Der Terminus Aspekt bezeichnet eine Perspektive, unter der ein Sachverhalt/Vorgang/Ereignis geistig betrachtet oder vorgestellt und dementsprechend sprachlich dargestellt wird. Im Wesentlichen wird zwischen imperfektivem und perfektivem Aspekt unterschieden. „Imperfektiv“ heißt, dass ein Prozess, Zustand oder Vorgang in seinem Ablauf ohne Berücksichtigung seines Anfangs und Endes ausschnittartig vorgestellt wird, „perfektiv“ dagegen, dass der Prozess einschließlich seiner Begrenzungen fokussiert, also voll erfasst wird.
In einigen Sprachen, allerdings nicht im Deutschen, ist der Aspekt als eine Kategorisierung des Verbs bzw. Prädikatsausdrucks ausgebildet. Seine Ausprägung wird gern an den slawischen Sprachen, speziell am Russischen (dort heißt er vid= Anblick), demonstriert. Im Slawischen ist er lexikalisiert, d. h. es gibt zu jedem semantischen Verbalkonzept ein perfektives und ein imperfektives Verb, die häufig via Präfix voneinander abgeleitet sind. Sie werden je nach Text- oder Erzählsituation eingesetzt.
Im Deutschen ist der Aspekt nicht oder – wenn man die peripheren Konstruktion mit einer Form von sein + am + Infinitiv einbezieht – kaum grammatikalisiert:
Die Stimmung war am kochen, als Lukas Tippelreither vor den Augen seiner Göstlinger Fans den zweiten Durchgang des WM-Slaloms der Junioren in Les Planards in Frankreich in Angriff nahm.
[Niederösterreichische Nachrichten, 10.02.2010]
Im Französischen und anderen romanischen Sprachen ist der Aspekt teilgrammatikalisiert, d. h. dass es im Vergangenheitsbereich eine imperfektive und eine perfektive Tempusgruppe gibt. Auch die englische progressive form ist ein grammatikalisierter imperfektiver Aspekt.
In Beschreibungen, Vorgangsschilderungen und Erzählepisoden, in denen die zeitliche Einordnung keine Rolle spielt, wird im Französischen etwa durch das imparfait und im Russischen durch imperfektive Verben der imperfektive Aspekt gekennzeichnet, bei Erzählungen von Handlungsketten, historischem Nacheinander und zeitlich genau eingegrenzten Sachverhalten dagegen der perfektive Aspekt, also Tempora wie passé simple oder passé composé, der griechische Aorist oder im Slawischen perfektive Verben. Im Deutschen ist der Aspekt nur aus dem Erzählkontext zu erschließen. Eine Abgeschlossenheit kann durch Adverbialia oder besonders selektierte Verben (z. B. aufessen, abschließen) ausgedrückt werden.
Aspekt ist nicht mit der Abgeschlossenheitsperspektive zu verwechseln, die ein Tempus wie das Präsensperfekt zu seinem Obertempus, in diesem Falle Präsens, in ein Vorzeitigkeitsverhältnis setzt.
Aktionalität, Aspektualität
aspect (englisch)