft.

Die Ordnung der Argumentstellen könnte selbst schon als eine Dimension der Charakterisierung aufgefasst werden, die allerdings nicht sachlicher, sondern logischer Natur ist. Die Zweizahl der Argumentstellen ermöglicht generell zwei 'Richtungen' bei der Erfassung einer im übrigen gleichen Beziehung.

Ein einfaches Beispiel:

Wenn die Gegenstände A und B hinsichtlich ihrer Größe verglichen werden, dann kann das aus der Sicht von A auf B oder umgekehrt geschehen. Ist A größer als B, lässt sich diese Beziehung auch umgekehrt so ausdrücken, dass B kleiner ist als A. Die Prädikate größer als und kleiner als sind konvers zueinander.

Logisch gesehen könnte es zu jedem zweistelligen Prädikat genau eine Konverse geben. Faktisch existieren im Deutschen aber nur selten lexikalische Konversen zu einem Prädikat. Für den großen Bereich der Handlungsprädikate gibt es aber ein grammatikalisches Verfahren, zu einem Prädikat eine Konverse zu konstruieren: die Bildung von Passivformen.

Markus trinkt eine Limonade.
Von Markus wird eine Limonade getrunken.

Die Konversionsbeziehung zwischen Prädikaten darf nicht mit dem Wortstellungsphänomen der sogenannten Inversion verwechselt werden. Die Ordnung der Argumentstellen eines Prädikats wird von der Bedeutung dieses Prädikats bestimmt und bleibt unberührt von der linearen Abfolge der Argumentausdrücke in einem Satz. Die beiden folgenden Sätze unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht voneinander.

Maria betrachtet ein Bild.
Ein Bild betrachtet Maria.

Die Zuordnung der Argumente eines Prädikats zu bestimmten Argumentstellen erfolgt im Deutschen über Kasus oder Präposition.

Der Junge schenkt seinem Freund einen Gummiball.
Der alte Mann denkt an seine Jugendzeit.

Dieses Mittel steht allerdings nur bei Argumentausdrücken zur Verfügung, die als Nominalphrasen realisiert werden, und selbst bei diesen genügt ein Blick auf die in Grammatiken üblichen Flexionsparadigmen, um zu erkennen, dass Kasusformen formal nicht so konsequent differenziert sind, als dass sich die Zuordnung eines Argumentausdrucks zu einer Argumentstelle allein darauf stützen könnte. Nicht selten sind Kontextinformationen heranzuziehen, um hinsichtlich einer Zuordnung der Argumentsausdrücke zu bestimmten Argumentstellen entscheiden zu können. Da solche Informationen bei kontextfreien Sätzen nicht zur Verfügung stehen, sind die Beispiele der folgenden Einheiten ausnahmslos so zu lesen, dass die lineare Abfolge der Argumentausdrücke eine unmarkierte Abfolge der Argumentstellen indiziert, also keine Inversion vorliegt.

Wie auch bei Prädikaten anderer Stelligkeit sind Dimensionen von Charakterisierung mit zweistelligen Prädikaten nicht absolut zu bestimmen, sondern als - unter praktischen Gesichtspunkten erstellte - Klassifikationen von Prädikaten, die sich in der Anwendung inkludieren oder exkludieren.

Hier Listen von Beispielen zu einer exemplarischen Reihe solcher Dimensionen.

Charakterisierung hinsichtlich Identität von Gegenständen

Charakterisierung hinsichtlich Vergleich

Charakterisierung hinsichtlich Besitzverhältnis

Charakterisierung hinsichtlich Einwirkung

Charakterisierung hinsichtlich Erzeugen oder Erzeugtwerden

Charakterisierung hinsichtlich reziproker Interaktion

Charakterisierung hinsichtlich emotionaler Beziehung

Charakterisierung hinsichtlich Wahrnehmung, Erfahrung oder Vergegenwärtigung

Charakterisierung hinsichtlich propositionaler Einstellung

Charakterisierung hinsichtlich Einstellung zu Gegenständen

Charakterisierung hinsichtlich Ziel, Zweck oder Sinn

Charakterisierung hinsichtlich Tätigkeit, Vorgang oder Zustand

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Autor(en)
Bruno Strecker
Bearbeiter
Elke Donalies
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