Der Satz bildet u. a. eine intonatorische, semantische und grammatische Einheit. Der Satz ist ausgehend vom Prädikat sowohl hierarchisch als auch bezüglich der Abfolge seiner Konstituenten linear strukturiert. Hierarchisch heißt, dass die Konstituenten Funktionen in Bezug auf das Prädikat übernehmen (vor allem: Satzglieder). Sie sind durch verschiedene Relationen verbunden (Valenz, Rektion, Kongruenz, Koordination). Linear heißt, dass die Anordnung der Konstituenten bestimmten Regularitäten folgt (Felderstruktur).
Sätze bilden häufig Bausteine von Texten, d. h. sie bilden zusammenhängend als Text eine größere Einheit. Mit Sätzen können unterschiedliche Äußerungsabsichten verbunden sein (beispielsweise Aussage: 1, 3-5; Frage: 2, 7, Aufforderung: 6). Sätze können einfache Sätze (1-2, 6-7) oder Satzgefüge (3) sein. Bei Koordinationen (4-5) zeigt sich, dass die Frage, was ein Satz ist, von der Festlegung von Kriterien abhängt: Im Sinne eines grammatisch-hierarchischen Satzverständnisses enthält (4) zwei einfache Sätze, weil jeweils ein Prädikat mit den notwendigen Ergänzungen vorliegt. Die beiden Sätze sind koordiniert und bilden eine sogenannte Satzreihe. Wenn man hingegen das Vorhandensein eines Satzschlusszeichens (hier: Punkt) als Kriterium für einen Satz betrachtet, ist (4) ein Satz. Noch schwieriger ist diese Frage in (5), weil hier der zweite Teil der Koordination kein Prädikat enthält, es handelt sich um eine sogenannte Koordinationsellipse (Ellipse).
Vgl. die zu den in der Definition verlinkten Termini angeführten Proben.
–
Weiterführendes:
Der Satzbegriff gehört zu den schwierigsten Begriffen in der Linguistik überhaupt. Da der Satz die zentrale Einheit der Syntax darstellt, erfolgt mit der Begriffsbestimmung hier einerseits eine Festlegung auf ein Grammatikverständnis, eine sogenannte Syntaxtheorie. Andererseits wird der Satz, auch im Schulkontext, aus mindestens vier verschiedenen linguistischen Perspektiven gesehen: Intonatorisch gesehen ist ein Satz eine intonatorisch (Satzakzent, Tonbewegung, Pausen) abgeschlossene Einheit. Orthografisch gesehen ist ein Satz eine Einheit, die mit einem Großbuchstaben beginnt und mit einem Satzschlusszeichen endet. Semantisch gesehen ist ein Satz eine Beschreibung des Sachverhalts, die, sobald geäußert, als eine Kommunikationseinheit dient. Aus der syntaktischen Sicht ist der Satz, wie oben definiert, eine hierarchisch und linear auf bestimmte Weise strukturierte Einheit. Prototypischerweise wird mit allen Sichtweisen das Gleiche als Satz bestimmt. So ist (1) orthografisch, semantisch und syntaktisch gesehen ein Satz.
Es gibt jedoch z. B. auch orthografische und/oder semantische Sätze, die keine syntaktischen sind (z. B. Aufpassen!). Auch kann ein orthografischer Satz mehr als einen syntaktischen Satz enthalten (z. B. enthält die Satzreihe in (4) zwei syntaktische Sätze, die einen orthografischen Satz bilden).
Orthografie
Wie oben dargelegt, sind Sätze typischerweise auch orthografische Einheiten. Die Unterscheidung zwischen einer Satzreihe und einer Abfolge einfacher Sätze wird in der Regel an Komma und Semikolon vs. Punkt festgemacht. Der erste Buchstabe eines Satzes wird großgeschrieben. Ebenfalls kann man auch sagen, dass das erste Wort, das unmittelbar nach dem Satzschlusszeichen „Punkt“ innerhalb von Texten steht, gemäß § 53 des Amtlichen Regelwerks großgeschrieben wird.
Stilistik
Die Nutzung bestimmter Formen von Sätzen wie z. B. langer Satzgefüge vs. kurzer einfacher Sätze ist ein wichtiges Stilmittel.
Die folgenden beiden Beispiele aus literarischen Texten belegen auf eindrückliche Weise, wie stark man die jeweiligen Grenzen ausreizen kann:
Der junge Joseph zum Beispiel, Jaakobs Sohn und der lieblichen, zu früh gen Westen gegangenen Rahel, Joseph zu seiner Zeit,
als Kurigalzu, der Kossäer, zu Babel saß, Herr der vier Gegenden, König von Schumir und Akkad, höchst wohltuend dem Herzen Bel-Marudugs,
ein zugleich strenger und üppiger Gebieter, dessen Bartlöckchen so künstlich gereiht erschienen, daß sie einer Abteilung gut ausgerichteter
Schildträger glichen; - zu Theben aber, in dem Unterlande, das Joseph 'Mizraim' oder auch 'Keme, das Schwarze', zu nennen gewohnt war,
seine Heiligkeit der gute Gott, genannt 'Amun ist zufrieden' und dieses Namens der dritte, der Sonne leiblicher Sohn, zum geblendeten Entzücken
der Staubgeborenen im Horizont seines Palastes strahlte; als Assur zunahm durch die Kraft seiner Götter und auf der großen Straße am Meere,
von Gaza hinauf zu den Pässen des Zederngebirges, königliche Karawanen Höflichkeitskontributionen in Lapislazuli und gestempeltem Golde
zwischen den Höfen des Landes der Ströme und dem Pharao's hin und her führten; als man in den Städten der Amoriter zu Beth-San, Ajalon,
Taàanek, Urusalim der Aschtarti diente, zu Sichem und Beth-Lahama das siebentägige Klagen um den Wahrhaften Sohn, den Zerrissenen, erscholl
und zu Gebal, der Buchstadt, El angebetet ward, der keines Tempels und Kultus bedurfte: Joseph also, wohnhaft im Distrikte Kenana des Landes,
das ägyptisch das Obere Retenu hieß, in seines Vaters von Terebinthen und immergrünen Steineichen beschattetem Familienlager bei Hebron,
ein berühmt angenehmer Jüngling, angenehm namentlich in erblicher Nachfolge seiner Mutter, die hübsch und schön gewesen war wie der Mond,
wenn er voll ist, und wie Ischtars Stern, wenn er milde im Reinen schwimmt, außerdem aber, vom Vater her, ausgestattet mit Geistesgaben,
durch welche er diesen wohl gar in gewissem Sinne noch übertraf, - Joseph denn schließlich (zum fünften- und sechstenmal nennen wir seinen
Namen und mit Befriedigung; denn um den Namen steht es geheimnisvoll, und uns ist, als gäbe sein Besitz uns Beschwörerkraft über des Knaben
zeitversunkene, doch einst so gesprächig-lebensvolle Person) - Joseph für sein Teil erblickte in einer südbabylonischen Stadt namens Uru,
die er in seiner Mundart 'Ur Kaschdim', 'Ur der Chaldäer' zu nennen pflegte, den Anfang aller, das heißt: seiner persönlichen Dinge.
(Thomas Mann: Joseph und seine Brüder)
Es ist ganz einfach:
Ich verlasse dich.
Morgen gehe ich weg. Weg von dir.
Das bedeutet, ich gehe weg von uns.
Es klingt sehr einfach. Aber ich habe
viele Fragen.
Was passiert mit unserer Geschichte,
wenn ich gehe?
Wer wird sich um unsere Geschichte kümmern,
wenn es uns als Paar nicht mehr gibt?
Ich finde, unsere Geschichte ist wie ein Kind.
Wir tragen die Verantwortung für sie.
Das hört sich komisch an. Ich weiß.
Ich möchte, dass unsere Geschichte auch
ohne uns weitergeht.
Aber solche Sachen sind nicht möglich.
Außer im Traum.
Ich verlasse dich.
Drei Wörter, die jeder versteht. Eigenartig.
Es reichen drei Wörter, und alles ist getan.
Man muss sie bloß aussprechen.
Ich bin erstaunt, dass es so einfach ist.
Bevor ich den Satz laut ausspreche, übe ich ihn
im Stillen.
Ich sage ihn vor mich hin.
Ich. Verlasse. Dich.
Jetzt bin ich noch mal erstaunt.
Der Satz ist genauso kurz wie der Satz, den ich
am Anfang unserer Geschichte gesagt habe.
Am Anfang habe ich zu dir gesagt:
Ich liebe dich.
(Julia Schoch: Ich verlasse dich)
Der Ausschnitt aus der Erzählung von Thomas Mann „Jospeh und seine Brüder“ ist ein orthografischer Satz, der 348 (!) Wörter umfasst. Der Beginn der Erzählung „Ich verlasse dich“ von Julia Schoch (entstanden im Rahmen eines Projekts des Frankfurter Literaturhauses mit dem Titel „LiES! Literatur in Einfacher Sprache“) enthält 31 durch einen Punkt abgegrenzte Einheiten und umfasst insgesamt 174 Wörter, also 6,61 Wörter pro orthografischem Satz. Zweifelsohne können mit beiden Strategien stilistische Effekte erzielt werden, dabei entfaltet gerade auch der sehr gezielte Einsatz kurzer Sätze ein literarästhetisches Potential.